Das Gespräch als Teil der Therapie

Arzt und Patient

„Ein gutes Arzt-Patienten-Gespräch ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Behandlung. Es hilft, die richtige Diagnose zu stellen und die passende Therapie zu finden. Ärztinnen und Ärzte führen tausende von Gesprächen, und nicht selten müssen sie ihren Patienten schlechte Nachrichten überbringen. Gerade in solchen Situationen ist eine intensive Kommunikation wichtig, denn schnell können Sorgen und Ängste entstehen“ formuliert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) aktuell auf ihrer Internetseite (www.kbv.de) und gibt Tipps und Hinweise für eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation.

Grah Das Gespräch als Teil der Therapie

Mit Dr. Christian Grah, Leitender Arzt der Abteilung für Pneumologie und des Lungekrebszentrums (DKG) des Berliner Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe, sprach die Redaktion über Arzt-Patienten-Kommunikation.

Was kann mit „guter“ Kommunikation erreicht werden und wie wird gute Kommunikation definiert?

Zunächst einmal sei gesagt, dass gute Kommunikation keine naturgegebene Fähigkeit ist. Kommunikation muss trainiert werden.

Die Kommunikationsforschung der letzten 100 Jahre hat uns dafür Instrumente anhand gegeben, die es ermöglichen, Kommunikation zu verstehen und zu analysieren und für das ärztliche Gespräch bestmöglich einzusetzen. Wobei klar sein sollte, dass Kommunikation sich keineswegs darüber definiert, dass ausschließlich Informationen ausgetauscht werden. Studien belegen, dass der wesentlich größere Anteil einer guten Kommunikation nonverbal – also ohne Worte – abläuft. Diesen Teil der Kommunikation kann man als innere Aufmerksamkeit dem Gegenüber bezeichnen, bei dem es zunächst darum geht, eine Beziehung aufzubauen, und Vertrauen zu gewinnen. Damit ist z. B. gemeint: wie spreche ich mit dem Patienten, wie wirke ich auf ihn, wie setze ich mich hin oder wie erwecke ich überhaupt in meinem gesamten Verhalten den Eindruck und die Überzeugung, dass in diesem Moment nur er gemeint ist.  

Untersuchungen zeigen, dass die Qualität der Beziehung zwischen Arzt und Patient – und natürlich ebenso Therapeuten oder medizinischem Fachpersonal und Patient – eine wirksame Voraussetzung, für das Bewältigungsvermögen bei Krankheiten für Patienten ist. Daher sollten drei Qualitäten von Kommunikation in einer therapeutischen Beziehung angestrebt werden: unbedingte Wertschätzung, Authentizität und Empathie (Einfühlungsvermögen).

Erst ein entstandenes Vertrauen, gibt dem Patienten den notwendigen Raum und die Möglichkeit, schwerwiegende Fragen, Fragen die Patienten ängstigen, zu stellen oder auch Zweifel zu äußern. Wobei es nicht nur um die wichtige Kernfrage der Lebenszeit, sondern auch um viele Fragen, die für die Lebensqualität des Patienten entscheidend sein können, geht.

Gelingt die Kommunikation nicht und ist keine wirkliche Beziehung entstanden, fühlt sich der Betroffene alleine gelassen und weiß nicht, wie er mit seinen Fragen umgehen soll. Untersuchungen hierzu zeigen, dass diese Situation Auswirkungen auf sein Wohlbefinden und sogar auf seine Überlebenszeit haben kann.

Grah Das Gespräch als Teil der Therapie

Welche Möglichkeiten sollten Patienten und Angehörige nutzen, um das Gespräch mit dem Arzt aktiv zu gestalten?

Ich empfehle jedem chronischen Lungenpatienten und ebenso den Angehörigen, Mut zu fassen und  nachzufragen. Fordern Sie ein, dass mit Ihnen gesprochen wird. Bringen Sie zum Ausdruck, wenn Ihnen die stattfindende Kommunikation nicht ausreicht, Sie Erläuterungen nicht verstanden haben oder über grundsätzliche Fragen, die direkt oder indirekt Ihre Krankheit betreffen, nicht ausreichend besprochen wurde. 

Veränderungen können nur stattfinden, wenn Wünsche, aber auch Kritik unmittelbar formuliert werden. Insofern ist es ein ganz wichtiges Instrument, dass Betroffene lernen, selber zu sagen, was sie brauchen.

Nehmen Sie nicht gleich den Weg der „Drehtür“ zum nächsten Arzt, wenn eine Problematik auftaucht, sondern wählen auch Sie als Patient den Weg der Kommunikation.

Darüber hinaus sollten Sie alle Möglichkeiten nutzen, die helfen, ein sicheres Gefühl bei den nächsten Behandlungsschritten zu gewinnen. Hier können ergänzend zum Arztgespräch Informationswege wie z. B. über den Lungeninformationsdienst, bei Lungenkrebs der Krebsinformationsdienst oder andere Organisationen in Anspruch genommen werden. Eine weitere Möglichkeit bietet ggf. die Einholung einer Zweitmeinung.

Wie sollten Patienten sich beispielsweise auf ein Gespräch mit dem Arzt vorbereiten?

Es ist sehr wichtig, dass nicht nur der Arzt oder andere medizinische Betreuer vorbereitet in ein Gespräch gehen, sondern auch der Betroffene selbst. Die Vorbereitung auf ein Gespräch ist auch Ausdruck dessen, dass man sich als Patient aktiv um seine Erkrankung kümmert.

Hilfreich bei der Vorbereitung sind im Vorfeld Fragestellungen an sich selbst, wie beispielsweise: Welche Fragen möchte ich beantwortet bekommen? Mit welcher Zielsetzung gehe ich in das Gespräch? Welche symptomatischen Veränderungen habe ich seit dem letzten Termin? Die Antworten sollten auf einem Merkzettel notiert und zum Termin mitgenommen werden, damit man in der besonderen Situation des Gesprächs keinen der Punkte vergisst.

Am Ende eines Gespräches sollten dessen wichtigste Ergebnisse und Vereinbarungen nochmals kurz wiederholt werden. Dies kann durch den Arzt, den Patienten selbst oder aber einen Angehörigen erfolgen. Auch hier können ggf. Notizen, die man dann mit nach Hause nimmt, hilfreich sein. Wichtig ist, dass Patient und ggf. Angehöriger alles verstanden haben. Abschließend sollte konkret festgehalten werden, wann man sich das nächste Mal ggf. mit welchen Ergebnissen wiedersieht.

Diese Vorgehensweise schafft Sicherheit und trägt zum Wohlbefinden bei.

Wie sollten sich Patienten in kommunikativ schwierigen Situationen verhalten, wenn sie sich z.B. überfordert fühlen, nicht genügend in Therapieentscheidungen einbezogen werden etc.?

Steht ein schwieriges Gespräch an, so empfehle ich, sich hierauf besonders intensiv vorzubereiten. Legen Sie sich durchaus ganze Sätze, die Sie sagen wollen, zurecht und schreiben diese auf.

Gelingt dennoch der Gesprächsverlauf nicht, wie erhofft oder treten erst während eines Gespräches schwierige, überfordernde Situationen auf, haben Sie den Mut, dies auch auszusprechen. Gehen Sie nicht nach Hause, bevor Sie die Problematik angesprochen haben. Bitten Sie ggf. um einen weiteren Termin oder ziehen Sie weitere Bezugspersonen wie z. B. Krankenschwestern, Angehörige mit ein. Auch hier wieder der Rat: Formulieren Sie, wenn Sie Unterstützung benötigen.

Die Umsetzung einer Therapie ist das eine; sie kann nur dann optimal verlaufen, wenn alle Fragen geklärt sind.

Das Gefühl und der innere Wert den jeder Mensch in einem guten und wertschätzenden Gespräch erleben kann ist eine reale Ressource, die über die Therapie hinaus wirkt. Auf diese sollte eine moderne Medizin nicht mehr verzichten. Kommunikation hat eine eigenständige Bedeutung innerhalb des therapeutischen Gesamtkonzeptes und sollte als Behandlungsmodalität genauso bewertet werden wie andere Therapien.

Grah Das Gespräch als Teil der Therapie

Wie kann eine gute Kommunikation trotz ständigem Kostendruck gelingen?

Grundsätzlich möchte ich betonen, dass ich die Merkantilisierung in der Medizin, Krankheiten als Ware zu betrachten, für eine falsch eingeschlagene Richtung halte. Ich glaube, dass es Zeit ist, umzudenken.

Vor allen Dingen gilt es dringend die Wertigkeit guter Kommunikation neu zu beleben. Wir unterliegen einem großen Irrtum, wenn wir derzeit zwar für medikamentöse Therapien hohe Summen bereitstellen, für Kommunikation jedoch nur einen kaum nennenswerten Bruchteil davon.


Text: Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek

Fotos: Dr. Christian Grah, Berlin, Fotolia.com AI-Ma-Ga-Mi, UBER IMAGES

Grah Das Gespräch als Teil der Therapie

Der Beitrag wurde in der Winterausgabe 2019 der Fachzeitschrift „Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

Grah Das Gespräch als Teil der Therapie

Die Langfassung des Gespräches mit Dr. Grah ist in der Erstveröffentlichung, Sonderausgabe Patienten-Bibliothek – Lungenkrebs 2017, nachzulesen, siehe auch www.Patienten-Bibliothek.de.

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