Nase voll?

Mögliche Erkrankungen der oberen Atemwege

In der Herbstausgabe 2020 haben wir eine Themenserie mit Dr. Uso Walter begonnen, die sich mit den oberen Atemwegen befasst. Das Atemwegsystem – also der Weg, den der Atem im Körper nimmt – wird in die oberen und unteren Luftwege unterteilt. Das Fachgebiet des Hals-Nasen-Ohren-Arztes befasst sich mit den oberen Wegen: der Nase, den Nasennebenhöhlen und dem Rachenraum. Ein Lungenfacharzt behandelt insbesondere die unteren Atemwege: Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien und die Lunge selbst.

Teil 1 befasste sich mit der Pflege und Hygiene des Rachenraumes und der Nasenschleimhaut. Sie können den Beitrag nachlesen auf www.Patienten-Bibliothek.de oder www.Patienten-Bibliothek.org.

Die Schleimhaut als Front

Beim Atmen strömt die Luft durch die oberen Atemwege in die Lunge, wo Sauerstoff aufgenommen und Kohlendioxid ausgeschieden wird. Die Luft wird dabei vor allem in der Nase erwärmt, befeuchtet und gereinigt. Aber mit der Luft gelangen auch fremde Partikel, Pollen und die verschiedensten Erreger in den Körper und können krankmachende Reaktionen im Bereich der oberen Atemwege auslösen. Vor allem drei Gruppen von Erkrankungen kann man dabei unterscheiden:

1. Entzündungen

Viren, Bakterien und Pilze gibt es nicht nur im Darm, sondern auch im Bereich der oberen Atemwege. Hier leben sie normalerweise friedlich im Gleichgewicht mit unserem Immunsystem und verursachen keine Probleme. Bei einer Schwächung der Schleimhaut, z. B. durch feuchte Kälte oder Stress, aber auch bei einer Ansteckung, kommt es zu einer plötzlichen Vermehrung von Erregern und der Körper reagiert mit einer Abwehrreaktion.

Fieber, Rötung, Schnupfen und Husten sind die Folge. Auf diese Weise versuchen die Schleimhaut und die immunkompetenten Zellen, die ungebetenen Eindringlinge zu eliminieren und ein neues Gleichgewicht herzustellen. Was sich so unangenehm anfühlt, ist also eigentlich Ausdruck eines gut funktionierenden Abwehrsystems. Damit die Infekte sich nicht festsetzen oder Komplikationen wie eine Lungenentzündung oder einen Abszess verursachen, kann man diese Abwehrarbeit unterstützen.

Befeuchtungsmaßnahmen wir Salzwassersprays und reichlich Flüssigkeitszufuhr, pflanzliche Schleimlöser und desinfizierende Gurgellösungen helfen, den Krankheitsverlauf abzumildern und die Symptome zu lindern. Antibiotika sind dagegen nur ganz selten erforderlich, da diese nur gegen Bakterien wirksam, die meisten Erkältungskrankheiten aber viral bedingt sind.

Auch ein Arztbesuch ist bei einem banalen Infekt meist nicht erforderlich. Hausmittel reichen da vollkommen aus. Um die Krankheit auszukurieren und seine Mitmenschen nicht zu gefährden, kann eine Krankschreibung allerdings sinnvoll sein.

Hohes Fieber, starke Allgemeinsymptome und trockener Reizhusten können allerdings für eine echte Grippe oder eine COVID-19-Infektion sprechen und erfordern die Abklärung beim Arzt.

Für einen bakteriellen Infekt sprechen starke Schmerzen, Fieber und Schwellungen. Auch hier ist ein Arztbesuch angezeigt. Lymphknotenschwellungen am Hals sind dagegen eher unspezifisch und auch eine grüne oder gelbe Verfärbung des Schleims spricht nicht unbedingt für Bakterien.

Chronisch kann eine Entzündung werden, wenn der Körper es nicht schafft, die pathologischen Eindringlinge zu eliminieren. Vor allem in den Nasennebenhöhlen und den Mandeln kann das zu immer wieder aufflackernden akuten Infekten und dauerhaften Beschwerden führen. In diesen Fällen können auch operative Maßnahmen helfen, die Entzündungsherde wieder in den Griff zu bekommen.

2. Allergien

Fast jedes zweite Kind leidet heute bereits unter Allergien, also einer überschießenden Reaktion des Immunsystems gegen an sich harmlose Stoffe, wie Gräser- oder Baumpollen, Hausstaubmilben oder Schimmelpilze. Das macht sich dann in Nießattacken, tränenden Augen oder in einer verstopften, zugeschwollenen Nase bemerkbar und kann die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen. Im schlimmsten Fall findet ein Etagenwechsel statt und die Allergie mündet in ein allergisches Asthma.

Verantwortlich für die allergischen Reaktionen sind neben genetischen Faktoren auch Umwelteinflüsse, wobei paradoxerweise wohl vor allem die verbesserten hygienischen Lebensbedingungen der letzten Jahrzehnte den Anstieg der Allergien maßgeblich mit verursacht haben.

Therapeutisch steht die Vermeidung des Allergens an erster Stelle. Das ist bei Milben durch spezielle Bettbezüge noch relativ leicht umzusetzen, bei Gräser- oder Baumpollen aber kaum möglich.

Das zweite Behandlungsprinzip sind symptomatisch wirksame Medikamente, die die Ausschüttung von Histamin verhindern oder seine Wirkung an der Schleimhaut blockieren. Histamin ist ein körpereigener Botenstoff, der bei allergischen Reaktionen vermehrt freigesetzt wird und für die meisten unangenehmen Symptome verantwortlich ist. Nachteil: viele Antihistaminika machen müde, so dass man sie nicht beliebig hoch dosieren kann. Steht eher die Nasenschwellung im Vordergrund, helfen in der Regel kortisonhaltige Nasensprays, deren Wirkstoff nicht im Blut aufgenommen wird und die deshalb auch über längere Zeit verabreicht werden können.

Als einzige ursächliche Behandlung gilt die spezifische Immuntherapie (SIT). Bei ihr werden den Betroffenen genau die Antigene, gegen die sie allergisch sind, unter die Haut gespritzt oder unter die Zunge getropft. Dadurch lernt der Körper nach und nach, nicht mehr überzureagieren. Ähnlich wie bei anderen Lernprozessen dauert das aber seine Zeit. Empfohlen wird eine dreijährige Therapie, die von den Krankenkassen erstattet wird.

Neben Allergien der oberen Atemwege gibt es auch Nahrungsmittel- und Medikamentenallergien sowie Kontaktallergien gegen Kosmetika oder Waschmittel, die sich aber eher im Verdauungstrakt oder an der Haut zeigen.

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Eine Nasenspiegelung ermöglicht die Untersuchung und eine Gewebeentnahme in der inneren Nase und den Nasengängen

3. Klimatische Einflüsse

Nicht nur Keime und allergische Reaktionen setzen der Schleimhaut der oberen Atemwege zu, sondern auch klimatische Faktoren. Vor allem Trockenheit durch Heizungsluft, Klimaanlagen oder die immer heißer werdenden Sommer führen zu Problemen. Der Schleim dickt ein und behindert die Nasenatmung und das Schlucken. Räusperzwang, Kloßgefühle und eine behinderte Nasenatmung können die Folge sein.

Feinstaub und Partikel in der Luft belasten die Schleimhäute ebenfalls, vor allem in Ballungs- und Industriegebieten. Das empfindliche Flimmerepithel (eine Schicht aus beweglichen „Härchen“, die den größten Teil der Atemwege auskleidet und für den Abtransport von Schadstoffen jeglicher Art sorgt) kommt dann mit dem Abtransport der kleinen und kleinsten Fremdkörper nicht mehr hinterher und es kann zu einer Immunreaktion bis hin zu chronischen Entzündungen kommen.

Reine, gut befeuchtete Luft ist hier das beste Gegenmittel und viele Patienten, die unter den Symptomen einer solchen klimatisch überlasteten Schleimhaut leiden, fühlen sich im Urlaub am Meer plötzlich beschwerdefrei. Die Verbesserung des Raumklimas ist hier neben regelmäßigen Befeuchtungs- und Reinigungsmaßnahmen, z. B. durch Meersalzsprays, ein probates Gegenmittel.

Fazit

Die Schleimhaut der oberen Atemwege steht täglich im Kreuzfeuer aller möglichen Reize und Belastungen und erfüllt, in der Regel unbemerkt, ihre schwere Aufgabe. Hierfür ist sie von der Evolution bestens ausgestattet. Kommt es trotzdem zu einer Invasion von Keimen, einer allergischen Überreaktion oder einer klimatischen Überlastung, kann sich das allerdings sehr unangenehm auswirken und im schlimmsten Fall sogar krank machen.

In diesen Fällen ist der HNO-Facharzt der richtige Ansprechpartner, da er mit seinen Optiken und Ultraschall Licht ins Dunkel der oberen Atemwege bringen und auf der Basis seiner fachärztlichen Diagnose die richtige Behandlung einleiten kann.  


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Dr. Uso Walter
Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Gemeinschaftspraxis Duisburg
www.hno-praxis-duisburg.de
Vorsitzender HNOnet NRW
www.hnonet.de


Bildnachweis:
Dr. Uso Walter
AdobeStock – Edler von Rabenstein
HNOnet NRW – www.hnonet.de

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Der Beitrag wurde in der Winterausgabe 2020 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.


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