Kolumne: …als Arzt und Patient

Mund-Nasen-Schutz

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Dr. Michael Barczok, Ulm

Als Pneumologe stehe ich im Brennpunkt des aktuellen Pandemiegeschehens, gleichzeitig gelte ich auch als Risikoperson, schon allein aufgrund meines Alters (66 Jahre) und diverser Vorerkrankungen.

Seit März 2020 trifft also die Ausbreitung der Sars-CoVid-19 Pandemie mein privates Leben ebenso wie meine berufliche Tätigkeit.

In meinem heutigen Beitrag möchte ich mich vor allem mit dem Thema Maske beschäftigen, nachdem gerade (Ende Mai 2020) überall, mal schneller, mal langsamer über Lockerungen der umfangreichen Lock-down-Maßnahmen in den Monaten März bis Mai 2020 nachgedacht wird. Die Maske soll dabei das „Zuhausebleiben“ ersetzen, ein jeder von uns soll sich frei bewegen können, dabei die heimische Haustür sozusagen durch eine Maske ersetzen.

Einige Menschen aber erleben die Maske als einengend und unangenehm. In der Praxis häufen sich gerade die Anfragen, „bin ich ein Risikopatient, soll ich im Homeoffice bleiben, sollen meine Kinder nicht in die Schule oder in den Kindergarten gehen“ etc., einerseits und andererseits: „Ich bin doch Atemwegspatient, ich kann mit einer Maske nicht atmen, bitte schicken Sie mir ein Attest, dass ich keine Maske tragen muss!“

Warum überhaupt…?

Zunächst einmal stellt sich dabei die Frage, warum brauchen wir überhaupt Masken, vor allen Dingen warum brauchen wir einen Mund-Nasen-Schutz, der Schleimtröpfchen beim Träger selbst zurückhalten soll, dabei aber in der Luft schwebende Aerosoltröpfchen anderer aber nicht zuverlässig herausfiltern, mich also nur bedingt schützen kann.

Nun ganz einfach:

Solange wir alle zuhause geblieben sind, war das Risiko einer Infektion sehr gering, Kontakte mit Dritten waren ja extrem reduziert. Genau das wird aber jetzt verlassen, wir bewegen uns immer freier in allen möglichen Lokalitäten. Deshalb müssen wir den häuslichen Schutz in Zukunft in Form einer Maske mit uns nehmen. Daran wird sich meines Erachtens auch nichts ändern, bevor nicht ein wirklich wirksames Medikament gefunden oder aber eine Impfung weltweit verfügbar ist, beides ist im Moment nicht absehbar. Ja, die Zahl der positiv getesteten Menschen ist deutlich zurückgegangen, trotzdem sterben weltweit noch immer Tausende an diesem Virus. Wer das nicht glauben will, muss nur nach Amerika oder Brasilien schauen, auch in Staaten, die sich bereits auf der sicheren Seite wähnten, steigen erneut die Erkrankungszahlen.

Was hat sich geändert?

Nichts hat sich geändert! Noch immer schlägt der Virus wahllos zu, noch immer ist er für Problemgruppen besonders gefährlich, vieles spricht dafür, dass spätestens im Herbst das Infektgeschehen wieder erheblich zunehmen wird. Es sagt auch nicht viel aus, ob über mehrere Tage oder Wochen hinweg in einem Landkreis keine neuen Infektionen erfasst werden. Wir testen ja nur Menschen, die relevante Krankheitssymptome entwickeln, wissen aber, dass die Dunkelrate dabei sehr hoch ist. Null Infizierte heißt deshalb nicht, dass der Virus in diesem Landkreis ausgemerzt worden ist. Er ist weiter vorhanden, wird unbemerkt weitergegeben und kann überall erneut zuschlagen.

Zwei Ereignisse Ende Mai illustrieren für mich die Gefahr, die damit verbunden ist. Auf einer Party in einem Gasthof infizierten sich an einem einzigen Abend 40 Gäste, eine Situation vergleichbar mit der in Ischgl oder Dangelt, wo in einer Bar bzw. anlässlich einer Karnevalsveranstaltung letztendlich hunderte, im Fall von Ischgl tausende Menschen infiziert wurden und die Pandemie sich weltweit ausbreiten konnte. Der Rückgang der Infektionen in der harten Phase der Quarantänebestimmungen hat uns Glauben gemacht, die Infektion sei tatsächlich unter Kontrolle. In Wirklichkeit ist sie in den Untergrund abgetaucht und kann jederzeit wieder losschlagen.

Hinzu kommt, dass die anfängliche Sorge eher einem allgemeinen Unmut Platz gemacht hat, sich weiter durch irgendwelche Regeln einschränken zu lassen.

Das ist das Dilemma, in dem wir uns zurzeit befinden und in dem ich als Lungenspezialist einerseits und als Risikopatient andererseits ganz persönlich einen möglichst rationalen und vernünftigen Ausweg finden muss.

Ich kann mich dabei gut in die Situation meiner Patienten hineinversetzen. Obwohl Risikopatient bin ich weiter als Lungenarzt tätig, meine Frau ist Atemtherapeutin und stundenweise in der Praxis aktiv. Wir haben zusammen zwei Kinder, der eine Sohn geht noch zur Schule, der andere hat gerade angefangen zu studieren. Beide haben einen großen Bekannten- und Freundeskreis und stehen mitten im Leben bzw. in einem sich wieder öffnenden Umfeld in Schule und Universität.

Wie gehe ich damit zuhause um?

Nun, zunächst einmal benutzen wir alle durchgehend als Familie konsequent und ohne Wenn und Aber Schutzmasken, zumindest einen gut sitzenden Mund-Nasen-Schutz, wenn wir uns in der Öffentlichkeit bewegen. Das verlange ich auch von Freundinnen und Freunden meiner Söhne, wenn Sie zu mir Kontakt haben.

Öffentlichkeit heißt im Übrigen nicht: freie Luft. Beim Spazierengehen, Radfahren, Wandern sollten Sie immer einen Mund-Nasen-Schutz in der Tasche haben und auch verwenden, wenn man Freunde trifft, in einem Biergarten Pause macht oder unterwegs eine Besorgung erledigt. Ansonsten kann man sich an der frischen Luft problemlos ohne Maske bewegen. Ich schließe mich hier der Meinung unserer zwei Spitzenvirologen in Deutschland, Professor Drosten und Professor Kekulé an, dass an der frischen Luft Infektionen so gut wie unmöglich sind. Auch Schmierinfektionen werden wahrscheinlich in ihrer Bedeutung überschätzt, gleichwohl ziehe ich mir zumindest in der Praxis und beim Einkaufen immer Einmalhandschuhe an.

Gehe ich zum Einkaufen, verwende ich persönlich als gut behandelte Risikoperson eine FFP2-Maske, also eine Maske, die mir eine relativ große Sicherheit gibt, dass ich, selbst wenn ich mit Viren in Kontakt käme, geschützt bin.

Vor diesem Hintergrund sollten auch Sie sich die Frage stellen: käme auch ich als Risikopatient vielleicht mit einer FFP 2-Maske zurecht und wenn nicht: Ist es wirklich sinnvoll, mit einem Mund-Nasen-Schutz zum Einkaufen oder zum Friseur zu gehen oder gar aufgrund meiner Atemwegserkrankung mich von der Maskenpflicht befreien zu lassen und ganz ohne Maske herumzulaufen?

Ganz ohne…?

Um es gleich vorneweg klar zu sagen: Sich ganz ohne Maske jetzt und auch in den kommenden Monaten in der Öffentlichkeit zu bewegen, ist sicherlich für niemand eine Lösung. Jedermann sollte zumindest einen Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit tragen, das kann man auch jedem zumuten. Selbst für Patienten, die eine schwere COPD haben oder Sauerstoff brauchen gilt, dass ein einfacher Mund-Nasen-Schutz so durchlässig ist, dass von allen Seiten genügend Luft einströmt, dass ich damit in einem Wartezimmer sitzen oder mich langsam bewegen kann.

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Für Atemwegspatienten, die als Risikopatienten gelten müssen, gilt darüber hinaus: Entweder man bleibt zuhause und kontrolliert sehr genau, wer alles die eigenen vier Wände betreten darf oder aber man verwendet möglichst eine FFP2-Maske.

Wenn jemand beispielsweise unter der Maske beengt fühlt und die Maske nicht brauchen kann, kann es schon einmal so sein, dass man sagen muss: „Nun gut, bevor Sie in Panik geraten, verwenden Sie die Maske nicht“, aber dann muss konsequent gelten: „dann bleiben Sie aber auch zuhause“. Gerade als Atemwegspatient sich ohne Maske in der Öffentlichkeit zu bewegen, ist widersinnig, unlogisch und gefährlich.

Vom allgemeinen Mund-Nasen-Schutz per Attest zu befreien, ist meines Erachtens nur möglich, wenn das durch andere Maßnahmen abgelöst wird.

Ein anderes Problem sind Patienten, die sich mit einem einfachen Mund-Nasen-Schutz unsicher fühlen und sagen, ich möchte eine FFP2-Maske tragen. FFP2- oder FFP3-Masken sind nun im Gegensatz zum einfachen Mund-Nasen-Schutz wirklich dicht. Es fällt daher mit diesen Masken schon deutlich schwerer, zu atmen, insbesondere wenn dies mit körperlicher Anstrengung verbunden ist. Meist ist dieser Effekt auch erst nach längerem Tragen einer Maske von Bedeutung, er kann aber für Atemwegspatienten mit einer fortgeschrittenen Lungenerkrankung doch wichtig sein.

Deshalb gilt als Grundregel: alle sollten bis auf weiteres einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Risikopatienten, zu denen auch Menschen mit einem schlecht eingestellten Asthma oder einer weit fortgeschrittenen COPD gehören, sollten gegebenenfalls nach Rücksprache mit ihrem Lungenarzt in unübersichtlichen Situationen versuchen, eine FFP 2-Maske zu tragen oder besser noch konsequent zu Hause bleiben und mit Kontakte nach außen zurückhaltend sein.


Autor: Dr. Michael Barczok

Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Sozial-, Schlaf- und Umweltmedizin, Ulm

Lungenzentrum Ulm, www.lungenzentrum-ulm.de

Blog www.lungenexperte.info

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Aktuell ist von Dr. Michael Barczok die überarbeitete Neuauflage des Buches „Luft nach oben“ erschienen.

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Die Kolumne wurde in der Sommerausgabe 2020 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

Herausgeber der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge:
Offene Akademie & Patienten-Bibliothek gGmbH, Lindau

Bildnachweise:
Dr. Michael Barczok, Ulm
titipong – AdobeStock

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