Infektionsgefährdung, Hygiene und mehr…

Antworten auf Ihre Fragen bei LTOT und NIV

Patienten mit einer Langzeit-Sauerstofftherapie (LOT bzw. LTOT) und/oder einer nicht-invasiven Maskenbeatmung (NIV) befinden sich in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung. Unsicherheiten und die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Virus begleiten die Betroffenen.

Foto-Geiseler-1-1024x957 Infektionsgefährdung, Hygiene und mehr...

Im Gespräch mit Dr. Jens Geiseler, Chefarzt der Medizinischen Klinik IV für Pneumologie, Beatmungs- und Sauerstoffmedizin, Klinikum Vest in Marl und Vorsitzender der Deutschen Sauerstoff- und BeatmungsLiga LOT e.V. erfahren wir, was Patienten in der aktuellen Situation wissen sollten.

Was sollten LOT- und NIV-Patienten hinsichtlich des Risikos einer Infizierung mit CoVid-19 wissen?

Patienten mit einer fortgeschrittenen chronischen Lungenerkrankung und/oder Erkrankungen der Atempumpe wie z. B. COPD/Lungenemphysem, NME (neuromuskuläre Erkrankung) oder thorakale Restriktionen, die eine Sauerstoff- und/oder nicht-invasive Maskenbeatmung benötigen, gehören zu einer Risikogruppe, deren Verlauf im Falle einer CoVid-19-Infektion mit mehr Komplikationen behaftet ist. Es zeigen sich häufiger schwere Krankheitsverläufe, die Komplikationsrate ist höher und die Prognose schlechter.  

Ob diese Patienten allerdings grundsätzlich anfälliger für eine CoVid-19-Infektion als andere sind, d.h. ob sich bei Einatmung derselben Menge an Viren eine Infektion leichter entwickeln kann, ist bisher wissenschaftlich nicht geklärt.

Das entscheidende Problem ist jedoch nach wie vor das Nicht-Vorhandensein einer gesicherten Therapie und einer Impfung gegen CoVid-19, was sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch in den nächsten Monaten nicht ändern wird.

Damit sind infektionsverhütende Maßnahmen, wie das Tragen eines Mundschutzes, Abstandhalten von mindestens 1,5 Metern, Händehygiene, aber auch regelmäßiges Lüften, für diese Patientengruppen, und natürlich ebenso für alle anderen, die einzige sinnvolle Möglichkeit, um eine unkontrollierte Verbreitung der Viruserkrankung zu verhindern und das eigene Infektionsrisiko zu minimieren. Für Risikopatienten ist es allerdings noch einmal mehr von ganz entscheidender Bedeutung, dass die Maßnahmen konsequent eingehalten werden.

Wie beeinflusst das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes die Atmung?

Eine Arbeit von Professor Schönhofer konnte 1995 bereits zeigen, dass sich beim Tragen einer Mund-Nasen-Maske die notwendige Atemarbeit in etwa verdoppelt. Wird eine Zellulosemaske (Stoffmaske) bei längerem Tragen feucht, erhöht sich der Atemwegswiderstand nochmals, zum Teil um das Dreifache. Das Tragen einer Maske bedeutet eine Erschwernis der Atmung.

Atemwegs- und Lungenpatienten, die das Tragen einer Mund-Nasen-Maske nicht tolerieren, sollten auf soziale Kontakte verzichten und alle weiteren Abstands- und Hygieneregeln ebenfalls sorgfältig einhalten. Von einer Befreiung von der Maskenpflicht mittels Attest ist unbedingt abzuraten.

Gibt es spezielle hygienische Regeln für das Equipment einer LOT oder NIV?

Spezielle Maßnahmen werden nicht empfohlen. Es sollten die üblichen Herstellerempfehlungen zur regelmäßigen Reinigung der Maske und ebenso der Nasenbrille  eingehalten werden. Aufgrund des hohen Bedarfs konnten in den vergangenen Wochen Nasensonden und Schlauchsysteme von den Versorgern oftmals nur reduziert abgegeben werden. Diese Situation hat sich inzwischen normalisiert, sodass das Equipment wieder regelmäßig gewechselt werden kann, beispielsweise Nasensonden einmal wöchentlich.  

Foto-Geiseler-1-1024x957 Infektionsgefährdung, Hygiene und mehr...
NIV-Maske, die zumeist in der Nacht getragen wird

Masken sollten täglich und Schlauchsysteme einmal wöchentlich gereinigt werden. Die Reinigung kann mit einfachen Seifenlösungen erfolgen. Schlauchsysteme sollten anschließend aufgehängt und an der Luft getrocknet werden. Coronaviren, wie auch viele andere Viren, haben eine fetthaltige Hülle, die durch die Seifenlösung zerstört wird, die Infektiosität geht verloren.

Was sollten LOT- und NIV-Patienten mit einer vorliegenden CoVid-19-Infektion bzw. einer entsprechenden Symptomatik wissen?

Schlauchsysteme und Masken, die bei einer NIV zu Hause verwendet werden, sind oftmals sog. Vented-Systeme, d.h. innerhalb der Masken befinden sich Abströmöffnungen, durch die ein Teil der abzuatmenden Luft ausströmt. Aufgrund einer Studienarbeit von Anita Simonds, die 2010 in Großbritannien veröffentlicht wurde, wissen wir, dass diese „undichten“ Systeme ein hohes Risiko bei der Erzeugung von infektiösen Aerosolen mit sich bringen.

Ist ein Patient erkrankt, so hat die nach außen strömende infektiöse Aerosolwolke durch die Abströmöffnungen eine mindestens 2-3 Mal so große Reichweite verglichen mit  der normalen Atmung. Während eine bei normalem Sprechen entstehende Aerosolwolke etwa 60 cm weit reicht, sind es beim Husten ca. 80 cm und bei einer nicht-invasiven Beatmung mit Vented-Masken bis zu zwei Metern. Das Infektionsrisiko für andere Patienten bzw. Mitbewohner, die sich im Zimmer befinden, ist durch Vented- Masken deutlich erhöht.

Meine Empfehlungen für zu Hause lauten daher: Bestand Kontakt mit einer infizierten Person oder liegen Symptome wie z. B. Fieber und eine veränderte Hustensymptomatik vor, sollten Betroffene für den Zeitraum von 14 Tagen in einem eigenen Zimmer untergebracht werden, um die Ansteckungsgefahr für Mitbewohner zu reduzieren.

Ist ein Krankenhausaufenthalt notwendig, sollte das NIV-Gerät unbedingt mitgenommen werden. Im Krankenhaus wird die Vented-Maske dann mit einem ein sog. Non-vented-System, also einem Maskensystem ohne Ausströmungsöffnungen, ausgetauscht. Zusätzlich wird ein Virenfilter zwischen Maske und Ausatemöffnung integriert. Durch diese Maßnahmen kann die nicht-invasive Beatmung auch im Krankenhaus ohne Gefährdung für das Personal durchgeführt werden.

Bei Anwendung einer Langzeit-Sauerstofftherapie entwickeln sich nach aktueller Studienlage keine größeren Aerosolwolken als dies bei normalem Sprechen und Husten der Fall ist, gleiches gilt für die nasale HighFlow-Therapie. 

Was sollten LOT- und NIV-Patienten im Hinblick auf Arztbesuche, Atemphysiotherapie und ggf. notwendige Pflegekräfte beachten?

Solange es Patienten gut geht, sollten die sonst üblichen sozialen Kontakte reduziert werden. Ist man aber auf eine regelmäßige Pflege – und sei es nur eine Haushaltshilfe oder Hilfe bei der Körperpflege – angewiesen, sollte der Einsatz der  Pflegekraft auf jeden Fall beibehalten werden. Voraussetzung ist natürlich, dass die Pflegekraft selbst gesund, d.h. symptomfrei, ist und die entsprechenden hygienischen Maßnahmen und Maskenpflicht beachtet bzw. bei rein hauswirtschaftlichen Tätigkeiten zusätzlich der Mindestabstand eingehalten wird.

Foto-Geiseler-1-1024x957 Infektionsgefährdung, Hygiene und mehr...
Silikonnasensonde bei einer LTOT

Hinsichtlich der Atemphysiotherapie bedarf es einer Risikoabwägung durch den Patienten. Grundsätzlich besteht auch hier ein Infektionsrisiko, das vermieden werden sollte. Werden die physiotherapeutischen Maßnahmen jedoch über eine längere Zeit nicht durchgeführt, kann dies zu einer deutlich schlechteren Mobilität und auch zu einer Verschlechterung des Lösens und Abhustens von Sekret führen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt und Physiotherapeuten.

Routinemäßige Arztbesuche sollten bei stabiler Gesundheit in Absprache mit dem Arzt auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden. Wichtige medizinische Maßnahmen oder akut neue Beschwerden bedürfen jedoch unbedingt einer ärztlichen Abklärung. Hierzu zählen vor allem auch kardiologische und neurologische Beschwerden. 

Ende April wurde ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) veröffentlicht. Was sollten LOT- und NIV-Patienten hierzu wissen?

Zunächst sollten alle chronischen Atemwegs- und Lungenpatienten wissen, dass das Risiko, an CoVid-19 zu erkranken, aktuell aufgrund der fehlenden Immunität für alle Bevölkerungsgruppen hoch ist. Nur die Einführung eines wirksamen Impfstoffes kann dieses Risiko senken.

SARS-CoV-2 kann auch von asymptomatischen Personen übertragen werden. Die Mehrheit der an CoVid-19 erkrankten Patienten hat einen milden bis moderaten Verlauf, und ist im Durchschnitt für einen Zeitraum von 11,5 Tagen nach Infektion symptomatisch. Häufigste Symptome sind Husten, Fieber, Fehlen des Geruchssinnes, Abgeschlagenheit, Muskel- und Gliederschmerzen und bei einigen Patienten auch gastrointestinale, d.h. den Magen-Darm-Trakt betreffende Symptome. Bei einer Minderheit entwickelt sich 7-10 Tage nach Beschwerdebeginn eine schwere CoVid-19-Erkrankung mit rasch zunehmender Luftnot, Lungenentzündung und respiratorischer Insuffizienz (Störung des Gasaustausches in der Lunge mit veränderten Blutgaswerten), die oft eine intensivmedizinische Behandlung und Beatmung notwendig macht.

Wichtig sind zudem zwei weitere Aspekte innerhalb des Positionspapiers: Nicht jeder chronische Atemwegs- und Lungenpatient, der an CoVid-19 erkrankt ist und eine Krankenhausaufnahme erforderlich macht, muss invasiv, d.h. über einen Tubus, beatmet werden. Sollte dennoch eine invasive Beatmung notwendig werden, so ist dies auch bei chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen möglich und geht nicht zwangsläufig mit einer weiteren Lungenschädigung einher.

Im Krankenhaus erfolgt die Behandlung gemäß einem dreistufigen Konzept. Zunächst erfolgt eine Sauerstoffgabe unter erhöhtem Monitoring (Überwachung). Sollte dies nicht ausreichen, erfolgt eine nicht-invasive Beatmung und erst dann, falls erforderlich, eine invasive Beatmung mittels Tubus – sofern der Patient dem zustimmt. 

Was sollten chronische Lungenpatienten im Hinblick auf ein Weaning, d.h. eine Entwöhnung von der invasiven Beatmung, wissen?

Ob eine CoVid-19-Infektion Einfluss auf ein möglicherweise erschwertes Weaning nimmt, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden. Wir wissen jedoch, dass chronische Lungenpatienten oder Patienten mit Erkrankungen der Atempumpe anfälliger für Komplikationen, insbesondere für Infektionen der Atemwege und der Lunge, im Verlauf einer invasiven Beatmung sind.

Grundsätzlich ist somit das Risiko für Komplikationen erhöht und die Wahrscheinlichkeit, eine invasive Beatmung rasch und unproblematisch beenden zu können, geringer. Bei vielen Patienten gelingt der Entwöhnungsprozess, insbesondere wenn dieser in einem dafür spezialisierten Weaning-Zentrum stattfindet. Aber natürlich gelingt es nicht bei jedem Patienten.

Somit wird es Patienten geben, die auch nach ihrem Krankenhausaufenthalt mit einer invasiven Beatmung leben müssen und nicht in ihre gewohnte Umgebung zurückkehren können. Invasiv beatmete Patienten werden zumeist in einer Wohngemeinschaft für Beatmete oder in einem Beatmungspflegeheim versorgt. Eine Versorgung zu Hause ist nach dem neusten Entwurf des Intensivpflege-Rehabilitationsgesetzes zwar möglich, scheitert aber häufig an einem Mangel an Pflegekräften. 

Was sollten chronische Lungenpatienten im Hinblick auf ihre Patientenverfügung zur invasiven Beatmung berücksichtigen?

Zunächst möchte ich einen dringenden Appell an alle sauerstoffpflichtigen Patienten und vor allem an Patienten mit einer nicht-invasiven Beatmung richten, sich grundsätzlich mit dem Thema einer Patientenverfügung auseinandersetzen.

Im Rahmen der Pandemie sollte sich jeder damit befassen, ob bei einer CoVid-19-Erkrankung oder aber auch bei einer Operation eine invasive Beatmung erfolgen soll. Achten Sie dabei auf die differenzierte Formulierung zwischen einer nicht-invasiven Beatmung mit einer Maske und einer invasiven Beatmung über Tubus oder  einen Luftröhrenschnitt. Eine Maskenbeatmung erfolgt im ersten Schritt, erst dann eine Beatmung mittels Tubus, bei Weaning-Versagen dann über Luftröhrenschnitt. Manche Patienten möchten eine Maskenbeatmung erhalten, lehnen eine invasive Beatmung mittels Luftröhrenschnitt jedoch ab.

Foto-Geiseler-1-1024x957 Infektionsgefährdung, Hygiene und mehr...

Befassen Sie sich auch mit den möglichen Auswirkungen einer invasiven Dauerbeatmung, der dann bestehenden Lebensqualität sowie der Selbstbestimmtheit, die sich dramatisch verändert.

Jeder Betroffene sollte, nach einem offenen Gespräch mit Freunden, Verwandten etc. frei entscheiden, welche Lebensperspektive für ihn wichtig ist. Neben einer detailliert formulierten Patientenverfügung ist der Abschluss einer Vorsorgevollmacht ratsam, denn Ärzte sind verpflichtet, sich trotz vorliegender Patientenverfügung davon zu überzeugen, dass die Verfügung dem tatsächlich aktuellen Wollen und den Wünschen des Patienten entspricht.

Weiterführende Informationen zu den benannten Themen:


Bildnachweis:
Dr. Jens Geiseler, Marl
ResMed, Linde Healthcare, K.-U. Häßler – AdobeStock

Interview/Text:
Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek

Foto-Geiseler-1-1024x957 Infektionsgefährdung, Hygiene und mehr...

Der Beitrag wurde in der Sommerausgabe der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

Schreibe einen Kommentar