Artikel aus der Zeitschrift Patienten-Bibliothek / COPD in Deutschland – Winter 2017
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Für Sie im Einsatz
In der Rubrik „Für Sie im Einsatz“ stellen wir Berufe und die dahinterstehenden Menschen vor, denen Sie im Behandlungsumfeld Ihrer Lungenerkrankung möglicherweise begegnen.
Erfahren Sie mehr über das Berufsbild „Atmungstherapeut“ im Gespräch mit Ute Geiseler, Fachkrankenschwester für Anästhesie/ Intensivmedizin und Atmungstherapeutin (DGP) im Klinikum Vest, Marl.
Was ist unter dem Berufsbild „Atmungstherapeut“ zu verstehen?
Ein Atmungstherapeut ist darauf spezialisiert, Menschen mit Atemwegs- und Lungenerkrankungen professionell, unter fachlicher und organisatorischer Verantwortung eines Facharztes, zu versorgen. Voraussetzung für die Zulassung zu dieser Zusatzausbildung ist entweder eine Grundausbildung in der Krankenpflege – ein großer Teil der Teilnehmer verfügt über eine Ausbildung in der Intensivpflege – oder in der Physiotherapie. Beide Berufsgruppen können die Ausbildung zum Atmungstherapeuten berufsbegleitend in vier Modulen über einen Zeitraum von zwei Jahren absolvieren.
Die Aufgaben eines Atmungstherapeuten teilen sich schwerpunktmäßig in sechs Bereiche auf:
- klinische sowie außerklinische Beatmung
- Sauerstofftherapie
- Inhalationstherapie
- Sekretmanagement (insbesondere in Verbindung mit Inhalationen und Abhusttechniken, auch unter Einsatz maschineller Hilfen)
- Umgang mit Thoraxdrainagen (darunter versteht man Ableitungssysteme für Flüssigkeiten und/oder Luft aus dem Brustkorbraum z. B. nach einer chirurgischen Behandlung) und
- Mobilisation des Patienten
Wie hat sich das Berufsbild des Atmungstherapeuten überhaupt entwickelt?
In Deutschland ist der Fortbildungsweg zum Atmungstherapeuten noch relativ neu. Im Jahr 2005 wurde mit den ersten Kursen in München-Gauting begonnen. In anderen Ländern wie USA, Kanada und Spanien ist das Berufsbild bereits seit vielen Jahren etabliert. Als Ende der 90er Jahre die Lungenkliniken in Deutschland eine Spezialisierung im Bereich der Beatmungsentwöhnung (Weaning) entwickelten, wurde ebenso die Notwendigkeit für das entsprechend ausgebildete Fachpersonal erkannt. Dr. Ortrud Karg, damals Chefärztin der Klinik für Intensivmedizin und Langzeitbeatmung in Gauting, initiierte zusammen mit Prof. Dr. R. Bonnet, Bad Berka, das Berufsbild der sogenannten Respiratory Care, also des Atmungstherapeuten, als einen berufsbegleitenden Ausbildungsgang im DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin). Inzwischen sind mehr als 600 Atmungstherapeuten (DGP) ausgebildet.
Seit einigen Jahren bietet auch die Deutsche Gesellschaft für pflegerische Weiterbildung (DGpW) eine berufsbegleitende Ausbildung zum Atmungtherapeuten an – wobei die Schwerpunkte der Ausbildung mehr auf die pflegerischen Komponenten ausgerichtet sind, im Gegensatz zur DGP-Ausbildung, mit stärkerer Berücksichtigung der ärztlichen Assistenz in der Klinik. Zusätzlich hat gerade eine staatliche Ausbildung zum Atmungstherapeuten, wenn auch mit Betonung der pflegerischen Schwerpunkte, im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern begonnen. Auch der DGP wird zukünftig in Mecklenburg-Vorpommern eine staatliche Ausbildung mit dem Schwerpunkt Pflege ermöglichen.
Wo befinden sich in der Hauptsache die Berührungspunkteeines Lungenpatienten und/oder Angehörigen mit einem Atmungstherapeuten?
Die meisten Atmungstherapeuten der DGP sind heute in Kliniken tätig. Daher wird man sie am ehesten während eines stationären Aufenthaltes treffen. Die Atmungstherapeuten der DGpW hingegen sind hauptsächlich in Intensivpflegediensten tätig.
Intensivpflegedienste sind vorwiegend ausgerichtet auf Patienten mit einer invasiven außerklinischen Beatmung (über eine Trachealkanüle der Luftröhre). Eine nicht-invasive Beatmung (über eine Maske), also eine NIV, wird nur dann von einem Intensivpflegedienst betreut, wenn die NIV mehr als 16 Stunden täglich eingesetzt wird und der Patient nicht in der Lage ist, die Maske selber aufzusetzen bzw. abzunehmen. Meistens handelt es sich dabei um Patienten mit einer Querschnittlähmung oder neuromuskulären Erkrankungen.
Alle anderen NIV-Patienten – und dazu gehören vor allem auch COPD-Patienten – sind Selbstversorger. Deren Ersteinstellung sowie Kontrolluntersuchungen erfolgen in aller Regel über ein auf außerklinische Beatmung spezialisiertes Lungenzentrum, meistens durch Atmungstherapeuten. Auch im ambulanten niedergelassenen Bereich wäre eine ergänzende Betreuung zur ärztlichen Versorgung durch Atmungstherapeuten sicher wünschenswert. Ob dies in Zukunft allerdings möglich sein wird, bleibt zunächst abzuwarten.
Wie gestaltet sich der Berufsalltag eines Atmungstherapeuten im klinischen Bereich?
Ist ein operativer Eingriff z. B. eine Teilentnahme der Lunge geplant, so kann ein Atmungstherapeut bereits im Vorfeld hinzugezogen werden, um eine bestehende Inhalations- oder CPAP-Therapie den zukünftigen neuen Gegebenheiten anzupassen, da sich durch den Eingriff die gesamte Atemmechanik verändern wird.
Weit häufiger ist jedoch der Einsatz eines Atmungstherapeuten bei der Einstellung oder Kontrolle einer nicht-invasiven außerklinischen Beatmung (NIV). Atmungstherapeuten haben die Kompetenz, dem Patienten die Therapie zu erklären, diese anzulegen und notwendige Auswertungen vorzunehmen – immer in Abstimmung mit dem behandelnden Arzt. Besteht eine Indikation für die Maskenbeatmung, erfolgt zunächst die Auswahl einer geeigneten Maske und dann die Geräteeinstellung. Die Herangehensweise an die NIV erfährt der Patient dabei sehr behutsam, indem wir uns neben ihn setzen, die Maske zunächst immer wieder vor das Gesicht halten und so einen langsamen Gewöhnungsprozess vornehmen. Ebenso werden die Einstellungsparameter des Gerätes kontrolliert und optimiert.
Atmungstherapeuten sind allerdings nicht nur für die Einstellung einer NIV, sondern auch für den gesamten Verordnungsprozess der Geräte, die Kontrolle der Beatmungstherapie und das Wiedereinbestellungswesen zuständig. Ein ergänzender und für die Patienten wichtiger Bereich ist zudem die Hotline bei dringenden Fragen zur NIV, hier stehen wir telefonisch als Ansprechpartner zur Verfügung.
Kommt ein Patient zur Entwöhnung einer invasiven Beatmung (Weaning) zu uns, so findet der erste Kontakt in der Regel auf der Intensivstation statt, wo wir in das Management der Trachealkanüle und des Sekrets eingebunden sind. Einige Atmungstherapeuten verfügen sogar über die Erlaubnis, selbstständig ein bronchoskopisches Sekretmanagement durchzuführen, die Trachealkanülenlage zu überprüfen und Spontanatmungsversuche im Weaning zu initiieren und zu dokumentieren. Natürlich immer in Absprache mit den behandelnden Ärzten, die zusätzlich zweimal täglich den Patienten visitieren und den Zeitpunkt festlegen, wann ein invasiver Beatmungszugang entfernt werden kann.
Kommt es bei einem Patienten im Weaningprozess zu einer Schluckstörung, so führen wir gemeinsam mit einem Logopäden Schlucktests zur Diagnostik durch.
Welche Rolle nimmt die Kommunikation in Ihrem Aufgabenbereich ein?
Der Arbeitsbereich eines Atemungstherapeuten insgesamt ist sehr intensiv und kommunikativ – insbesondere, wenn ein Patient die NIV zu Hause selbstständig durchführen soll. Ein Teil der Kommunikation besteht darin, dass wir Patienten und Angehörige schulen und somit auf die Situation zu Hause vorbereiten. Das beste Konzept, die beste Therapie kann nicht funktionieren, wenn der Patient diese nicht verstanden hat und möglicherweise die hygienischen und technischen Anforderungen zu Hause nicht umsetzen kann. Somit nimmt der Schulungsbereich des Krankheitsbildes, der Inhalationstherapie und auch der Beatmungstherapie einen großen Teil unserer zur Verfügung stehenden Zeit in Anspruch.
Auch im außerklinischen Tätigkeitsfeld innerhalb eines Pflegedienstes nimmt die Kommunikation einen hohen Stellenwert ein – ich habe selbst einige Zeit in einem Pflegedienst gearbeitet. Hierbei geht es insbesondere um die Kommunikation innerhalb des gesamte den Patienten betreuenden Teams: Pflegeleitung, Hausärzten, Angehörigen, Geräteherstellern und Therapeuten. Hausärzte sind oftmals in der Betreuung schwerst kranker Patienten überfordert, sowohl was die Beatmung selbst als auch die Mobilisation etc. betrifft. Ein reger Kontakt und Austausch, auch darüber, was zu verordnen ist, können für den Arzt eine gute Unterstützung sein.
Ebenso ist die Ausbildung und Weitergabe von Wissen an Teammitglieder des Pflegedienstes, die häufig nur über eine Grundpflegeausbildung verfügen, eine kommunikative Herausforderung.
Was sollten Patienten/Angehörige aus Ihrer Sicht noch wissen und beachten?
Empfehlenswert ist grundsätzlich auf Zertifizierungen sowohl von klinischen als auch außerklinischen Einrichtungen und Pflegediensten zu achten. Eine mögliche Zertifizierung ist die der DIGAB, der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung. Inzwischen bieten auch einige Intensivpflegedienste das Weaning von der Beatmung an.
Diesem Angebot stehe ich aufgrund meiner Erfahrung, meiner Ausbildung und langjährigen Tätigkeit in einem zertifzierten Weaningzentrum einer Klinik sehr kritisch gegenüber, denn diese Aufgabe sollte weiterhin einer stationären Einrichtung vorbehalten bleiben. Selbstverständlich können unter einer entsprechenden Betreuung Spontanatemversuche langsam ausgedehnt werden. Doch eine Trachealkanülen anlage sollte nur mit den vorhandenen diagnostischen Möglichkeiten einer Endoskopie erfolgen, ebenso die Einstellung einer NIV mittels nächtlicher Kontrolle der Beatmung – Anforderungen, die nur stationär geleistet werden können.
Bildnachweis:
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ResMed
Interview/Text:
Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek
Der Beitrag wurde in der Winterausgabe 2017 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.