COPD – GOLD-Empfehlungen

Medikamentöse Therapien auf die Situation des Patienten ausgerichtet

Die Abkürzung COPD steht für chronic obstructive pulmonary disease = chronisch verengende Lungenerkrankung. Unter diesem Begriff werden die Erkrankungen chronisch verengende Bronchitis und Lungenemphysem (Lungenüberblähung) zusammengefasst. Die COPD geht mit einer chronischen Entzündung und Zerstörung am Lungengewebe einher.

Erschreckend ist die stetig ansteigende Anzahl von Erkrankungen. Wissenschaftler rechnen damit, dass COPD in wenigen Jahren Platz Nummer drei der häufigsten Todesursachen weltweit einnehmen wird. 8-13 % der erwachsenen Bevölkerung in Europa und Nordamerika leiden an COPD. Weltweit sind ca. 600 Millionen Menschen betroffen. Besorgniserregend auch, dass Jugendliche heute sehr viel früher mit dem Rauchen beginnen – wenngleich Rauchen bei weitem nicht die einzige, so doch die häufigste Ursache einer COPD ist. Bis zu 50 % der älteren Raucher haben eine COPD. Neu ist, dass der Anteil der Frauen in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist.   

Schweregraderfassung
Um die individuelle Erkrankungssituation und somit den Schweregrad des einzelnen Patienten ermitteln zu können, wurde ein Erfassungssystem und darauf abgestimmte Therapieempfehlungen entwickelt.

GOLD = Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease = Weltweite Initiative für chronisch obstruktive Lungenerkrankungen. Die Initiative wurde 1997 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und vom National Institute of Health (NIH) ins Leben gerufen, um ein optimiertes Vorgehen in der Diagnose, Behandlung und Vermeidung der weitgehend unbekannten Volkskrankheit COPD durchzusetzen.
www.goldcopd.org

Im Jahr 2019 wurde das Erfassungssystem nach GOLD weiter optimiert. Es gliedert sich in die Stadien 1-4 der Atemwegsverengung, in Anlehnung an die vorliegende Lungenfunktion (FEV1-Werte)  sowie das Schema A-D gemäß vorhandener Symptomatik und Historie der akuten Verschlechterungen bzw. Erkrankungsschübe (Exazerbationen).


Schweregrad-COPD-GOLD-1024x536 COPD - GOLD-Empfehlungen

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Im Gespräch mit Professor Dr. Claus Franz Vogelmeier, Leiter der Klinik für Innere Medizin,  Schwerpunkt Pneumologie des Universitätsklinikums Marburg und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Komittes der GOLD-Initiative erfahren wir mehr über die Neuerungen der GOLD-Empfehlungen.

Was hat sich an den GOLD-Empfehlungen geändert?

Zunächst sei gesagt, dass sich die grundsätzliche Einteilung in die vier Schweregrade 1-4 und das Schema A-D nicht verändert hat. Für die Auswahl der medikamentösen Therapie liefern nach wie vor die beiden Parameter des vorliegenden Beschwerdebildes und die Exazerbationshistorie (d.h. die Kriterien des Schemas A-D) die entscheidenden Anhaltspunkte.

Optimiert bzw. verfeinert wurden die Empfehlungen des daraus folgenden Behandlungsschemas (Algorithmus). Drei Aspekte sind zu benennen:

Trennung der initialen Therapieempfehlung von der Empfehlung der Reevaluation

Die Therapieempfehlungen bei Ersteinstellung einer COPD bleiben unverändert und basieren auf den beiden Parametern des vorliegenden Beschwerdebildes und der Exazerbationshistorie – d.h. gemäß der im Schema A, B, C und D abgebildeten Kriterien.

Bei Reevaluation (Wiedervorstellung) des Patienten und Erfassung der dann aktuellen Situation, gilt es jedoch zu unterscheiden, ob primär insbesondere symptomatische Beschwerden oder primär Exazerbationen (akute Verschlechterungen) vorliegen. Für jede dieser beiden Kategorien empfiehlt GOLD im Weiteren spezifische Therapiekonzepte.

Dieses Verfahren zielt darauf ab, den Algorithmus, d.h. die Abfolge des Therapieregimes zu verfeinern und basierend auf den aktuell dominierenden klinischen Problemen anzupassen.

Messung der *Eosinophilen im Blut

Die GOLD-Empfehlung zur Messung der eosinophilen Granulozyten im peripheren Blut bei COPD hat zum Ziel, eine Aussage treffen zu können, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Patient auf inhalierbare Steroide (Kortison) anspricht. Je größer die Eosinophilenzahl im Blut, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Patient von einer Steroidtherapie profitiert.

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Eosinophile im Blut

Patienten mit bis zu 100 mmHg profitieren kaum von Steroiden. Patienten mit mehr als 300 mmHg profitieren relativ wahrscheinlich vom Einsatz inhalativer Steroide.

*Eosinophile Granulozyten – kurz Eosinophile oder Eos – gehören zu den Leukozyten (gehören zu den weißen Blutkörperchen und werden im Knochenmark gebildet). Sie machen etwa 1-5 % der Leukozyten im Differentialblutbild aus und sind an der zellulären Immunabwehr beteiligt. Ihren Namen beziehen sie vom Farbstoff Eosin, mit dem sie angefärbt werden können.

Eosinophile Entzündungen der Atemwege sind ein häufiges Merkmal bestimmter Asthma- und COPD-Phänotypen (Erscheinungsbilder) und stehen sowohl bei Asthma als auch bei COPD im Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für akute Verschlechterungen. 

Nach möglichen Ursachen symptomatischer Veränderungen fahnden

Die Ursache einer symptomatischen Veränderung oder Verschlechterung kann vielfältig sein. Bereits der fehlerhafte Einsatz eines Inhalationsgerätes (Device) kann zur Unwirksamkeit der medikamentösen Therapie führen. Ebenso können möglicherweise noch nicht erkannte Begleiterkrankungen die Erkrankungssituation verändern.

COPD ist eine äußerst komplexe Erkrankung. Nicht-medikamentöse Maßnahmen, die zu einer Optimierung des Lebensstils führen können, wie beispielsweise Atemphysiotherapie, Lungensport, Rehabilitation, Patientenschulung, Rauchstopp, führen im Zusammenspiel mit medikamentösen Maßnahmen zur Reduzierung der Symptomatik.

Werden die Ziele der medikamentösen Therapie nicht erreicht bzw. verändert sich die Symptomatik, formulieren die GOLD-Empfehlungen, zunächst auf allen Ebenen nach möglichen Ursachen zu fahnden – insbesondere auch im Hinblick auf die nicht-medikamentösen Maßnahmen – bevor eine Veränderung der medikamentösen Therapie erwogen wird.

Für die Messung von Eosinophile existieren verschiedene diagnostische Verfahren. Das Verfahren der FeNO-Messung der Ausatemluft steht oftmals in Praxen zur Verfügung. Wie sollte die Messung erfolgen?

Für die der Erfassung der Eosinophilen können verschiedene Möglichkeiten angewendet werden. Die Erfassung über die Blutwerte gestaltet sich am einfachsten. Eine Ermittlung des Wertes über das Sputum ist ebenfalls möglich, kann jedoch nicht in einer niedergelassenen Praxis realisiert werden. 

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Für die Anwendung einer FeNO-Messung bei COPD liegen derzeit zu wenige wissenschaftliche Daten vor. Vom Grundsatz her könnte das Verfahren eine Möglichkeit zur Erfassung darstellen, wissenschaftlich haben wir dafür jedoch noch keinen Nachweis – zumal die Problematik besteht, dass die Messwerte verfälscht werden, sollte der Patient noch aktiver Raucher sein. 

Die Unterscheidung zwischen symptomatischer Veränderung und akuter Verschlechterung steht bei einer der GOLD-Empfehlungen im Fokus. Hinsichtlich der Eigenbeobachtung und deren Mitteilung an den behandelnden Arzt ist daher auch der Patient gefordert. Was sollten Patienten im Hinblick auf die Eigenbeobachtung wissen und beachten?

Bekommt der Patient schwerer Luft, ist klar, dass sich die Symptomatik verändert hat. Deutlich schwieriger hingegen ist die Beantwortung der Frage: Hatte der Patient eine krisenhafte Verschlechterung, also eine Exazerbation?  

Wurde aufgrund der Verschlechterung ein Krankenhausaufenthalt notwendig, handelt es sich eindeutig um eine akute Verschlechterung. War der Patient jedoch nicht im Krankenhaus, gestaltet sich die Abgrenzung deutlich schwieriger. Empfehlenswert ist festzustellen, ob die Einleitung von Therapiemaßnahmen notwendig war und welche Medikamente (z. B. Antibiotika oder Kortison) verabreicht wurden.

Eine Dokumentation, wann Bedarfsmedikamente über das normale Maß hinaus eingesetzt und insbesondere Notfallmedikamente, wie Kortison oder Antibiotika, notwendig wurden, ist für den behandelnden Lungenfacharzt hilfreich.

Warum betreffen die Verfeinerungen der Therapieempfehlungen vor allem die Gruppen B und D?

In der Gruppe D befinden sich die Patienten, die viele Symptome und ebenso Exazerbationen aufweisen. Auch bei bereits eingeleiteter Therapie treten bei diesen Patienten oftmals weitere akute Verschlechterungen auf. Patienten der Gruppe D sind am schwierigsten zu behandeln, wenngleich inzwischen eine Vielzahl von medikamentösen Optionen zur Verfügung steht und Therapieschemen empfohlen werden – auch im Hinblick auf den Einsatz von Kortison.

In der Gruppe B befinden sich Patienten, die zwar symptomatisch sind, aber ohne akute Verschlechterung. Die medikamentösen Therapieoptionen für diese Patientengruppe sind deutlich reduzierter. Derzeit werden inhalative Bronchodilatatoren (bronchienerweiternde Substanzen), entweder in Einzeltherapie mit einer Substanz oder einer Kombinationstherapie bestehend aus zwei Substanzen, empfohlen.     

Bei diesen Patienten spielt insbesondere die zusätzliche Anwendung nicht-medikamentöser Therapiemaßnahmen eine wichtige, die Symptome beeinflussende, Rolle sowie die richtige Auswahl und Anwendung des Inhalators.

Eosinophile und der Einsatz von Antikörpern sind bei Vorliegen eines Asthmas bronchiale seit geraumer Zeit im Gespräch. Wird der Einsatz von Antikörpern in Zukunft auch bei COPD eine Therapieoption sein?

Zwei Studienergebnisse wurden hierzu inzwischen veröffentlicht. Eine Studie mit der Substanz Mepolizumab und eine andere mit Benralizumab, hierbei handelt es sich um neu zugelassene sog. Biologika. Bisher konnten keine eindeutig positiven Effekte nachgewiesen werden. Allerdings muss man sagen, dass die einbezogenen Patientenkollektive relativ breit angelegt waren und nicht fokussiert auf Patienten, die deutlich eosinophil waren und viele Exazerbationen aufwiesen. Ich denke, zukünftige Studien werden entsprechend daraufhin ausgerichtet werden. Dupilumab, ein weiteres neu auf den Markt kommendes Biologikum, wird ebenfalls hinsichtlich des Einsatzes bei COPD getestet werden.

Als optimistische Vorhersage würde ich formulieren, dass zukünftig möglicherweise eine Subgruppe von Patienten definiert werden kann, die von einer Therapie mit Antikörpern profitiert.

Abschließend zusammenfassend die Fragestellung, welche Ziele sollen mit den neuen GOLD-Empfehlungen vor allem erreicht werden?

Mit den auf die aktuelle Situation des Patienten zugeschnittenen Empfehlungen möchten wir dazu beitragen, insbesondere zwei Ziele zu erreichen:

Die aktuelle Situation des Patienten verbessern; die Symptome reduzieren und das zukünftige Risiko beeinflussen, d.h. das Auftreten von Exazerbationen minimieren. 


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Interview/Text:
Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek


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Dieser Beitrag wurde in der Winterausgabe 2019 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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