Lungentransplantation

…was Lungenpatienten wissen sollten

Prof-Dr-Jürgen-Behr Lungentransplantation

Für viele Patienten mit endgradig fortgeschrittenen Lungenerkrankungen bedeutet eine Transplantation eine Überlebenschance. Doch die verfügbaren Spenderlungen reichen nicht aus. Ein neues Gesetz zur Änderung des aktuellen Transplantationsgesetzes soll diese Situation verbessern. Professor Dr. Jürgen Behr, Direktor der Klinik und Poliklinik V der Ludwig-Maximilians-Universität München und Chefarzt der Klinik für Pneumologie sowie Ärztlicher Direktor der Asklepios Fachkliniken München-Gauting, erläutert im Gespräch mit Elke Klug, was betroffene Patienten über eine Lungentransplantation wissen sollten.

Welche Erkrankungen können eine Lungentransplantation erforderlich machen?

Die Erkrankungen sind sehr vielfältig. Bei Jugendlichen und Kindern ist es vor allem die Mukoviszidose (eine angeborene Stoffwechselerkrankung), die zu einer Transplantation führt. Bei Erwachsenen stehen momentan die Lungenfibrosen (Lungengerüsterkrankungen) unterschiedlicher Ursache im Vordergrund.

An dritter Stelle folgt die COPD und damit verbunden der Antitrypsin-Mangel, eine erbliche Erkrankung, die zu einer frühen Manifestation eines Lungenemphysems führt. Diese Patienten tauchen oft in der Gruppe der COPD-Patienten mit auf, weil das Fortschreiten dieser Erkrankung zusätzlich durch das Zigarettenrauchen befördert wird, obwohl ein starker genetische Aspekt vorhanden ist. COPD-Patienten ohne diesen genetischen Defekt sind aber ebenso gefährdet, ein Lungenemphysem zu entwickeln, nur nicht so früh und aus anderen Gründen: Sie rauchen oder sind z. B. im Beruf Schadstoffen ausgesetzt, die eine schwere COPD auslösen können.

Weiterhin können Patienten mit Lungenhochdruckerkrankungen, die sich ebenfalls im fortgeschrittenen Stadium befinden, nach Ausreizung aller medikamentöser Therapien, einer Transplantation zugeführt werden.

Wie profitieren die Patienten?

Etwa 60 % der Patienten überleben die Transplantation mindestens fünf Jahre. Das ist zwar schlechter als bei anderen Organen, wie z. B. Herz, Leber oder Nieren, liegt aber in der Natur der Sache, da die Lunge in ständigem Kontakt zur Außenwelt und im Austausch steht. Eingeatmete Infektionserreger und andere Schadstoffeinflüsse können möglicherweise zu Problemen führen.

Wann kann ein Patient zur Transplantation gelistet werden?

Eine Listung ist möglich, wenn aufgrund der Schwere der Erkrankung eine begrenzte Lebenserwartung besteht − im Mittel bedeutet dies zwei bis drei Jahre – und die Wahrscheinlichkeit bei mindestens 50 % liegt, dass der Patient in dieser Zeit verstirbt. Statistisch betrachtet kann der Patient von einer Transplantation dann einen mehr oder weniger deutlichen Überlebensvorteil erwarten.

Hätte ein Patient mit seiner eigenen Lunge, wenn auch vielleicht mit geringerer Belastbarkeit und etwas eingeschränkter Lebensqualität, hingegen noch eine Lebenserwartung von 10 Jahren, würde er nicht gelistet werden. Denn dadurch würden ihm bei einer Transplantation, wiederum statistisch gesehen, vier bis fünf potenzielle Jahre an Lebenszeit vorenthalten.

Bei COPD weiß man, dass ein Teil der Patienten eine sehr schlechte Lebensqualität aufweist, dennoch überleben die Patienten sehr lange. Das bedeutet, dass COPD-Patienten innerhalb der sog. Lungenallokation (Zuordnung von Organen) häufig weniger schwer bewertet werden, als z. B. Fibrosepatienten mit einer zu erwartenden kürzeren Lebenszeit.

Da die Anzahl der Fibrosepatienten steigt, hat diese Tatsache dazu geführt, dass die Zahl der Transplantationen bei COPD-Patienten rückläufig ist. Die Wartelistensterblichkeit der Fibrosepatienten hat sich verbessert, die der COPD-Patienten ist hingegen konstant geblieben, sie liegt derzeit bei 10 bis 15 %.

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Was sollten insbesondere COPD/Lungenemphysem-Patienten bzgl. einer Transplantation wissen?

Zunächst ist wichtig zu wissen, dass die Möglichkeit einer Transplantation besteht. Manche COPD-Patienten haben das Gefühl − was ihnen leider auch allzu oft vermittelt wird − dass sie ja eigentlich selbst schuld an ihrer Erkrankung sind und somit eine Transplantation überhaupt nicht in Erwägung ziehen. 

Außerdem sollten Patienten wissen, dass für eine Transplantation bestimmte Kriterien gelten, die zu erfüllen sind. Eine gesetzliche Vorgabe ist beispielsweise ein über mindestens sechs Monate bestehender Rauchstopp − je länger nicht mehr aktiv geraucht wird desto besser. Und auch andere Suchtverhalten wie z. B. Tabletten-, Alkohol- bzw. eine nicht kurierte Sucht sind Kontraindikationen einer Transplantation.

Auch wer nicht in der Lage ist, sich an notwendige Therapievorgaben zu halten, ist kein Kandidat für eine Transplantation. Ein Organempfänger muss intellektuell in der Lage sein, an der gesamten Therapie aktiv mitzuarbeiten. Regelmäßige Nachbetreuungen und Medikamenteneinnahmen, die zum langfristigen Erfolg einer Transplantation gehören, müssen zwingend eingehalten werden.

Alle Patienten werden daher auf ihre Verlässlichkeit, ihre Compliance (Therapietreue) und ihr Suchtverhalten hin psychiatrisch untersucht, bevor sie gelistet werden.

Nach einer Lungentransplantation können immer wieder einmal medizinische Probleme auftreten, bei denen der Patient viel Unterstützung benötigt. Ist er dann ganz auf sich allein gestellt ist, wird die Situation schwierig. Daher ist ein geeignetes soziales Umfeld notwendig. Es muss sichergestellt sein, dass das Organ weiterhin „gepflegt“ wird.

Des Weiteren gibt es einige absolute Kontraindikationen einer Transplantation, wie z. B. Krebserkrankungen und nicht ausgeheilte Infektionen, wie beispielsweise eine Tuberkulose.

Wenn auch selten, so kommt es leider doch vor, dass Patienten eine Abstoßung erleben müssen oder plötzlich ein anderes medizinisches Problem auftritt.

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Werden die Patienten auf dem Weg zu einem Transplantationslistenplatz unterstützt?

Ja, selbstverständlich. Viele Patienten, die sich mit der Frage: „Bin ich ein Transplantationskandidat?“ befassen, werden in unserer Klinik ambulant vorstellig. Während wir uns ein Bild des Patienten machen, werden gleichzeitig eventuell vorliegende Kontraindikationen überprüft.

Neben den bereits benannten Kontraindikationen, ist auch ein massives Über- oder Untergewicht ein Grund, nicht für eine Transplantation geeignet zu sein. Allerdings wird jedem Patienten angeboten, mögliche Hinderungsgründe im Rahmen des medizinisch Machbaren zu beheben − um so den Weg für eine Transplantation zu ebnen. Hierzu können beispielweise eine Sucht- und Ernährungsberatung oder ggf. Operationen gehören.

Eine stationäre Rehabilitation ermöglicht, neben vielen integrierten weiteren Maßnahmen, eine umfassende Information und Schulung zur Vorbereitung auf eine Transplantation sowie den äußerst wertvollen Erfahrungsaustausch der Patienten untereinander – auch mit bereits transplantierten Patienten.

Dennoch stehen wir manchmal vor der Situation, in der einer Patientin/einem Patienten mitgeteilt werden muss: „Wir können eine Transplantation nicht verantworten“. Eine Entscheidung, die für den betroffenen Patienten oder die Familie oft sehr bitter und schwer zu akzeptieren ist.

Doch es gilt zu verstehen, dass wir letztendlich auch eine moralische Verantwortung tragen: zum einen gegenüber dem Spender, dass sein Organ mit Bedacht weitergegeben wird, und zum anderen gegenüber den Wartenden, indem wir dafür Sorge tragen, dass das Organ einem Patienten zugute kommt, der einen möglichst optimalen Nutzen davon hat und in der Lage ist, sorgfältig und verantwortlich mit dieser Situation umzugehen.

Gleichermaßen tragen wir eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, zumal eine Transplantation enorm kostenintensiv ist. Wir dürfen nicht sehenden Auges transplantieren, obwohl bereits im Vorfeld klar ist, dass die Transplantation keinen Erfolg haben wird.

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Wie sollte ein Patient vorgehen, wenn er sich beraten und ggf. listen lassen möchte?

Die beste Möglichkeit ist, seine betreuende Fachärztin/seinen betreuenden Facharzt ins Vertrauen zu ziehen. Der Lungenfacharzt/die Fachärztin ist in der Regel gut informiert, sodass er eine erste Wegweisung geben kann.

Im nächsten Schritt sollte der Patient das Lungentransplantationszentrum kennenlernen, von dem er sich vorstellen kann, dort behandelt zu werden. Hier in München haben wir z. B. eine Ambulanz für Patienten zur Erstvorstellung. Ein erfahrener Kollege ist in dieser Ambulanz tätig, der die Patienten nach den oben genannten Kriterien begutachtet.

Zunächst wird überprüft, ob eine Transplantation erforderlich ist oder doch noch eine andere Therapie in Erwägung gezogen werden kann. Ist eine Transplantation angezeigt, werden alle vorbereitenden Maßnahmen besprochen.

Was erwartet den Patienten nach der Transplantation?

Eine Transplantation ist weder ein „Jungbrunnen“ noch eine Heilung. Im Gegenteil, es handelt sich um eine äußerst komplexe Therapie, an der der Patient „mit vollem Einsatz“ beteiligt sein muss, um maximal von dem neuen Organ zu profitieren.

Inzwischen haben wir Lungenpatienten, die bereits vor 20 Jahren transplantiert wurden und noch immer gut mit derselben Lunge leben. Solche Langzeiterfolge verbuchen aber vor allem jene Patienten, die alle Regeln konsequent einhalten – wobei natürlich immer auch ein Quäntchen Glück dazu gehört.

Einige Einschnitte nach der Transplantation betreffen die ganz alltägliche Lebensführung. Hier ist zunächst die Medikamenteneinnahme zu benennen, denn es handelt sich dabei um eine wirklich große Anzahl von Medikamenten, die vor allem am Anfang aufgrund der umfangreichen Infektionsprophylaxe notwendig ist und unbedingt konsequent, trotz zu tolerierender Nebenwirkungen, eingenommen werden muss.

Begonnen wird die Therapie mit einer recht aggressiven Immunsuppression. Je länger wir jedoch sehen, dass die Situation des Patienten stabil ist, kann die Therapie langsam auf das minimal Nötige reduziert werden. So, dass eine Organabstoßung verhindert wird und dennoch das Immunsystem in der Lage ist, mögliche Infektionserreger zu bekämpfen.

Hat der Patient das erste Jahr gut überstanden, kann er mehr und mehr ein normales Leben führen. Nichtsdestotrotz muss er ständig auf sein Verhalten achten und eigenständig in der Lage sein, Infektionsrisiken zu erkennen und zu vermeiden. Nehmen wir als Beispiel die Grippesaison, so ist es während dieser Zeit nicht ratsam, ein Theater oder ein Kino zu besuchen.

Das Tragen eines Mundschutzes ist insbesondere am Anfang von Bedeutung und den Handschlag zur Begrüßung haben wir in unserem Krankenhaus schon lange abgeschafft. Es sind die vielen kleinen Dinge, auf die jeder Lungentransplantierte stetig zu achten hat.

Hinzu kommen Fragen zur Ernährung und der Umgebung im täglichen Leben. Alles, was potenziell mit Schimmelpilzsporen und Krankheitserregern behaftet ist, gilt es zu meiden.

Eines müssen die Patienten vor allem verinnerlichen: Ihre Lebensführung nach der Transplantation ist eine andere als vor der Transplantation.

Worin bestehen die aktuellen Änderungen des Transplantationsgesetzes und wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten, dass damit mehr Spenderorgane zur Verfügung stehen?

Aus meiner Sicht ist das noch in Diskussion befindliche Transplantationsgesetz ein richtiger Schritt mit guten Ansätzen. Um die Versorgung schwerstkranker Lungenpatienten deutlich zu verbessern, wäre jedoch eine Änderung der zurzeit für die Organspende vorgeschriebenen aktiven Zustimmungslösung in eine Widerspruchslösung wünschenswert – so wie es in einigen anderen europäischen Ländern längst realisiert ist.

Ich bin davon überzeugt, dass sich die Menschen in Deutschland durch eine Gesetzesänderung in einem höheren Maße als bisher mit den Fragen der Organspende auseinandersetzen würden und die Spenderraten in dessen Folge ansteigen.

Allerdings zeigt die bereits wieder aufkeimende, sehr kritische Diskussion, dass an der politischen Durchsetzbarkeit der Widerspruchslösung Zweifel angebracht sind.

Umso wichtiger erscheint es mir, dass in dem am 1. April 2019 in Kraft getretenen 2. Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende wichtige andere Ansatzpunkte adressiert werden, wie z. B. die Stärkung der Transplantationsbeauftragten an den Kliniken und die finanzielle Aufwertung der Organspende, sprich der Explantation (Organentnahme). Diese beiden Maßnahmen sind aus meiner Sicht wichtige Elemente, damit sich die bekanntermaßen hohe Spendebereitschaft der Bevölkerung in tatsächliche Organspendezahlen umsetzen lässt.


… mehr Wissen

www.eurotransplant.org

Die Stiftung Eurotransplant ist als Service-Organisation verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern und arbeitet hierzu eng mit den Organspende-Organisationen, Transplantationszentren, Laboratorien und Krankenhäusern zusammen.

Unter „Patients“ finden Sie alle Angaben in deutscher Sprache und zur Situation in Deutschland

www.organspende-info.de

Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

www.organspende-widerspruch.de

Informationen des Bündnisses gegen den Gesetzentwurf der Widerspruchslösung.

www.dso.de

Deutsche Stiftung Organtransplantation, Koordinierung der Organspende in Deutschland

Vielfältige Hintergrundinformationen, Qualitätsberichte von Transplantationszentren etc.


Bildnachweis:
Deutsche Stiftung Organtransplantation
Professor Dr. Jürgen Behr

Text/Interview:
Elke Klug, Medizinjournalistin, Berlin


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Der Beitrag wurde in der Sommerausgabe 2019 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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