Guten Tag, Herr Doktor!

Arzttermine

Viele Patientinnen und Patienten haben derzeit Sorge, einen Termin beim Arzt wahrzunehmen. Das Coronavirus wird uns jedoch auf unbestimmbare Zeit weiter begleiten, sodass alle gefordert sind, so gut es geht, eine gewisse Normalität mit dem Virus zu entwickeln.

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Im Gespräch mit Dr. Justus de Zeeuw, Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Brochialheilkunde, Schlafmedizin am MVZ (Medizinischen Versorgungszentrum) in Köln erfahren wir mehr.

Wie gestaltet sich aktuell die Situation in Arztpraxen?

Manche Patienten haben Sorge vor einer Ansteckung, andere hingegen kommen gerade jetzt in die Arztpraxis. Einige Kollegen berichten, dass sie sogar mehr zu tun haben, andere sprechen von weniger Patienten. Im Prinzip gleicht sich die Anzahl der Patienten aus, so erfahre ich es beispielsweise in meiner Praxis mit einem ganz normalen Aufkommen.

Am Anfang der Pandemie wurden reflexartig alle Termine beim Hausarzt, Lungenfacharzt, der Physiotherapie abgesagt. Diese Situation hat sich inzwischen jedoch relativiert, die erwartete Überlastung der Praxen und Kliniken ist nicht eingetreten, notwendige Vorkehrungen und Hygienemaßnahmen wurden getroffen.

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…bitte zunächst telefonischen Kontakt aufnehmen

Daher würde ich zu einer Differenzierung raten. Ist der Gesundheitszustand stabil, der Patient fühlt sich wohl und wendet regelmäßig seine Therapie an, kann der Patient eine Terminverschiebung vornehmen. Allerdings sollte der Termin unbedingt telefonisch abgesagt und ein neuer Termin vereinbart werden.

Bei einem Physiotherapietermin würde ich sehr genau abwägen. Eine verordnete Physiotherapie ist eine therapeutische Maßnahme, vergleichbar mit einer medikamentösen Therapie. Fallen die regelmäßigen Behandlungen weg, steigt das Risiko einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation.

Bedenken Sie, dass wir im Fall einer Coronainfektion bei Risikopatienten von wahrscheinlich etwa einem Prozent mit einem schweren Verlauf ausgehen.  

Wie werden die Maßnahmen zur Infektionsvermeidung in Praxen umgesetzt?      

Die Einhaltung des Abstandsgebotes gelingt in unserer Praxis beispielsweise sehr gut. Immer nur ein Patient hält sich in einem Raum auf, d.h. jeweils ein Patient im Anmeldebereich, einer im Wartezimmer, einer in der Lungenfunktion und einer im Besprechungszimmer. Kommt ein Patient in die Praxis, durchläuft er einen vorgezeigten Weg, ohne mit anderen Patienten in direkten Kontakt zu treten.

Weiterhin tragen selbstverständlich alle einen Mund-Nasen-Schutz, sowohl die Mitarbeiter als auch die Patienten. Im Anmeldebereich wurde zusätzlich der sog. Spuckschutz, eine Plexiglasscheibe, installiert, auf Händeschütteln wird verzichtet und die Desinfektionsmaßnahmen mittels Händewaschen und Händedesinfektion werden akribisch umgesetzt.  

Chronische Lungenpatienten haben häufig eine oder mehrere Begleiterkrankungen, wie z. B. Diabetes, Bluthochdruck, koronare Herzerkrankungen. Auch hier sind regelmäßige Kontrolltermine, aber auch Vorsorgetermine außerhalb der Lungenfacharztpraxis gleichermaßen wichtig. Was sollten Patienten hierzu wissen und berücksichtigen?

Liegt ein gut eingestellter Diabetes vor, wissen wir aufgrund wissenschaftlicher Daten, dass auch das Risiko für einen schweren Verlauf von CoVid-19 gering ist. Ist der Diabetes allerdings schlecht eingestellt (das bedeutet, der Hba1c liegt über 8,5%),  ist auch das Risiko für einen schweren Verlauf hoch. Eine Erkrankung wie Diabetes ist daher eine Art „Stellschraube“, durch die sich das persönliche Risiko verändern lässt.

Hinsichtlich des Herzens kann vereinfacht formuliert werden: Wenn es dem Herzen gut geht, ist auch das Risiko für einen schweren Verlauf geringer. Bei Patienten mit Herzerkrankungen findet sich allerdings das Phänomen, dass Patienten ihre Erkrankung oftmals bagatellisieren. Kardiologen warnen eindringlich davor.  

Viele Fachgesellschaften schlagen bereits Alarm, dass Patienten aufgrund ihrer Sorge vor einer Infizierung und trotz akuter Symptomatik Arztpraxen und Kliniken nicht aufsuchen. Vermehrt werden verschleppte Akuterkrankungen sichtbar, aufgrund dessen sich z. B. irreparable Herzschäden entwickeln.

Chronische Erkrankungen stellen grundsätzlich einen Risikofaktor dar. Doch je besser eine Erkrankung therapiert wird, umso geringer ist auch das Risiko eines schweren Verlaufs durch eine Coronainfizierung. Innezuhalten und nichts zu tun, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich die chronische Erkrankung verschlechtert – völlig unabhängig von CoVid-19.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zeigt auf, dass bereits 25.000 Arztpraxen in Deutschland mit einer Videosprechstunde arbeiten können. Wie sieht es in der Realität aus?

Aufgrund der Pandemie ist zunächst das Interesse an der Möglichkeit, eine  Videosprechstunde umsetzen zu können, sprunghaft angestiegen. Während die Anmeldung bzw. die  Zulassung in der Vergangenheit relativ aufwändig war, hat sich dieses Procedere inzwischen deutlich vereinfacht – sowohl seitens der zertifizierten Anbieter als auch der Kassenärztlichen Vereinigung.

Die Anwendung einer virtuellen Sprechstunde ist allerdings differenziert zu betrachten, denn ein Facharzt benötigt in aller Regel als Grundlage eine diagnostische Befundung. Lungenfachärzte führen beispielsweise zunächst eine Lungenfunktionsmessung durch, Radiologen fertigen ein Röntgenbild, CT oder MRT an und Kardiologen ein Ultraschallbild vom Herzen. Eine Videosprechstunde ist für Fachärzte daher meist nicht aussagekräftig genug. Diagnostische Ergebnisse können jedoch nicht erhoben werden, wenn ein Patient zu Hause vor dem Bildschirm sitzt.

Für einen Hausarzt hingegen, und auch für dessen Patienten, bedeutet die Möglichkeit einer Videosprechstunde durchaus eine große Erleichterung. Nicht immer ist die persönliche Präsenz eines Arztes erforderlich, um die gesundheitliche Situation zu überprüfen. Geht es beispielsweise um das in Augenscheinnehmen eines Wundheilungsprozesses, wie dies bei einem Diabetes der Fall sein kann, so kann durchaus per Video erkannt werden, ob die Wunde gerötet oder angeschwollen ist oder ob es sich um einen normalen Heilungsprozess handelt.

Hausärzte können also abwägen, wann ein Hausbesuch erforderlich ist und in welchen Fällen eine Videosprechstunde sinnvollerweise eingesetzt werden kann und auch Patienten können sich in manchen Fällen einen möglicherweise für sie beschwerlichen Weg in die Praxis ersparen.

Wie kann man sich den Ablauf einer Videosprechstunde vorstellen?

Die Durchführung selbst ist prinzipiell einfach. Der Arzt installiert die entsprechende Software eines zertifizierten Anbieters auf seinem Rechner. Die Patienten benötigen hingegen lediglich einen funktionsfähigen PC und einen Internetanschluss.

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Per E-Mail oder SMS erhält der Patient einen Videotermin. In dieser Nachricht enthalten ist sowohl ein Code als auch ein Link. Wird der Link kurz vor dem vereinbarten Termin angeklickt und nach Aufforderung anschließend der Code eingegeben, befindet sich der Patient im virtuellen Wartezimmer des Arztes. Durch die Aktivierung des Links wird dem Arzt zudem angezeigt, dass der Patient nun anwesend ist. Der Arzt kann anhand einer angezeigten Liste einsehen, welche Patienten sich bereits im virtuellen Wartezimmer befinden. Zum vereinbarten Zeitpunkt wird der Patient angerufen, am Bildschirm des Patienten öffnet sich ein Sichtfenster, sodass Arzt und Patient sich gegenseitig sehen und miteinander sprechen können. Eine elegante und einfach zu handhabende Option eines Arzt-Patienten-Gespräches.


Bildnachweis:
rangizz, upixa – AdobeStock
Dr. Justus de Zeeuw, Köln

Interview/Text:
Sabine Habicht, Redaktionsleitung – Patienten-Bibliothek

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Der Beitrag wurde in der Sommerausgabe 2020 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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