Von der Hantelbank in den OP

Lungentransplantation: Nichts wird so sein wie früher

1-Roland-Rothenhäusler Von der Hantelbank in den OP

Vor sieben Jahren wurde bei Roland Rothenhäusler (58) aus Amtzell bei Ravensburg Lungenfibrose festgestellt. Atemnot beim Treppensteigen, ein klassisches Symptom der meisten Lungenerkrankungen, hatte ihn den Arzt aufsuchen lassen. Erst eine Reihe von Untersuchungen sowohl beim Lungenfacharzt als auch in der Lungenfachklinik Wangen, inklusive Biopsie (Entnahme einer Gewebeprobe), ermöglichte eine eindeutige Diagnose.

Im weiteren Verlauf verschlechterte sich die Erkrankung relativ rasch, so wie es bei Fibrosen häufig der Fall ist, im Gegensatz zur COPD, bei der es sich meist um einen eher schleichenden Prozess handelt.

Annäherung an das Thema Transplantation

Zunächst standen die persönliche Verarbeitung der Diagnose und das Leben mit der Erkrankung im Vordergrund. Doch bereits frühzeitig sprach die behandelnde Lungenfachärztin das Thema Lungentransplantation mit dem Hinweis an, dass diese Fragestellung zwar weit entfernt, aber eine rechtzeitige Auseinandersetzung mir ihr dennoch sinnvoll sei.

Nach einigen Jahren wurde eine Langzeit-Sauerstofftherapie (LOT) notwendig. Anfangs mit 1,5-2 Litern, später mit 5 Litern pro Minute unter Belastung.

„Dieser Entwicklungsprozess beschleunigte auch meine gedankliche Annäherung an eine Transplantation“, schildert Roland Rothenhäusler. „Gespräche mit meinem Sohn, Bekannten und Freunden gestalteten sich allerdings verständlicherweise eher schwierig. Ich erkannte, dass nur meine ganz persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema den Weg zu einer Entscheidung ermöglicht und begann, mich umfassend zu informieren.“

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen in der Fachklinik Wangen reflektierten den aktuellen Stand der Erkrankung, auch von dort kam ein Signal, dass eine Transplantation irgendwann in Erwägung gezogen werden müsse.

„Ich war bereit für einen weiteren Schritt und so kam der Anstoß, wie es denn nun weitergehen könne, beim nächsten Termin von mir selbst.“ Zwei Wochen später fand ein Erstgespräch im Lungentransplantationszentrum München statt. Kurz darauf erfolgten während eines einwöchigen Klinikaufenthaltes die notwendigen Voruntersuchungen zur Aufnahme in die Warteliste. „Ein Riesenschritt für mich, von der gedanklichen Auseinandersetzung zur realen Vorbereitung, immer mit dem Bewusstsein, dass es nun ernster wird.“

Die komplexen Voruntersuchungen verliefen gut, wenngleich mit manchen Ängsten besetzt, wie z. B. bei der notwendigen Herzkatheteruntersuchung.

„Für meine eigene Entscheidung zur Transplantation und auch zur mentalen Vorbereitung war es besonders wichtig, während dieser Zeit des Klinikaufenthaltes, mit bereits transplantierten Patienten sprechen zu können und auch zu sehen, wie es ihnen geht. Ich konnte erfahren, dass es manchen Patienten unmittelbar nach der Operation bereits gut geht, andere jedoch viele Monate oder gar ein Jahr benötigen, um gesundheitlich stabil zu werden. Ebenso erhielt ich über diesen Weg viele Detailinformationen, wie sich das Leben nach einer Transplantation gestaltet.“

Die Listung zur Lungentransplantation erfolgte am 17. Juni 2018.

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Das Ausblasen einer Kerze, wie hier auf dem Geburtstagskuchen, war vor der OP nicht mehr möglich.

Von der Listung zur Transplantation

Überraschend schnell kam im Juli der erste Anruf. Die Abholung erfolgte per Krankenwagen. Die Stunden im Krankenzimmer verliefen in höchster Anspannung. Dann die Information: Die Transplantation kann nicht erfolgen.

Die Zeit danach gestaltete sich deutlich belasteter. Stets gedanklich auf Abruf, das Telefon oder Handy immer im Blick. Das bestehende Netzwerk aus Ärzten, Familie und Bekanntenkreis ermöglichte die notwendige Unterstützung und half bei der Rückkehr zum Alltag.

Roland Rothenhäusler nutzte die Zeit, trieb viel Sport. Freude an der Bewegung war schon immer vorhanden, doch ohne die Konsequenz der Regelmäßigkeit. Nach einer ersten Rehabilitationsmaßnahme 2014 gelang es jedoch, Bewegung zu einem Bestandteil eines jeden Tages werden zu lassen. „Ich habe gewusst, dass es irgendwann einmal soweit sein wird, dass ich eine neue Lunge bekomme, dafür wollte ich so fit wie möglich sein. Auch machte ich die Erfahrung, dass mehr körperliche Fitness sich positiv auf die psychische, mentale Stärke auswirkt.“

Eine weitere, vorbereitende Rehabilitationsmaßnahme wurde beantragt und im Oktober 2018 genehmigt.

In der vierten Woche der Rehabilitation, während des Hanteltrainings kam der zweite Anruf. „Ich wurde in das Zimmer der behandelnden Ärztin gerufen, die mir mitteilte, dass sie eine gute und eine schlechte Nachricht für mich habe. Die schlechte sei, dass ich nun leider die Rehabilitationsklinik verlassen müsse, die gute dass ein Spenderorgan für mich gefunden sei. Mein erster Gedanke: Ich bin optimal vorbereitet! Trotzdem überwältigte mich die Situation emotional wieder völlig, wie beim ersten Anruf.“

Viele Umarmungen und gute Wünsche begleiteten Roland Rothenhäusler nach München.

Bevor er in den OP geschoben wurde, grub sich ein Satz der begleitenden Ärztin in seine Gedanken: „Nichts wird mehr so sein wie früher.“

Die Lunge bestimmt den Tagesrhythmus

Die Schwester entfernte am dritten Tag nach der Transplantation die Geräte zur medizinischen Überwachung: „Fühlen Sie sich gut?“ “Ja, es geht mir gut, doch es wäre schön, wenn ich jetzt eine neue Lunge bekommen würde.“

Erst dann erfolgte die Realisierung der gelungenen Operation.

Der erste unmittelbare positive Effekt: die Langzeit-Sauerstofftherapie ist nicht mehr erforderlich. Von körperlicher Aufbauarbeit, Atemphysiotherapie, Krankengymnastik, Muskelaufbau etc. waren die folgenden Wochen und Monate bestimmt, zuerst in der Klinik, anschließend während der Anschlussheilbehandlung in einer Rehabilitationsklinik. Der Aufbau funktionierte nur in kleinen Schritten. „Nach der OP hatte ich die größten Schwierigkeiten ein Blatt Papier zu halten. Dies wurde aber spürbar immer besser – ganz im Gegensatz zur Zeit vor der Transplantation als die Leistungsfähigkeit kontinuierlich nur schlechter wurde.“

Tägliche Kontrollselbstmessungen gehören nun zum Lebensrhythmus, der Umgang damit und überhaupt mit der neuen Lebenssituation muss erlernt werden. Ärztliche Blutabnahmen erfolgten anfangs täglich, inzwischen wöchentlich. Eine gewisse Anspannung, ob alles in Ordnung ist, bleibt dennoch bestehen und wird nur ganz langsam zur Routine.

Die stattliche Anzahl von ca. 25-30 Tabletten ist täglich konsequent nach einem Zeitschema einzunehmen. Am Anfang variierte die Tablettenanzahl in Anlehnung an den jeweiligen Blutspiegel, sind die Werte konstant, kann die Einnahme der Tabletten reduziert werden.

Der Schutz vor Infektionen, gleich welcher Art, bedeutet eine täglich neue Herausforderung und betrifft vor allem im ersten Jahr nach der Transplantation auch den Bereich der Ernährung. So dürfen beispielsweise Nüsse, ungeschältes Obst, aufgewärmte Lebensmittel, Blattsalate und vieles mehr nicht verzehrt werden. Es geht um die Vermeidung von Bakterien, Pilzen und Viren, also einer Kontamination im weitesten Sinne.

Das erste Jahr nach der Transplantation ist geprägt von einem Auf und Ab, Anspannung und Entspannung und vielen Lernprozessen. Gesundheitliche Probleme mit den Nieren bedeuten einen kurzzeitigen Einbruch, aktuell bereiten Zahnentzündungen starke Schmerzen und bringen Schlafprobleme mit sich. 

„Mein Leben nach der Transplantation hat sich verändert und ich empfinde es als ein Geschenk. Ich bin gerne bereit, meinen Tagesrhythmus anzupassen, um für meine neue Lunge Sorge zu tragen. Meine Lebensqualität ist heute eine andere, sie ist eine bessere.“

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Ein Anfang, die erste Radausfahrt über vier Kilometer am 1. Mai 2019. Das nächste anvisierte Ziel ist eine Radreise auf Mallorca.

Untersuchungen zur Aufnahme auf die Warteliste

Vor Aufnahme auf die Warteliste ist es wichtig zu klären, ob der Patient aus medizinischer Sicht (abgesehen von seiner schweren Lungenerkrankung) für die Transplantation geeignet ist. Diese muss mit einem vertretbaren Risiko durchgeführt werden können.

Neben der eingehenden Untersuchung der Lungenfunktion und des Herz- und Kreislaufsystems wird der gesamte körperliche Zustand analysiert. Dazu gehören Röntgenuntersuchungen und Computertomographie des Thorax, Lungenfunktionsuntersuchung, Ventilations-Perfusions-Scan, Echokardiographie und Abdomensonographie.

Umfangreiche Untersuchungen des Blutes dienen zum Ausschluss latenter Tumorerkrankungen und chronischer Infektionen. Im Rahmen der Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems wird auch eine Rechtsherz-Katheteruntersuchung durchgeführt, um die Druckverhältnisse im Lungenkreislauf zu überprüfen.

Auch psychiatrische und psychosomatische Erkrankungen werden untersucht, beurteilt und gegebenenfalls behandelt. Sind alle Untersuchungen abgeschlossen, werden die Ergebnisse zusammengestellt und dem Transplantationszentrum übergeben. Dort entscheidet ein Gremium aus Pneumologen und Thorax-/Herzchirurgen, ob der Patient – falls dies sein Wunsch ist – auf die Warteliste aufgenommen werden kann und soll. Zum Team gehören auch Narkoseärzte (Anästhesisten), um die Operabilität des Patienten aus anästhesiologischer Sicht zu beurteilen.

Quelle: Transplantationszentrum München LMU, Campus Großadern


Bildnachweis:
Roland Rothenhäusler

Interview/Text:
Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek


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Dieser Beitrag wurde in der Sommerausgabe 2019 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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