Gesunde Luft zum Atmen

Kongress-Report – Schwerpunkt COPD und Lungenfibrose

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Exakt 21.958 Gäste – Ärzte, Wissenschaftler, Krankenpfleger, Physiotherapeuten, Patientenorganisationen etc. – haben am wissenschaftlichen Jahreskongress der europäischen Atemwegsgesellschaft (European Respiratory Society – ERS) Anfang September in München teilgenommen. Der Kongress ist die wichtigste Plattform für den internationalen Erfahrungsaustausch und ebenso für die Präsentation der aktuellen Forschung und Entwicklung im Bereich der Atemwegs- und Lungenerkrankungen.

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Im Gespräch mit dem diesjährigen Tagungspräsidenten, Professor Dr. Oliver Eickelberg, Direktor des Instituts für Lungenbiologie am Helmholtz Zentrum München, lassen wir die wichtigsten Neuigkeiten Revue passieren.


Drei Themenkomplexe bildeten die Schwerpunkte der Tagung.

Der erste Themenkomplex war eng mit der langfristig angelegten Informationskampagne „Healthy Lungs for Life“ und dem diesjährigen Motto „Gesunde Luft zum Atmen“ verbunden. Die Kampagne startete in München gleich mit einer Reihe verschiedener Veranstaltungen für die Öffentlichkeit.

Wie wurde das Thema während der wissenschaftlichen Tagung aufgegriffen? Wie ist der aktuelle Stand der Wissenschaft hinsichtlich der Auswirkungen von Luftverschmutzungen auf die Entwicklung von Lungenerkrankungen?

Neben den öffentlichen Veranstaltungen, wie dem zweitägigen Patientenforum und der Aufklärungskampagne in der Innenstadt von München, wurden die Themen auch in vielfältiger Weise während des wissenschaftlichen Kongresses aufgegriffen. Das Themenspektrum reichte dabei von den Auswirkungen der Luftverschmutzung bereits auf die Lungenreifung von Kindern, hin zu den Auswirkungen bei bestehenden Lungenerkrankungen Eine besondere Aufmerksamkeit wurde dem enormen Risiko des sogenannten Indoorcookings gewidmet.

Mit Indoorcooking ist vor allem das Kochen am offenen Feuer mit den unterschiedlichsten Brennmaterialen im Haus gemeint. Vor allem für Indien, Afrika und Kleinasien stellt Indoorcooking eine große Problematik dar, doch auch Reisende können hiervon betroffen sein. Nehmen wir nur einmal eine Städtereise nach Peking. Die Verschmutzungswerte, also die Partikelbelastung, sind dort extrem hoch. China wird aufgrund der Verschmutzungswerte in den nächsten Jahren enorme Probleme mit Lungenerkrankungen bekommen, hierüber sind sich alle Experten einig.

Dennoch, eine besonders alarmierende Situation stellt das Kochen über einer offenen Feuerstelle im Haus dar. Anhand von Messwerten konnte dokumentiert werden, dass diese Belastung teilweise um den Faktor 100 höher liegt als die schlimmste bisher gemessene Luftverschmutzung überhaupt.

Im englischen Fachjournal Lancet Respiratory Medicine erschien parallel zum Kongress ein Bericht mit Daten und Fakten über Luftverschmutzungen in den eigenen vier Wänden.

Man kann sagen, das Thema „Luftverschmutzungen und seine Auswirkungen auf die Lunge“ wird erstmals wissenschaftlich erfasst. Da insbesondere Schwellenländer von den Auswirkungen der Luftverschmutzung betroffen sind, ist die Thematik in Ländern der sogenannten 1. Welt bisher eher mit untergeordnetem Interesse betrachtet worden.

In den Industrienationen wurde vor allem das Thema Tabakrauchen wissenschaftlich aufgegriffen, so dass die Auswirkungen des Tabakrauchs inzwischen wissenschaftlich bestens belegt sind. Doch auch für diese Entwicklung waren viele Jahre notwendig.

Hinsichtlich der Luftverschmutzung beginnen wir quasi erst mit der Erfassung von Daten und der Durchführung von Studien.
Die Kampagne in München „Healthy Lungs for Life“ – „Breath clean Air“ bzw. „Gesunde Lungen zum Leben“ und das diesjährige Motto „Gesunde Luft zum Atmen“ war daher extrem wichtig, um dem Thema mehr Gehör zu verschaffen und es letztendlich auf eine andere Ebene der Aufmerksamkeit zu heben.

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Einen weiteren Themenkomplex bildete die Erkrankung COPD – neben Asthma ist COPD die am häufigsten vorkommende Lungenerkrankung.

Welche neuen Erkenntnisse wurden während des ERS Kongress diskutiert?

Mehrere Themenkomplexe möchte ich hervorheben, die während der Tagung aufgegriffen und intensiv diskutiert wurden.

Prävention, im Sinne des Rauchens, haben wir gerade schon kurz angesprochen. Belegt durch Fakten wissen wir heute, welchen Einfluss Rauchen auf COPD hat. Passivrauchen führt in unserer Gesellschaft jedoch nach wie vor ein Schattendasein.

Bei Rauchern herrscht allgemein die Überzeugung, dass Rauchen sich nicht auf die Mitmenschen auswirkt. Doch wissenschaftliche Daten belegen uns inzwischen etwas anderes. Im Jahr 2010 sind alleine etwa 600.000 Menschen nur durch den Einfluss von Passivrauchen verstorben.

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Additive, also ergänzende Maßnahmen, bei COPD bildeten einen großen Themenkomplex in München, da hierdurch enorme Effekte erreicht werden können. Gemeint sind hiermit physikalische Aktivitäten bzw. Bewegung und zwar vor allem Maßnahmen, die Patienten mit minimaler Anleitung erlernen und anschließend in ihren Alltag integrieren können.

Im weit fortgeschrittenen Stadium der COPD spielen vor allem Maßnahmen zur Lungenregeneration eine große Rolle, da die Lungenfunktion um die Hälfte bis auf ein Drittel reduziert und die aktive Lungenoberfläche zerstört ist. Verschiedene Symposien haben sich daher mit der Lungentransplantation und der derzeitigen Forschung zur künstlichen Lunge befasst. Bis zur tatsächlichen Realisierung und Transplantierbarkeit wird es voraussichtlich allerdings noch 5 bis 10 Jahre dauern.

Die Palliativversorgung wurde während der Tagung ebenfalls thematisiert. Im Gegensatz zu Krebserkrankungen ist die entsprechende Versorgung bei COPD-Patienten eher unbekannt, obwohl natürlich auch dort eine Notwendigkeit besteht.


Grundsätzlich ist dieser Bereich insgesamt in Deutschland eher unterentwickelt, anders als in angelsächsichen, also englischsprachigen, Ländern. Die komplette Rundumversorgung eines Lungenkranken – sei es durch COPD, Lungenkrebs oder interstitielle Fibrose – auf allen Ebenen ist in Deutschland mit der eher „zerstückelten“ Erstattungspolitik noch ein sehr jungfräuliches Thema.

Doch auch hier können zumindest positive Ansätze verzeichnet werden, wie z. B. eine erste Atmnot-Ambulanz.

Wie ist der aktuelle Status zum „COPD-Check“ als Standard innerhalb der Früherkennungsmaßnahmen?

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Das Beispiel Brustkrebsscreening hat uns gezeigt, dass Vorsorgeprogramme Sinn machen und Auswirkungen auf die Erkrankung haben. Der Vorteil der Mammographie-Reihenuntersuchung ist eine frühzeitige Erkennung und somit eine verbesserten Chance der Heilung.

Auch in der Lungenmedizin sollte dieser Weg beschritten werden. Derzeit bemühen wir uns um eine verstärkte Wahrnehmung in der Öffentlichkeit wie z. B. mittels der Fakten-Spender-Kampagne als Fortsetzung der Healthy Lungs for Life Initiative (siehe separate Berichterstattung). Es ist dringend notwendig, den Gedanken der Lungengesundheit und die Möglichkeiten der Früherkennung in die Bevölkerung zu tragen. Es muss ein Bewusstsein geschaffen werden, z. B. ab einem Alter von 45 regelmäßig auch die Lungenfunktion überprüfen zu lassen.

Neben der Information der Bevölkerung gilt es, gleichermaßen auch die niedergelassenen Ärzte für die Thematik zu sensibilisieren, so dass eine routinemäßige Lungenfunktionsprüfung selbstverständlicher wird. In der Vorsorgeuntersuchung „Check 35“, die alle zwei Jahre als Kassenleistung in Anspruch genommen werden kann, ist bereits eine Basis-Lungenfunktionstestung enthalten. Doch diese Vorsorgemaßnahme wird noch zu wenig genutzt.

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Andere Länder, wie z. B. die USA, zeigen uns, dass der konzertierte, also der aufeinander abgestimmte, Weg der Information an alle Beteiligten – sei es Patienten, Patienten- Organisationen, die Öffentlichkeit, Ärzte, Fachexperten, wie auch Entscheidungsträger in der Politik – letztendlich dazu führt, dass Früherkennungsmaßnahmen eingefordert werden und diese dann auch implementiert werden.

Ich denke, wir sind durchaus auf einem guten Weg, doch die tatsächliche Realisierung benötigt einfach noch Zeit.

Die Lungenfibrose bildete das dritte Schwerpunktthema. Lungenfibrosen zählen zu den seltener vorkommenden Erkrankungen, zudem ist die häufigste Form der Fibrose, die idiopathische Lungenfibrose, unbekannter Herkunft. Ein Krankheitsbild, das in der Bevölkerung wenig bekannt ist und auch in der Ärzteschaft mehr Aufmerksamkeit bedarf, um eine frühzeitige Diagnostik zu ermöglichen.

Welche Entwicklungen sind bei der Lungenfibrose zu verzeichnen?

Seltene Erkrankungen führen fast immer ein Schattendasein, obwohl sie teilweise dramatisch schwerwiegende Verläufe aufweisen. Die idiopathische Lungenfibrose hat gleich in mehrfacher Hinsicht unsere Aufmerksamkeit geweckt. Weltweit gilt der September als der Monat der idiopathischen Lungenfibrose. Patienten-Organisationen nutzen diese Zeit, um mit Veranstaltungen auf die IPF aufmerksam zu machen.

Zudem nimmt die Häufigkeit der Erkrankung zu. Positiv zu verzeichnen ist die Zulassung des ersten Medikamentes, der Substanz Pirfenidon, Ende letzten Jahres. Eine zweite Substanz wird voraussichtlich im nächsten Jahr zugelassen werden. Ein perfekter Zeitpunkt also, um mit dem Kongress auf die Entwicklungen zur idiopathischen Lungenfibrose hinzuweisen.

Unser Ziel bei der Entwicklung der Schwerpunktthemen des Kongresses waren folgende Aspekte:

Wir wollten zum einen auf die Risikofaktoren für Lungenerkrankungen aufmerksam machen – dies wurde durch Themen rund um das Motto „Gesunde Luft zum Atmen“ umgesetzt.

Und zum anderen war uns wichtig, das breite Spektrum der vorhandenen Lungenerkrankungen aufzuzeigen. Als einen Vertreter der großen Volkskrankheiten haben wir daher die COPD ausgewählt und für die seltenen Erkrankungen die Lungenfibrose.

Die positive Resonanz während der Tagung hat uns in der Auswahl der Themen bestätigt.


Herausgeber der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge:
Offene Akademie und PatientenBibliothek gemeinnützige GmbH
Unterer Schrannenplatz 5
88131 Lindau
www.patienten-bibliothek.de
info@patienten-bibliothek.de

Bildnachweis:
Ljupco Smokovski – Fotolia.com
Helmholtz Zentrum München

Interview/Text:
Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek

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