Dem Leben einen eigenen Sinn geben

Artikel aus der Zeitschrift Patienten-Bibliothek / COPD in Deutschland – Winter 2017
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Ein Blog für Lungenhochdruck

Pulmonale Hypertonie Lungenhochdruck – Was ist das? „Pulmonale Hypertonie (PH) ist nach wie vor zu wenig in der Öffentlichkeit bekannt, auch bei Ärzten und medizinischem Fachpersonal – dabei kann die Erkrankung jeden treffen“, weiß Carolin Thurmann aus dem baden-württembergischen Limbach aus eigener Erfahrung. Sie selbst ist erst 26 Jahre alt und hat einen dramatischen Weg bis zur eindeutigen Diagnose hinter sich. „Immer wieder wird der Lungenhochdruck fälschlicherweise mit einem Bluthochdruck, der arteriellen Hypertonie verwechselt.“

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Während der Grippewelle im Februar 2015 wurde auch Carolin Thurmann krank. Trotzdem versuchte sie ihre Aufgaben im Einzelhandel zu erfüllen und arbeitete weiter. Als sich keine Besserung einstellte, schickte ihr Vorgesetzter sie zum Auskurieren nach Hause und zum Arzt. Die Medikamente wirkten schnell und sie nahm ihre Arbeit wieder auf. Plötzlich traten starke Wassereinlagerungen in den Beinen auf, die Untersuchungen an Herz, Lunge und das Blutbild ergaben jedoch keinen Befund. Allerdings wurde eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt. Schilddrüsenhormone sowie vorübergehend Entwässerungstabletten wurden verordnet. Die Wassereinlagerungen blieben, zusätzlich löste die Schilddrüsenmedikation Migräneanfälle aus. Neue Symptome wie blaue Lippen, Atemnot und Husten kamen hinzu.

Selbstzweifel machten sich bei Carolin Thurmann breit: Sollte es an ihrem Übergewicht, Bewegungsmangel oder einer verschleppten Bronchitis liegen? Sie beschloss es mit Abnehmen und mehr Bewegung zu versuchen. Doch noch mehr Symptome wie Übelkeit und Erbrechen waren die Folge.
Und all das kurz vor ihrer Hochzeit! Die kirchliche Trauung führte das junge Ehepaar dennoch wie geplant durch. Danach vereinbarte Carolin Thurmann einen Termin bei einem weiteren Arzt, um eine Zweitmeinung einzuholen.

In der Nacht vor dem Arzttermin, im Juni 2015, wachte sie mit Schmerzen in den Beinen und akuter Luftnot auf. Der erste Gedanke, ein schlechter Traum, war jedoch nicht die Ursache. Stephan Thurmann fuhr seine Frau zum ärztlichen Notdienst. Der diensthabende Notarzt beruhigte sie mit den Worten: „Machen Sie ein bisschen Sport, dann wird das schon wieder.“ Aufgrund der anhaltenden Symptomatik wurde dennoch die Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses hinzugezogen.

Die festgestellte Sauerstoffsättigung von 62 % des Normwertes war alarmierend. Trotz Gabe von Sauerstoff stieg der Wert nicht wieder an. Eine Schädigung des Herzens wurde erkannt, aber keine eindeutige Ursache. Carolin Thurman wurde noch in der gleichen Nacht in die Lungenklinik Löwenstein verlegt, die Situation war ernst. In der Lungenklinik konnte die Diagnose pulmonale Hypertonie bereits nach 30 Minuten gestellt und eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden, die rasch ihre Wirkung zeigte. Carolin Thurmanns Behandlung beinhaltet heute eine Kombinationstherapie plus Langzeit-Sauerstofftherapie.

An dieser Stelle ist es Carolin Thurmann besonders wichtig zu betonen, dass sie trotz des schwierigen Weges bis zur Diagnose sehr wohl weiß, welch ausgezeichnetes Gesundheitssystem wir in Deutschland haben. „Immer wieder hat mir das der Austausch mit Betroffenen aus anderen Ländern gezeigt. Ich bin wirklich froh, in Deutschland erkrankt zu sein. Auch wenn man immer mal wieder einen Formularkrieg für verschiedene Leistungen führen oder einfach hartnäckig sein muss.“

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Von der Überholspur auf den Standstreifen?
Mit der Diagnose wird das Leben richtiggehend ausgebremst. Vieles von dem, was man sich für sein Leben, für die Zukunft vorgestellt hatte, ist nicht mehr realisierbar. „Den Kinderwunsch loszulassen, war besonders schwer und schmerzt bis heute“, erzählt Carolin Thurmann. „Auch für eine Rückkehr in die Berufstätigkeit habe ich über anderthalb Jahre gekämpft, bis ich schließlich begriffen habe, dass ich damit meiner Gesundheit eher schade – somit bin ich heute berentet.“

Im Jahr 2016 hat Carolin Thurmann angefangen einen Blog im Internet zu schreiben. „Ich habe dabei all die vielen Fragen, auf die ich keine Antworten erhalten habe, alles was mich bedrückte, richtiggehend von der Seele geschrieben. Das hat mir geholfen, zunächst den Druck loszuwerden, auch wenn ich nicht unmittelbar Antworten und Lösungen gefunden habe. Inzwischen folgen meinem Blog etwa 1.200 Abonnenten – alles Betroffene einer pulmonalen Hypertonie. Ich erfahre durch den Austausch, dass ich mit meinem Blog genau das zum Ausdruck bringe, was andere gleichermaßen empfinden, selbst aber nicht wagen, auszusprechen. Durch den Blog hat sich eine neue Aufgabe entwickelt, ein neuer Sinn ist entstanden, der mich glücklich macht.“

Neben ihrem Blog engagiert sich Carolin Thurmann auch für die Selbsthilfeorganisation pulmonale hypertonie e.v. (ph e.v.). „Es gibt noch so viel zu tun, viele Kinder haben PH und dürfen aufgrund der Erkrankung nicht einmal mehr spielen und klettern, was noch viel bedrückender ist, als wenn man mit Mitte 20 die Diagnose erhält. Daher müssen wir Erwachsene den Kindern den Weg ebnen.“

Carolin Thurman hat neue Aufgaben gefunden, die ihr Freude machen und mit denen sie zudem anderen helfen kann. „Man muss sich etwas anderes suchen, worin man aufgeht und in dem man einen neuen Lebensinhalt und Sinn findet.“


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Carolin Thurmanns Blogwww.lifewithph.jimdo.com Facebook-Gruppe “Lungenhochdruck/Pulmonale Hypertonie: Die Selbsthilfegruppe mit Herz und IQ”

Forum der ph e.v.www.phev.de/forum
Mit einem breiten Spektrum an professionellen Informationen, Chatfunktion und der Möglichkeit, Fragen zu stellen.


Bildnachweise:
Carolin Thurmann
tai111 – Fotolia.com

Interview/Text:
Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek

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Der Beitrag wurde in der Winterausgabe 2017 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.


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