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…früh erkennen und behandeln
Familiäre Zystennieren zählen zu den häufigsten genetischen Erkrankungen und können zu einem Nierenversagen führen. Dennoch sind Zystennieren in der Öffentlichkeit bisher wenig bekannt.
Die Erkrankung betrifft den gesamten Körper, sie äußert sich jedoch insbesondere durch die Bildung flüssigkeitsgefüllter Bläschen in den Nieren.
Zystennieren gehen mit der Entwicklung vielfältiger Zysten an beiden Nieren einher und sind eine der wichtigsten Erkrankungen der sog. polyzystischen Nieren.
Schätzungen zufolge leben in Deutschland ca. 50.000 Menschen mit einer polyzystischen Nierenerkrankung. Eine hohe Dunkelziffer wird vermutet.
Ein frühzeitiges Erkennen der Erkrankung und die daraus resultierende angepasste Lebensführung sowie therapeutische Optionen können dazu beitragen, dass das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt wird.
Wie vererbt sich die Erkrankung? Welche Symptome können auftreten? Wie ist die mögliche Prognose und welche Maßnahmen können ergriffen werden?
Auf diese und viele weitere Fragen gehen wir in den nachfolgenden Kapiteln ein. Die Broschüre will eine erste Orientierungshilfe darstellen, wichtige Basisinformationen aufzeigen und dokumentieren, wo Sie weitergehende Unterstützung und Informationen erhalten können.
Wird die Diagnose Zystennieren gestellt, kann der Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen sehr hilfreich sein. Entsprechende Kontaktdaten finden Sie in der Rubrik Adressen.
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Nieren
Aufgaben
Nieren können als wahre Hochleister und Multitalente bezeichnet werden. Sie sind lebenswichtige Organe, die eine Reihe von Aufgaben erfüllen, damit unser Körper funktionsfähig bleibt.
Täglich werden ca. 1.500 Liter Blut durch die Nieren gereinigt. Somit fließt bis zu 300 Mal die Gesamtmenge des Blutes in unserem Körper durch die Nieren.
Die komplexe Filterfunktion ermöglicht die Trennung von schädlichen Salzen und Abfallstoffen, so dass diese über die Harnwege ausgeschieden werden können und sorgt ebenso für den Verbleib wichtiger Substanzen wie Eiweißstoffen und Mineralien im Organismus.
Neben der Reinigung des Blutes haben die Nieren Einfluss auf viele weitere Körperfunktionen, wie zum Beispiel die Regulierung des Flüssigkeitshaushaltes im Körper, die Blutdruckregulation, die Regulation des Salzund Säure-Basenhaushaltes, den Knochenstoffwechsel und die Blutbildung.
Die etwa faustgroßen Nieren sind paarig angelegte Organe und befinden sich gut geschützt rechts und links neben der Wirbelsäule im hinteren Bauchraum.
Aufbau
Ein Blick auf den Aufbau lässt den komplexen Vorgang der Entgiftung, die Hauptfunktion der Nieren, verständlicher werden.
Nieren werden in drei Bereiche unterteilt: die Nierenrinde,
das Nierenmark und das Nierenbecken.
Das eigentliche Filtersystem befindet sich vor allem in der Nierenrinde und besteht aus über einer Million kleinster Filtereinheiten, den Nierenkörperchen oder fachlich ausgedrückt, den Nephronen.
Ein Nephron besteht jeweils aus einem Gefäßknäuel (Glomeruli), das von einer Kapsel umschlossen ist, und den daran anschließenden Harnkanälchen (Tubuli), die auch als Nierenkanälchen bezeichnet werden.
Die Wände der Glomeruli sind ähnlich wie bei einem Filter durchlässig für Blutbestandteile wie Salze, Nährstoffe, Abfallstoffe und Wasser, nicht jedoch für Blutzellen und Eiweiß.
Die herausgefilterten Stoffe und das Wasser werden als Primärharn bezeichnet. Pro Tag wird eine Gesamtmenge von etwa 180 Liter Primärharn gebildet.
Im Sammelrohr wird dem Primärharn fast die gesamte Flüssigkeit und alle für den Körper notwendigen Stoffe wieder entzogen. Übrig bleibt der konzentrierte Harn (Urin), der über die Nierenkelche in das Nierenbecken und von dort über den Harnleiter zur Blase gelangt.
Zysten
Zysten sind mit einer Flüssigkeit gefüllte Hohlräume (Blasen), die sich in einem Gewebe bilden und von einer Kapsel umgeben sind.
Im Prinzip können sich Zysten überall im Körper entwickeln. Zysten können unterschiedlich groß sein. Manche sind winzig klein, andere jedoch so groß, dass sie Organe oder Gewebe verdrängen.
Die Ursachen, die zu einer Entwicklung von Zysten führen können, sind sehr unterschiedlich.
Auch wenn die meisten Zysten harmlos sind, können sie, je nachdem welche Ursache sie haben und wo sie auftreten, Probleme bereiten.
Zysten und Nieren – Verschiedene Erkrankungsformen
Nierenzysten
Einzeln auftretende Zysten, die an einer oder an beiden Nieren vorkommen können, werden als Nierenzysten bezeichnet und sind nicht zu verwechseln mit der Erkrankung Zystennieren.
Nierenzysten verursachen in der Regel keine Beschwerden, sind meist harmlos und nur in seltenen Fällen behandlungsbedürftig.
Mit zunehmendem Alter treten Nierenzysten häufiger auf. Etwa 20 Prozent der über 60jährigen hat eine oder mehrere Zysten an den Nieren.
Zystennieren
Die Bildung einer Vielzahl (hunderte bis tausende) von Zysten an einer oder beiden Nieren wird als Zystennieren oder polyzystische Nieren bezeichnet.
Polyzystische Strukturveränderungen in den Nieren sind ein Krankheitsbild, das bei einer Reihe von meist erblich bedingten Erkrankungen auftreten kann.
Die erblich bedingten und daher auch als familiär bezeichneten Zystennieren werden wiederum grob unterteilt in zwei Erkrankungsformen:
ADPKD
Die bei weitem häufigste Form der Zystennieren – auf die wir im nachfolgenden Text ausführlicher eingehen ist die autosomal-dominat vererbte polyzystische Nierenerkrankung.
In Deutschland wird von einer Häufigkeit von 3,56:10.000 (nicht diagnostizierte Fälle eingeschlossen) ausgegangen.
Die Erkrankung wird meist im frühen Erwachsenenalter entdeckt, da sich erst dann eine Symptomatik zeigt.
ARPKD
Eine seltene Form der Zystennieren ist die autosmal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung. Hier wird die Erkrankung bereits in frühester Kindheit – manchmal sogar vor der Geburt festgestellt. Neben den Nieren ist bei ARPKD massiv auch die Leber betroffen. Sie zeigt einen bindegewebigen Umbau. In Deutschland wird von einer Häufigkeit von 1:40.000 ausgegangen.
ADPKD – Autosomal-dominate Zystennieren
Familiäre Zystennieren ist die am häufigsten vorkommende erbliche Nierenerkrankung und eine der häufigsten Erbkrankheiten überhaupt.
Ursache der ADPKD ist eine Veränderung in den Erbanlagen, d.h. in den Genen. Bei ADPKD können Mutationen am Gen PKD 1 (ca. 80 Prozent), das sich bei Menschen auf dem Chromosom 16 befindet oder am PKD 2 (ca. 15 Prozent), auf dem Chromosom 4, vorkommen. Patienten mit einer PKD 1-Mutation weisen tendentiell eher einen schwereren Krankheitsverlauf auf.
Zudem kann bei einer geringeren Anzahl (ca. 5 Prozent) von ADPKD-Patienten auch eine genetische Spontanmutation (Neumutation) ohne klassische Vererbung Ursache der Zystennieren sein.
Autosomal bedeutet, die Autosomen betreffend. Autosomen sind die Chromosomen 1 bis 22. Das Chromosom 23 ist das Geschlechtshormon. Genmutationen, die sich auf den Autosomen befinden, werden geschlechtsunabhängig vererbt.
Jede menschliche Körperzelle besitzt ein doppeltes Chromosomenpaar (46 Chromosome), d.h. jedes Gen hat zwei sog. Allele, die oft nicht identisch sind.
Dominant vererbt bedeutet, dass die Erbkrankheit bereits bei Übertragung von nur einem defekten Allel des Gens zum Ausbruch kommt.
Ist bei ADPKD ein Elternteil Träger des Gendefektes, wird die Erkrankung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an die Nachkommen vererbt.
Bei einer rezessiv vererbten Erkrankung muss das defekte Allel auf beiden Autosomen vorliegen, damit die Krankheit zum Ausbruch kommt. Alleine aus diesem Grund sind diese Erkrankungen seltener.
Symptome
Die Bildung der Zysten, Vergrößerung der Nieren und letztendlich Zerstörung des Nierengewebes entwickelt sich, je nach Ausprägung der Erkrankung, zumeist langsam.
Erste Symptome treten daher häufig erst zwischen dem 25. und 50. Lebensjahr auf.
Folgende Symptomatik kann auf Zystennieren hinweisen:
❄ Hoher Blutdruck
Kann als erstes Symptom bereits in der Jugend auftreten.
Mögliche Ursache sind Nierenzysten, die direkt oder indirekt den Blutdruck erhöhen können.
❄ Tastbare vergrößerte Nieren und möglicherweise auch Leber Aufgrund vermehrter Zystenbildung. Dadurch möglicherweise auch vergrößerter Bauchumfang.
❄ Schmerzen im Rücken-, Seitenoder Magenbereich
Durch die Größe der Zysten und Verdrängung von Gewebe und Organen.
❄ Blut im Urin
Aufgrund häufiger Einblutungen der Zysten oder auch durch Harnwegsinfekte möglich.
❄ Häufige Harnwegsinfekte
Aufgrund häufiger Einblutungen der Zysten.
❄ Nierensteine
Mögliche Ursachen können ein erniedrigtes Urinzitrat sein – eine Substanz, die normalerweise die Bildung von Nierensteinen verhindert.
Achtung: Nierensteine können sehr starke Schmerzen und Blut im Urin verursachen.
Lassen Sie vorliegende Beschwerden frühzeitig abklären und behandeln!
Je früher eine Einschränkung der Nierenfunktion erkannt wird, umso eher können Maßnahmen zur Stabilisierung und Verlangsamung der Progression erfolgen.
Diagnostik
ADPKD bleibt häufig lange unerkannt, da die Erkrankung viele Jahre keine Beschwerden verursacht. Die Diagnose erfolgt oftmals erst durch einen Zufallsbefund, wie z.B. bei einer Ultraschalluntersuchung aus anderen Gründen.
Die möglicherweise vorkommenden Beschwerden wurden im vorangegangenen Kapitel bereits beschrieben.
Folgende Symptome, insbesondere wenn diese in Kombination auftreten, sollten jedoch bereits die Aufmerksamkeit erhöhen und ggf. zu einer Aus- schlussuntersuchung von Zystennieren führen:
- Bluthochdruck (insbesondere, wenn dieser bereits in jungen Jahren auftritt)
- Blut im Urin (achten Sie bei Untersuchungen mittels Urinteststreifen auch auf das Vorliegen von Eiweiß/Albumin)
- Wiederholte Harnwegsinfekte
- Zunahme des Bauchumfangs und des Bauchdrucks
Nachfolgend finden Sie die Maßnahmen, die bei der Diagnostik einer Nierenstörung durchgeführt werden:
Anamnese / Gespräch
Während des Gespräches mit Ihrem Arzt werden hinsichtlich Ihrer Krankengeschichte (Anamnese) Fragen zur Symptomatik gestellt, die dem Arzt wichtige Anhaltspunkte geben.
Die Familienanamnese ist dabei von besonderer Bedeutung, falls bereits familiäre Zystennieren aufgetreten sind.
Körperliche Untersuchung
Nach der Erhebung der Anamnese erfolgt die körperliche Untersuchung, wie das Abtasten des Bauchraumes..
Laboruntersuchungen
Hierbei werden sowohl Urinals auch Blutuntersuchungen vorgenommen, deren Ergebnisse Aufschluss über das Vorliegen einer Verschlechterung der Nierenfunktion geben können.
Urin Konzentrationsmessung von Eiweiß (Albumin)
Bestimmung des eGFR-Wertes (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate)
Blut Bestimmung des Kreatinin-Wertes, Harnstoff, Phosphat
Bildgebende Verfahren
Unter bildgebenden Verfahren versteht man apparative diagnostische Verfahren, die einen Befund visuell sichtbar darstellen. Zu diesen Verfahren zählen z.B. die Sonographie (Ultraschall), Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT).
Alle drei Verfahren können zur Diagnostik von Zystennieren angewendet werden. Am häufigsten wird Ultraschall eingesetzt.
Ultraschall
Die Ultraschalldiagnostik arbeitet mit Schallwellen, deren Frequenz das menschliche Ohr nicht mehr hören kann. Ultraschall ist eine Technik ohne Strahlenbelastung.
Besonders gute Ergebnisse können durch Ultraschall ermittelt werden, wenn Gewebe oder Organe mit Flüssigkeit gefüllt oder gut durchblutet sind, was bei Zystennieren der Fall ist.
Die eigentliche Diagnosestellung der Zystennieren erfolgt in der Regel im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung.
Empfehlung KDIGO (Kidney Disease Improving Outcomes, Internationale Organisation zur Entwicklung und Implementierung von evidenzbasierten Leitlinien bei Nierener- krankungen, Brüssel), 2015, www.kdigo.org
Ab einer Größe von 5 mm können Zysten relativ sicher mittels Ultraschall diagnostiziert werden.
Die Diagnose gilt bei Patienten, die bereits betroffene Angehörige haben, bei mindestens 3 Zysten an mindestens einer Niere als gesichert.
❄ Bei Patienten im Alter von 15-39 Jahren ist das Vorhandensein von 3 oder mehr unilateralen oder bilateralen Zysten mit ADPKD assoziiert.
❄ Bei Patienten im Alter von 40-59 ist das Vorhandensein von 2 oder mehr Zysten in jeder Niere mit ADPKD assoziiert.
❄ Bei Patienten im Alter von über 60 Jahren ist das Vorhandensein von 4 oder mehr Zysten in jeder Niere mit ADPKD assoziiert.
Der Ausschluss von Zystennieren durch eine Ultraschalluntersuchung ist erst ab dem ca. 30. Lebensjahr sicher. Hierzu ist ergänzend ein MRT oder CT erforderlich.
Die Mehrheit der Zystennierenpatienten hat im frühen Erwachsenenalter bereits Zysten. Nur eine sehr kleine Minderheit und zwar ein Teil der Träger des PKD 2Gens können evtl. etwas später noch eine erstmalige Zystenbildung zeigen, diese dann jedoch mit einem günstigeren Verlauf verbunden.
Computertomographie (CT)
Bei einem CT handelt es sich um ein spezielles Röntgenverfahren, das detaillierte Aufnahmen in einem Schnittbildverfahren ermöglicht. Bei diesem Verfahren werden Schicht für Schicht Bilder von Organen und Geweben aufgezeichnet, die als dreidimensionale Bilder zusammengefügt werden können.
Magnetresonanztomographie (MRT)
MRT ist ein Synonym für Kernspintomographie. Dieses Schnittbildverfahren arbeitet ohne Röntgenstrahlen. Die entstehenden Bilder werden mittels eines starken Magnetfeldes und Radiowellen erzeugt.
Das MRT kann das CT nicht gänzlich ersetzen, ist jedoch eine Alternative.
Verlauf
Grundsätzlich ist zu formulieren, dass sich jede ADPKD-Erkrankung individuell im Hinblick auf Schwere und Verlauf darstellen kann. Auch innerhalb von Familien können unterschiedliche Verläufe, im Hinblick auf die Dialysepflicht, auftreten.
ADPKD ist eine genetische Erkrankung. Langfristig kommt es zu einer Nierenschwäche (Niereninsuffizienz), die zu einem Nierenversagen führen kann. Etwa 50 % der Betroffenen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren entwickeln ein endgültiges Nierenversagen.
Stadium I – III
Während der Anfangsstadien der Erkrankung bilden sich Zysten in beiden Nieren, die Nieren vergrößern sich. Dennoch sind in dieser Zeit meist keine Krankheitsanzeichen in Form von Beschwerden bemerkbar, auch wenn sich die Gewebestruktur in dieser Zeit verändert und Betroffene bereits unter Bluthochdruck leiden können. Erst wenn eine kritische Schwelle des Nierenfunktionsverlustes überschritten ist, zeigen sich Symptome der Niereninsuffizienz. In der Regel ist dies zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.
Im Stadium I ist eine beginnende Nierenschwäche meist nur über eine Urinuntersuchung erkennbar.
Für die Feststellung einer chronischen Nierenschwäche ist die Glomeruläre Filtransrate (GFR) wichtig. Die GFR ist eine Formel: bei normal funktionierenden Nieren liegt der Wert bei 95-110 Milliliter pro Minute.
Im Stadium II + III zeigt sich eine deutlichere Nierenschwäche, so dass auch im Blut erhöhte Kreatininund Harnstoffwerte gemessen werden können.
Stadium IV
In diesem Stadium sind bereits so viele Nierenzellen defekt, dass die mangelhafte Ausscheidung der Giftstoffe den gesamten Körper in Mitleidenschaft zieht.
Eine Verschlechterung der Nierenfunktion steht in enger Verbindung mit der Größe bzw. dem Gesamtvolumen der Nieren (TKV – total kidney volume = Gesamtnieren-volumen). Das mittlere Volumenwachstum der Nieren beträgt 5 bis 6 Prozent pro Jahr.
Stadium V
Ein Nierenversagen tritt ein und eine Dialyse ist nun lebensnotwendig.
Übersicht der Warnsignale eines fortgeschrittenen Nierenversagens
Anstieg des Blutdrucks Möglicher Hinweis auf eine Störung der Nieren eigenen Blutdruck-Regulationsmechanismen.
Wassereinlagerungen Schwellungen (Ödeme) an Augen und Unterschenkeln können Anzeichen dafür sein, dass die Nieren nicht mehr genügend Wasser und Salze ausscheiden.
Rascher Gewichtsanstieg Oft Folge von Wassereinlagerungen.
Harnauffälligkeiten Blutiger Urin, übel riechend, schäumend (Eiweiß im Harn, rascher Rückgang oder fehlende Ausscheidung) können auf Schäden der Nierenfilter hinweisen.
Atemnot Zunächst nur bei Belastung. Hinweis auf eine Überwässerung oder eine Stoffwechselstörung, da die Niere im Körper anfallende Säuren nicht genügend abpuffert. Der Körper versucht diese durch häufiges, tiefes Atmen zu entfernen.
Schnellere Ermüdbarkeit Sind die Nieren geschädigt, können sie das für die Blutbildung notwendige Hormon Erythropoetin nicht mehr bilden. Nimmt die Zahl der roten Blutkörperchen ab, sinkt auch die Fähigkeit des Blutes, ausreichend Sauerstoff zu transportieren.
Blässe Sichtbare Folge der Blutarmut (renale Anämie).
Juckreiz Entsteht, weil sich harnpflichtige Substanzen in der Haut ablagern.
Andere Anzeichen Unwohlsein, Appetitlosigkeit und Erbrechen.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Nephrologie DGfN, www.dgfn.eu
Dialyse
Tritt ein Nierenversagen ein, ist eine Nierenersatztherapie erforderlich. Ein terminales (totales) Nierenversagen lässt sich nicht rückgängig machen. Die Dialyse ist ein Blutreinigungsverfahren, das einen Teil der normalen Nierenfunktion übernimmt.
Transplantation
Eine Nierentransplantation ist eine weitere Option, wenn die Nieren versagen. Die Niere ist das bei weitem am häufigsten transplantiere Organ.
Systemerkrankung
Die ADPKD kann neben den Nieren auch weitere Organsysteme betreffen, da sich die ursächliche Genmutation in allen Körperzellen befindet.
ADPKD ist eine Systemerkrankung des Körpers, die mit Bindegewebsschwächen und Zystenbildung einhergeht.
Dennoch ist die häufigste Auswirkung der Erkrankung die Bildung von Zysten in beiden Nieren.
Bei etwa 90 Prozent der Betroffenen bilden sich zudem Zysten an der Leber, die ebenfalls zu einer Vergrößerung der Leber führen. Die Funktion der Leber wird hierbei jedoch meist nicht eingeschränkt.
Mögliche weitere, jedoch seltener vorkommende, Organbeteiligungen:
❄ Zysten der Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
❄ Gefäßerweiterung in bestimmten Gehirngefäßen (Aneurysma)
❄ Veränderungen an den Herzklappen (Mitralklappenprolaps / dilatative Kardiomyopathie, Perikarderguss)
❄ Ausstülpungen an der Wand des Dickdarms (Divertikel)
Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt über Ihre persönliche Erkrankungssituation und die Möglichkeit weiterer betroffener Organe.
Behandlungsmöglichkeiten
Eine ursächliche Behandlung und Heilung von Zystennieren ist derzeit nicht möglich. Lediglich eine Transplantation kann die verlorengegangene Funktion einer Niere wiederherstellen.
Ziel des Behandlungskonzeptes ist, die Progression der Erkrankung zu verlangsamen, um die Entwicklung eines Nierenversagens möglichst hinauszuzögern oder gar zu vermeiden.
Drei ineinandergreifende Maßnahmen spielen eine wichtige Rolle:
❄ Symptombehandlung
❄ Lebensstil
❄ Spezifische Therapie
Symptombehandlung
Harnwegsinfekte
Blasenentzündungen können gehäuft vorkommen und sollten umgehend behandelt werden, da sie die Funktion der Nieren negativ beeinflussen. Sprechen Sie Ihren Arzt auch auf vorbeugende Maßnahmen gegen Harnwegsinfekte an.
Nierensteine
Nierensteine treten bei ca. 20 – 30 Prozent der ADPKD-Patienten auf. Eine vorbeugende Maßnahme kann die Einnahme von Kaliumcitrat sein.
Schmerzen im Rücken-, Seitenoder Magenbereich Schmerzen treten bei ca. 60 Prozent der Betroffenen auf. Gehen Sie aktiv mit Schmerzen um, nutzen Sie die Schmerzskala zur Messung der Schmerzintensität und für einen möglichst effektiven Einsatz einer Therapie. Es sollten Schmerzmittel eingesetzt werden, die nicht Nierenschädlich wirken.
Hilfreiche Informationen und die Schmerzskala finden Sie bei der Deutschen Schmerzliga e.V. www.schmerzliga.de.
Bluthochdruck (hier: renal bedingte Hypertonie)
Bluthochdruck ist das häufigste begleitende Symptom von Zystennieren. Etwa 60 – 70 Prozent sind von einer Hypertonie betroffen, manche bereits in jungen Jahren.
Wird der Bluthochdruck nicht behandelt kann dies die Nieren weiter schädigen und auch zu Veränderungen an Herz und Gefäßen führen. Auch bei Jugendlichen in der Pupertät muss Bluthochdruck normalisiert werden.
Neuere Untersuchungen zeigen zudem, dass bei Patienten mit einem hohen Progressionsrisiko die Blutdruckeinstellung auf niedrig-normale Zielblutdruckwerte notwendig ist. Hiervon sind vor allem schon Patienten unter 30 Jahren betroffen.
Die Regulierung des Blutdrucks nimmt eine wichtige Rolle im Behandlungskonzept ein. Daher ist es sinnvoll, auch durch regelmäßige Eigenmessung und Dokumentation den Blutdruck zu kontrollieren und die Werte mit dem Arzt zu besprechen.
Informationen, Tipps zum Bluthochdruck finden Sie auf den Seiten der Deutschen Herzstiftung e.V. www.herzstiftung.de und der Deutschen Hochdruckliga e.V. www.hochdruckliga.de.
Lebensstil
Die Anpassung des Lebensstils kann helfen die Nieren zu entlasten und die Progression der Erkrankung zu verlangsamen.
❄ Beachten Sie, dass der Einfluss der Ernährung auf die Nieren komplex ist und zudem die entsprechenden Vorgaben an die verschiedenen Stadien angepasst werden müssen. Praktische Hilfestellung gibt hier die Selbsthilfegruppe PKD Familiäre Zystennieren e.V. www.pkdcure.de.
❄ Empfehlenswert ist eine Ernährungsberatung / Ernährungstherapie
❄ Wenig Kochsalz (5 – 7 Gramm / Tag)
❄ Viel Trinken (2,5 – 3 l / Tag)
❄ Reduzierte Eiweiß-/Phosphatund Kaliumzufuhr
❄ Vermeidung Koffein-haltiger Getränke
❄ Nicht Rauchen
❄ Bewegung – insbesondere Ausdauersportarten, auch Rehasport kann verordnet werden
❄ Übergewicht meiden
Spezifische Therapie
Im Mai 2015 wurde das erste und bisher einzige Medikament in Europa bei ADPKD zugelassen. Tolvaptan (Substanzname) ist indiziert bei erwachsenen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung im Stadium I bis III und bei Behandlungsbeginn mit Anzeichen für eine rasche Krankheitsprogression.
Die Substanz vermindert den jährlichen Nierenfunktionsverlust und das Zystenwachstum und verlangsamt somit die Progression der Erkrankung. Weiterhin konnte eine Reduzierung der behandlungspflichtigen Nierenschmerzen festgestellt werden.
Das Medikament blockiert einen Rezeptor im komplexen Mechanismus des Nephrons, so dass die dort ablaufenden Signalwege, die zur Zystenbildung und zum Zystenwachstum führen, seltener aktiviert werden.
Da die Wirkung des Medikamentes gleichzeitig eine verstärkte Wasserausscheidung auslöst, sind die unerwünschten Begleiterscheinungen insbesondere mit diesem Effekt verbunden: vermehrte Urinausscheidung (Polyurie), vermehrtes nächtliches Wasserlassen (Nykturie), Durst. Eine Erhöhung der Leberwerte kann selten einmal auftreten, daher sind regelmäßige Kontrollen notwendig.
Patienten, die diese spezifische Therapie erhalten, müssen ausreichend trinken und einmal monatlich die Leberwerte überprüfen lassen.
Alle weiteren Informationen zu dieser neuen Therapieoption erhalten Sie von Ihrem behandelnden Nephrologen.
Aktiver Umgang mit der Erkrankung
ADPKD ist eine komplexe Erkrankung. Doch wer aktiv mit seiner Erkrankung umgeht, kann seine Lebensqualität und die Progression der Erkrankung beeinflussen.
Aktiver Umgang mit Zystennieren bedeutet z.B. sich problemorientiert und informiert mit seiner Krankheit auseinander zu setzen. Möglichkeiten zu suchen und zu finden, um sein Leben mit der Erkrankung zu gestalten.
Und es bedeutet durchaus eine Änderung des bisherigen Lebensstils. Eigenverantwortliches Handeln hilft, Maßnahmen zur Verzögerung der Erkrankung zu ergreifen.
Selbsthilfe
Von besonderer Bedeutung ist daher neben dem Arzt-Patienten-Gespräch auch die Unterstützung der Hilfe zur Selbsthilfe. Hier finden Sie neben der Information, den Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen (Kontaktdaten siehe S. 21).
Der Verein PKD Familiäre Zystennieren e.V. bietet umfassende Informationen, Unterstützung und Beratung siehe www.pkdcure.de.
Seit 2014 bildet der Bundesverband Niere e.V. zudem chronisch Nierenkranke und Angehörige zu Patientenbegleitern aus, die Ihnen zur Seite stehen. Mehr Informationen dazu finden Sie unter www.patienten-begleiter.de und www.pkdcure.de.
Familie
Da ADPKD eine Erbkrankheit ist, ist auch die gesamte Familie davon betroffen. Gerade bei einer anstehenden Familienplanung stellen sich viele Fragen. Doch auch für das tägliche Familienleben kann die Erkrankung manchmal eine Herausforderung darstellen.
Ein im Dezember 2015 veröffentlichtes Video zum Thema Familie und Zystennieren sowie eine Broschüre zum Thema Familienplanung geben hierzu vielfältige Informationen. Beide Angebote finden Sie auf den Seiten des Vereins PKD Familiäre Zystennieren e.V. www.pkdcure.de.
Arzt-Patienten-Gespräch
Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem behandelnden Arzt und Nephrologen. Seien Sie auch hier aktiv. Bereiten Sie sich auf jeden Arzttermin vor, notieren Sie sich Ihre Fragen. Eine vertrauensvolle partnerschaftliche Arzt-Patienten-Kommunikation beeinflusst entscheidend den Erfolg des Behandlungskonzeptes.
Häufige Fragen und ihre Antworten
Ursache für ADPKD sind genetische Veränderungen. Doch was weiß man heute über die Entstehung der Nierenzysten?
Die genetische Veränderung bewirkt, dass e zu einer komplexen Störung der Auskleidung der Harnkanälchen und der darauf befindlichen Zilien kommt.
Im Prinzip basiert die Entstehung der Zysten auf drei Säulen:
❄ einer Verstopfung aufgrund der Vermehrung der Harnkanälchenzellen, so dass der Primärharn an dieser Stelle nicht weiterfließen kann
❄ einer Dehnbarkeit der Membran der Harnkanälchen und
❄ einem veränderten Flüssigkeitstransport durch die Membran, der zu vermehrt Flüssigkeit in den verstopften, gedehnten Harnkanälchen führt
Quelle: Prof. Dr. Martin Zeier, Heidelberg
An welchen Arzt muss ich mich wenden, wer behandelt Zystennieren?
Der Facharzt für Nierenerkrankungen ist der Nephrologe. Die Nephrologie ist ein Teilgebiet der Inneren Medizin. Sie befasst sich mit den Erkrankungen der Niere sowie deren Therapie. Darüber hinaus gehören der Bluthochdruck, die Störungen des Wasserund Elektrolythaushaltes sowie Störungen des Säure-Basen-Haushaltes zum Fachgebiet.
Bei chronisch progredient verlaufenden Nierenerkrankungen ist es das wesentliche Ziel des Nephrologen, die Nierenfunktion zu stabiliseren, um die Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie zu verhindern oder so weit wie möglich hinauszuzögern.
In der Regel überweist der Hausarzt weiter zum Facharzt für Nephrologie.
Adressen von niedergelassenen Nephrologen finden Sie über die Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer. Diese haben die aktuellsten Daten über Anschriften und Qualifikationen aller niedergelassenen Ärzte.
Adressen von Nierenzentren finden Sie z.B. über
KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V. www.kfh.de Verband Deutsche Nierenzentren e.V. www.dnev.de
Adressen / Internet / Literatur
PKD Familiäre Zystennieren e.V.
Bessunger Strasse 3-5, 64285 Darmstadt
Telefon 06251 . 5504748, GS@PKDCure.de, www.PKDCure.de
Bundesweit tätiger Selbsthilfeverband für Patienten und Angehörige mit Familiärer Zystenniere mit den Schwerpunkten Forschung, Öffentlichkeitsarbeit, Schulungen, Lobbyarbeit und Selbsthilfe. Bundesweite Selbsthilfegruppen. Für Mitglieder Diskussionsforen, Newsletter und Beratungstelefon.
Bundesverband Niere e.V. (BN e.V.)
Essenheimer Str. 126, 55128 Mainz
Telefon 06131 – 85152, geschaeftsstelle@bnev.de, www.bundesverband-niere.de
Der Bundesverband Niere e.V. ist die Selbsthilfeorganisation der Dialysepatienten und Nierentransplantierten Deutschlands. Die Vereinigung wurde mit dem Ziel der Verbesserung der Lebenssituation der chronisch Nierenkranken, der Dialysepatienten und Nierentransplantierten gegründet. In ihm vereinigen sich 170 regionale Selbsthilfegruppen. Gebührenfreie Hotline für Fragen rund um die Niere:
Nierentelefon 0800 – 2484848 Mittwochs von 16.00 – 18.00 Uhr –
Deutsche Nierenstiftung
Grafenstrasse 13, 64283 Darmstadt
Telefon 06151 – 78074-0 www.nierenstiftung.de, info@nierenstiftung.de
Forschung fördern, Betroffene unterstützen, Öffentlichkeit informieren – das sind die drei Aufgaben, denen sich die Deutsche Nierenstiftung verschrieben hat.
Die Stiftung veröffentlicht Broschüren und führt Aufklärungstageund Kampagnen wie die Nierenwochen durch. Neu ist das Nierenstark-Magazin mit Fokus auf dem Thema Prävention.
Der Nierenpatient Zeitschrift für chronische Nierenkranke
Der Nierenpatient ist das offizielle Organ des Bundesverbandes Niere e.V. und informiert aktuell rund um die Themen Niere, Dialyse und Transplantation. Die Zeitschrift bietet Extrarubriken für neue Patienten und erfahrene „Profis“ sowie ausführliche Urlaubs-/Reiseberichte und Ernährungstipps.
Erscheinungsweise: 8 Ausgaben im Jahr Verlag Kirchheim & Co. GmbH, Mainz Telefon 06131 – 96070-0