Gesundheitsbezogene Lebensqualität

Den Alltag meistern

Gesundheitsbezogene Lebensqualität ist ein Wortungetüm. Dahinter steckt jedoch ein hilfreiches Konzept – vor allem für psychopneumologische Ansätze. Denn in einem Punkt sind sich Patienten, Behandler und Forscher einig: Chronische Lungenerkrankungen beeinträchtigen die Lebensqualität.

Weniger Einigkeit besteht darüber, was eigentlich unter Lebensqualität zu verstehen ist. Grundlagen für eine hilfreiche Auseinandersetzung mit diesem Thema bietet das Konzept der Gesundheitsbezogenen Lebensqualität.

Was ist gesundheitsbezogene Lebensqualität?

Gesundheitsbezogene Lebensqualität (engl. Health Related Quality of Life = HRQoL) beschreibt, wie sich der Gesundheitszustand auf das Befinden auswirkt:

  • körperlich (= physisch)
  • seelisch (= psychisch)
  • geistig (= kognitiv, mental)
  • sozial (= in Beziehungen)

Bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen spielen häufig FEV1-Wert (Einsekundenkapazität) und Sauerstoffsättigung eine geringere Rolle für das subjektive Wohlbefinden als Gehstrecke, erholsamer Schlaf und ausgeglichene Stimmung.

Natürlich hängen die klinischen Werte und das subjektive Befinden zusammen – jedoch keineswegs zwangsläufig und auch nicht bei jedem Patienten in gleichem Maße. Deshalb ist es sinnvoll, außer Lungenfunktion und Labor die Auswirkungen der Erkrankung auf die individuelle Lebenssituation jedes Patienten zu messen.

Wie misst man die gesundheitsbezogene Lebensqualität?

Die Messung der Gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQoL) erfolgt mithilfe von Selbstbeurteilungs-Fragebögen. Die Patienten geben an, wie stark die Krankheitssymptome das Befinden und den persönlichen Lebensstil beeinflussen. Die Antworten werden entweder anhand einer Bewertungsskala (engl. Rating Scale) eingetragen oder aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten ausgewählt.

Welche Messinstrumente für die gesundheitsbezogene Lebensqualität sind gebräuchlich?

Es gibt zahlreiche allgemein gehaltene Fragebögen zur Erfassung der Gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQoL), sogenannte generische Fragebögen. Zusätzlich gibt es für einzelne Krankheitsbilder spezifische Instrumente.

Zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQoL) bei chronischen Lungenerkrankungen kommen vor allem drei Tests zum Einsatz:

  • CAT (= COPD Assessment Test)
  • SGRQ (= Saint George Respiratory Questionnaire)
  • SRI (= Severe Respiratory Insufficiency Questionnaire)

CAT (= COPD Assessment Test)

Der CAT mit acht Fragen (engl. Items) ist in der ambulanten pneumologischen Versorgung inzwischen fest etabliert. Die Patienten kreuzen in einer Bewertungsskala von 0 bis 5 jeweils an, welche Aussage derzeit am besten auf ihre Situation zutrifft.

Beispiel-Item des CAT:

Ich bin voller Energie    0 – 1 – 2 – 3 – 4 – 5     Ich habe überhaupt keine Energie

Die Punktwerte für die einzelnen Fragen werden zu einem Gesamtwert (Score) zusammengezählt. Ein hoher Gesamtwert entspricht einer hohen krankheitsbedingten Belastung bzw. einer stark eingeschränkten gesundheitsbezogenen Lebensqualität.

Den CAT-Test finden Sie hier zum online ausfüllen und ausdrucken https://www.atemwegsliga.de/copd-assessment-test.html

SGRQ (= Saint George Respiratory Questionnaire)

Der SGRQ kommt vor allem zur Verlaufskontrolle in der pneumologischen Reha und in der Forschung zum Einsatz. Die deutsche Version ist mit insgesamt 50 Fragen (Items) in drei Subskalen (Krankheitssymptome – Aktivitäten – Belastung) recht umfangreich. Sie kombiniert Richtig-Falsch-Fragen mit Bewertungsfragen.

Die Gesamtwerte (Summen-Scores) der SGRQ-Subskalen bilden ein prozentuales Maß der Beeinträchtigung, das von 0% (unbeeinträchtigt) bis 100% (vollständig beeinträchtigt) reicht.

Beispiel-Item des SGRQ (aus der Subskala Belastungen):

Wenn ich keine Luft kriege, bekomme ich Angst und gerate in Panik

Richtig            Falsch

Deutsche Version des Fragebogens https://docplayer.org/61685610-Sgrq-deutsche-version.html

SRI (= Severe Respiratory Insufficiency Questionnaire)

Der SRI umfasst sieben Subskalen (Atembeschwerden, körperliche Rollenfunktion, Begleitsymptome/Schlaf, soziale Beziehungen, krankheitsbezogene Ängste, psychische Befindlichkeit und soziale Rollenfunktion) mit insgesamt 49 Fragen (Items). Er wurde von einem Team aus Pneumologen und Psychosomatikern speziell für Patienten mit fortgeschrittenen Lungenerkrankungen entwickelt und erfasst deren Gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQoL) sehr zuverlässig und präzise.

Beispiel-Item des SRI (aus der Subscala Soziale Rollenfunktion):

Besuch strengt mich sehr an            

Richtig            Falsch

Weitere Informationen und den deutschen Fragebogen finden Sie hier https://www.pneumologie.de/aktuelles-service/patienteninformation/patienten-fragebogen-zur-befindlichkeit-bei-schwerer-respiratorischer-insuffizienz/?L=0%27A%3D0

Gesundheitsbezogene Lebensqualität und Psychopneumologie

Gerade psychische Störungen beeinträchtigen die Lebensqualität von Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen erheblich. Angstsymptome und depressive Verstimmungen stellen Hindernisse für eine erfolgreiche Therapie dar. Das geschieht auf mehreren Wegen:

  • Psychische Störungen belasten als Begleiterkrankungen den Patienten zusätzlich.
  • Sie verstärken die Symptome der chronischen Lungenerkrankung und verschlechtern den Krankheitsverlauf.
  • Sie wirken sich nachhaltig auf die Therapietreue (= Adhärenz) aus (z. B. auf die Inhalationstherapie, LTOT = Langzeit-Sauerstofftherapie, NIV = nicht-invasive Beatmung).

Die Fragebögen zur Gesundheitsbezogenen Lebensqualität erfassen neben den körperlichen Auswirkungen der chronischen Lungenerkrankung auf Lebensqualität auch die psychischen und sozialen Probleme. Diese Belastungen bleiben in der Praxis häufig unerwähnt, unbeachtet und unbehandelt.

Weil psychische Themen oft als schwierig, peinlich, tabuisiert erlebt werden, liefern die Ergebnisse der Fragebögen zur Lebensqualität einen niedrigschwelligen Einstieg in das gemeinsame Gespräch zwischen Patienten und Behandlern.

Warum sollte die Gesundheitsbezogene Lebensqualität routinemäßig erfasst werden?

Für Patienten mit chronischen Lungenkrankheiten sind vor allem die Auswirkungen ihrer Erkrankung auf das tägliche Leben entscheidend. Wenn sie erleben, dass im Gespräch mit Behandlern ihre Lebensqualität Beachtung findet, so verändert das die Qualität und die Dynamik der Beziehung gleich mehrfach:

  • Patienten fühlen sich umfassender wahrgenommen.
  • Sie werden ermutigt, ihre Beschwerden und ihre Behandlungswünsche individueller mitzuteilen.
  • Patienten verstehen die Auswirkungen von Therapieentscheidungen besser. Sie fühlen sich einbezogen, können Therapieempfehlungen leichter umsetzen und verlässlicher einhalten.

Auch für die Behandler ergeben sich durch die Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität neue Perspektiven:

  • Die Behandler erfahren neben den körperlichen auch die individuellen psychischen, geistigen und sozialen Auswirkungen der chronischen Lungenerkrankung. So erhalten sie Hinweise für weitere Diagnoseschritte und Interventionen.
  • Bei fortgeschrittenen Erkrankungen mit begrenzten Therapiemöglichkeiten zeigt die Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, durch welche Maßnahmen sich das Niveau der Lebensqualität erhalten und in welchen Bereichen es sich möglicherweise gezielt steigert lässt.
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Autorin: Monika Tempel

Ärztin, Autorin, Referentin, Schwerpunkt Psychopneumologie, Regensburg, www.monikatempel.de


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Veröffentlicht in der Ausgabe 25,  Winter 2019 der Fachzeitschrift für Arzt und Patient  „Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge“

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