Einsatz der Bio-Impedanz-Analyse

Gezielte Messung von Ernährungszuständen

Veränderungen des Ernährungszustandes

Der Ernährungszustand gibt Auskunft darüber, wie gut ein Mensch mit Nährstoffen und Energie versorgt ist. Bei den meisten COPD-Patienten kommt es im Verlauf der Erkrankung zu einer Verschlechterung des Ernährungszustandes.

Ein schlechter Ernährungszustand oder eine Mangelernährung wirkt sich negativ auf den Verlauf der COPD-Erkrankung aus. Die Betroffenen sind geringer belastbar, infektanfälliger, benötigen längere Erholungszeiten nach Krankenhausaufenthalten und erleben häufiger Exazerbationen.

Für einen schlechten Ernährungszustand gibt es mehrere Ursachen:

  • Die an COPD erkrankte Lunge kann bis zu 10x mehr Energie als eine gesunde Lunge verbrauchen. Bei einem Lungenemphysem ist der zusätzliche Energieverbrauch besonders hoch. Diesem deutlich erhöhten Kalorienverbrauch muss mit Hilfe gezielter Maßnahmen Rechnung getragen werden.  
  • Gleichzeitig nehmen COPD-Patienten oft zu wenig Kalorien, Eiweiß und Nährstoffe auf, weil sie z. B. an Appetitlosigkeit, Atem- und Schluckbeschwerden beim/nach dem Essen leiden. So entsteht ein deutliches Energiedefizit. Als Folge „verbrennt“ der Körper bestehende Reserven zur (Energie-)Versorgung. Die Patienten bemerken dies als ungewollten Gewichtsverlust.
  • Erschwerend kommt hinzu, dass sich die meisten COPD-Patienten aus Angst vor Atemnot immer weniger bewegen und Sport bzw. Belastung vermeiden. Die Muskulatur, die nicht genutzt und nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt wird, wird reduziert. Auch dies äußert sich in Form eines Gewichtsverlusts.

Oftmals ist erst der ungewollte Gewichtsverlust Anlass, ernährungs- und bewegungstherapeutische Maßnahmen zu ergreifen. Bis dahin ist aber schon wertvolle Muskelmasse, auch Teile der Atemmuskulatur, verloren gegangen und bereits eine große Nährstofflücke entstanden.

Auch übergewichtige COPD-Patienten können bei falscher Ernährung und wenig Bewegung Nährstoffdefizite und zu wenig Muskelmasse aufweisen. Zudem belastet eine erhöhte Fettmasse die Lunge, verstärkt die Dyspnoe (Atemnot aufgrund gestörter Atmung mit vermehrter Atemarbeit) und steigert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die gezielte Gewichtsabnahme entlastet den Körper.

Die regelmäßige und gezielte Kontrolle des Ernährungszustandes ist wichtig, um rechtzeitig eine angepasste, kombinierte Ernährungs- und Trainingstherapie einzuleiten und den Ernährungszustand zu verbessern.

Warum reicht der BMI nicht aus?

Die einfachste und seit Jahren etablierte Methode zur Erfassung des Ernährungszustandes ist die Berechnung des BMI:  

Gewicht (kg)
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Größe (m) x Größe (m)

Ein BMI von 18,5 kg/m2 bedeutet Untergewicht, ab <16 kg/m2 wird eine ausgeprägte Mangelernährung diagnostiziert. Ein zu niedriger BMI ist assoziiert mit einer höheren Sterblichkeitsrate und einem höheren Risiko für weitere Erkrankungen.

Ein hoher BMI (> 30 kg/m2) ist verbunden mit einer höheren Fettmasse, die mit einem größeren Risiko für Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert ist.

Allerdings berücksichtigt der BMI ausschließlich das Gewicht eines Menschen. Die für medizinische Interventionen wichtige Körperzusammensetzung (Fettmasse, Muskelmasse, Körperwasser) wird nicht erfasst. Leicht kann bei alleiniger Betrachtung des BMIs eine Mangelernährung oder ein schlechter Trainingszustand übersehen werden. So kann z. B. auch ein normalgewichtiger Patient eine zu geringe Muskelmasse aufweisen. Ist aber der BMI vor dem Ergreifen ersten Maßnahmen bereits unter den kritischen Marker von 18,5 kg/m2 abgesunken, ist wichtige Zeit für die Ernährungs- und Trainingstherapie verloren gegangen.

Was ist die Bio-Impedanz-Analyse (BIA)?

Die BIA ist eine Methode zur Messung der Körperzusammensetzung. Mithilfe der BIA wird die fettfreie Masse mit dem gesamten Körperwasser und die Muskelmasse mit ihren stoffwechselaktiven Zellen sowie indirekt die Fettmasse bestimmt.

Die Messung erfolgt im Liegen. An den Händen und Füßen des Patienten werden an definierten Messpunkten Elektroden angebracht. Das Messgerät schickt einen nicht spürbaren Strom von 50 kHz durch den Körper, der anhand des Widerstandes der Zellen Aufschluss über die Körperzusammensetzung und den Zustand der Zellen gibt.

Welche Werte werden zur Interpretation herangezogen?

Fettfreie Masse (FFM) In der fettfreien Masse sind alle Bestandteile des Körpers ohne Fett (Organe, Knochen, Bänder, Muskeln und Wasser) enthalten. Die FFM zeigt die Muskelausprägung an und dient deshalb als Indikator für eine Mangelernährung.

Muskelmasse Die Muskelmasse aller Extremitäten (Arme, Beine) und des Torsos wird angezeigt.

Fettmasse (FM) Die Fettmasse beinhaltet den Gesamtfettanteil des Körpers. Viszerales Fett (Bauchfett) wird ebenfalls angezeigt.

Wasser Die BIA misst das Gesamtkörperwasser und unterscheidet zwischen

  • extrazellulärem (außerhalb der Zelle vorliegendem) Wasser und
  • intrazellulärem (innerhalb der Zelle vorliegendem) Wasser.

Durch den erhöhten Nährstoffverbrauch bei COPD kommt es zum Eiweißabbau in der Zelle. Dadurch verschiebt sich das intrazelluläre Wasser aus der Zelle ins extrazelluläre Wasser. Die Zelle ist „vertrocknet“ und in ihrer Funktionsweise eingeschränkt. Viel extrazelluläres Wasser anteilig am Gesamtkörperwasser zeigt eine Mangelernährung oder Ödeme an.

Phasenwinkel Der Phasenwinkel gibt Auskunft über den Zustand der Zellen. Ist er groß, liegt eine gut versorgte Zelle vor. Ist er klein, liegt eine mangelernährte Zelle mit zu wenig Nährstoffen und Wasser vor.

1-©-Thissatan-Fotolia.com_-512x1024 Einsatz der Bio-Impedanz-Analyse

Warum ist der Einsatz der Bio-Impedanz-Analyse bei COPD-Patienten sinnvoll?

Die BIA macht die Körperzusammensetzung sichtbar und wird zur Erfassung des Ernährungszustandes eines COPD–Patienten und zur Begleitung der Therapie eingesetzt.

Die BIA ist ein wichtiges Instrument, um eine Mangelernährung frühzeitig zu diagnostizieren. Eine Mangelernährung äußert sich durch einen schlechten Zustand der Zellen, hervorgerufen durch Eiweißmangel, sowie einen veränderten Wasserhaushalt. Meist geht damit ein Rückgang der Muskulatur her, weil der Körper das fehlende Eiweiß aus den Muskeln nimmt. Davon ist auch die Atemmuskulatur betroffen, was wiederum die Dyspnoe verstärken kann.

Die Darstellung der Muskelmasse zeigt den Trainingszustand eines COPD-Patienten.

Dadurch können rechtzeitig sporttherapeutische Schritte eingeleitet werden, um Muskelverlust vorzubeugen. Außerdem kann gezielt an den Bereichen des Körpers trainiert werden, wo besonders wenig Muskulatur vorliegt. Bei COPD-Patienten ist oft der Rumpf sehr muskelarm. Diese Muskulatur ist für die Atmung besonders wichtig. Mit der BIA kann der Verlauf des Muskelaufbautrainings oder der Atemtherapie verfolgt werden. Der Wasserhaushalt und der Phasenwinkel geben Auskunft darüber, ob genügend Eiweiß während der Trainingsphase aufgenommen wird. Der Patient wird zudem von den sichtbaren Fortschritten motiviert.

Bei übergewichtigen COPD Patienten macht die BIA eine erhöhte Fettmasse sichtbar. Während der gezielten Gewichtsreduktion kann verfolgt werden, wie sich die Körperzusammensetzung ändert, z. B., ob Muskelmasse erhalten und vor allem Fettmasse reduziert wird. Hier ist ein positiver Nebeneffekt die Motivation des Patienten, denn oft zeigt die Waage keine Veränderung an, weil Fettmasse durch Muskelmasse ersetzt wird.

Einsatz der BIA in der Rehabilitation von COPD-Patienten

In der Rehabilitation von COPD-Patienten erfolgt eine kombinierte Ernährungs- und Trainingstherapie. Schon am Ende einer spezialisierten COPD-Reha, bei der der Patient motiviert mitarbeitet, sind i.d.R. positive Veränderungen in der Körperzusammensetzung erkennbar. Die BIA-Auswertung veranschaulicht den Aufbau von Muskelmasse, die Beseitigung von Mangelernährung, Reduktion von Übergewicht und eine bessere Zellgesundheit.

Fallbeispiele
präsentiert und ausgewertet vom Expertenteam der Nordseeklinik Westfalen

Frau A.: 65 Jahre, Normalgewicht, unauffälliger BMI, mangelernährt

 ReferenzbereichMessung 1  Messung 2
Gewicht       44,0 kg      45,7 kg
BMI18,5 – 24,9 kg/m219,6 kg/m220,3 kg/m2
Fettfreie Masse> 15 kg/m214,0 kg/m215,3 kg/m2
Fettmasse3,8 – 8,7 kg/m2 5,5 kg/m2  5,0 kg/m2
Ext./Gesamtwasser< 49,3 %53,1 %52,1 %
Phasenwinkel4,7 – 6,3 °3,8 °4,0 °

1-©-Thissatan-Fotolia.com_-512x1024 Einsatz der Bio-Impedanz-Analyse
Messung 1 (grün = Referenzbereich)
1-©-Thissatan-Fotolia.com_-512x1024 Einsatz der Bio-Impedanz-Analyse
Messung 2

Interpretation Messung 1: Frau A. hat gemäß dem BMI Normalgewicht. Die BIA zeigt jedoch, dass ihre fettfreie Masse unter dem Grenzwert von 15 kg/m2 liegt, was auf eine zu geringe Muskelmasse hinweist. Die Abbildung der Muskelmasse bestätigt das. Ihr Körperfettanteil ist normal. Sie weist ein zu hohes extrazelluläres Wasser im Vergleich zum Gesamtkörperwasser auf. Der Phasenwinkel ist zu niedrig und zeigt eine schlechte Zellgesundheit.

Frau A. ist trotz des Normalgewichts mangelernährt. Sie erhält während des Reha-Aufenthaltes muskelaufbauendes Training und eiweißreiche Kost.

Wäre der Ernährungszustand nur über das Gewicht beurteilt worden, hätte Frau A. erst sehr spät eine entsprechende Therapie erhalten.

Interpretation Messung 2: Nach drei Wochen in der Rehabilitation mit Ernährungs- und Trainingstherapie hat sich der Ernährungszustand der Patientin deutlich verbessert. Sie hat 1,7 kg zugenommen. Die fettfreie Masse ist auf 15,3 kg/m2 angestiegen. Sie hat Muskelmasse, besonders die Atemmuskulatur im Torso (Rumpf), aufgebaut. Ihre Fettmasse hat sich leicht reduziert. Das extrazelluläre Wasser hat sich im Vergleich zum Gesamtkörperwasser reduziert. Dadurch hat sich der Zustand der Zellen erheblich verbessert. Der Anstieg des Phasenwinkels verdeutlicht das.

Herr B.: 56 Jahre, Übergewicht, geringe Muskelmasse, erhöhte Fettmasse

 ReferenzbereichMessung 1  Messung 2
Gewicht          82,0 kg         82,2 kg
BMI18,5 – 24,9 kg/m225,3 kg/m225,4 kg/m2
Fettfreie Masse> 17 kg/m217,8 kg/m218,1 kg/m2
Fettmasse1,2 – 5,6 kg/m2 7,5 kg/m2  7,2 kg/m2
Ext./Gesamtwasser< 43,8 %45,1 %43,4 %
Phasenwinkel4,9 – 7,2 °5,0 °5,9 °
1-©-Thissatan-Fotolia.com_-512x1024 Einsatz der Bio-Impedanz-Analyse
Messung 1 (grün = Referenzbereich)
1-©-Thissatan-Fotolia.com_-512x1024 Einsatz der Bio-Impedanz-Analyse
Messung 2

Interpretation Messung 1: Herr B. hat gemäß dem BMI Übergewicht. Die BIA zeigt, dass die Fettmasse erhöht ist. Die fettfreie Masse liegt am unteren Referenzbereich. Dies erklärt sich durch die zu geringe Muskelmasse, die der Patient aufweist. Das extrazelluläre Wasser ist im Vergleich zum Gesamtkörperwasser zu hoch, seine Zellen weisen zu wenig Eiweiß und Nährstoffe auf. Der Phasenwinkel ist deshalb sehr niedrig.

Herr B. hat eine zu hohe Fettmasse bei einer gleichzeitig zu geringen Muskelmasse. Auch er weist mangelernährte Zellen auf. Während der Rehabilitation erhält er muskelaufbauendes Training und Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Eiweiß.

Interpretation Messung 2: Nach vier Wochen hat sich der Ernährungszustand des Patienten verbessert. Er hat zwar kein Gewicht verloren, aber seine Körperzusammensetzung hat sich positiv verändert. Er hat Muskelmasse, besonders Atemmuskulatur im Torso, aufgebaut. Die fettfreie Masse ist auf 18,1 kg/m2 angestiegen. Die Fettmasse hat sich leicht reduziert. Das extrazelluläre Wasser hat sich im Vergleich zum Gesamtkörperwasser reduziert. Dadurch hat sich der Zustand der Zellen erheblich verbessert. Der Anstieg des Phasenwinkels zeigt das ebenfalls.

Zusammenfassend zeigen diese Beispiele, dass die BIA, als wissenschaftlich evaluierte Maßnahme innerhalb eines COPD-Rehabilitationskonzepts, ein hilfreiches Feedbackinstrument darstellt.

Wichtig für einen erfolgreichen Einsatz sind die fundierte Erfahrung der Ernährungstherapeuten sowie deren Zusammenarbeit und Lösungskompetenz mit dem Ärzte- und Bewegungstherapeutenteam.  


1-©-Thissatan-Fotolia.com_-512x1024 Einsatz der Bio-Impedanz-Analyse

Britta Ziebarth, MSc
Ökotrophologin & Ernährungswissenschaftlerin
Nordseeklinik Westfalen, Wyk auf Föhr
www.Nordseeklinik.online

1-©-Thissatan-Fotolia.com_-512x1024 Einsatz der Bio-Impedanz-Analyse

Roxana J. Jochheim
Direktionsassistentin, Köchin,
Studentin BSc „Ernährungstherapie“
Nordseeklinik Westfalen


1-©-Thissatan-Fotolia.com_-512x1024 Einsatz der Bio-Impedanz-Analyse

Der Beitrag wurde in der Herbstausgabe 2019 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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