Immunsystem auf Trab bringen

Impfen – Antworten auf Ihre Fragen

Wenn der Sommer zu Ende geht, der Herbst naht, beginnt für viele Patienten mit chronisch obstruktiven (verengenden) Atemwegserkrankungen, wie z. B. Asthma und COPD, eine Phase mit vermehrten Infekten. Gerade Patienten mit fortgeschrittenen Erkrankungen fürchten, in dieser Phase in Turbulenzen zu geraten und machen sich Gedanken darüber, wie sie sich gegen Infekte schützen können.

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Sich zu Hause einzusperren, mindert die Gefahr leider kaum und hat den großen Nachteil, dass der Organismus eher noch anfälliger wird und Viren oder Bakterien auf umso geringeren Widerstand stoßen, je weniger der Organismus trainiert und gewappnet ist.

Immunsystem auf Trab bringen
Damit sind wir auch schon beim Thema impfen. Am meisten bringt es, sich jedes Jahr gegen Grippe impfen zu lassen. Die echte asiatische Grippe ist für jeden eine Gefahr, besonders aber für Menschen mit fortgeschrittener COPD. Wenn jemand schon mit einer erheblich vorgeschädigten Lunge lebt, dann kann für ihn eine Grippe der berühmte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen und den Patienten in akute Gefahr bringt.

Aber auch für einen gesunden Organismus können besonders aggressive Grippeerreger, wie sie in unregelmäßigen Abständen immer wieder zu beobachten sind, lebensgefährlich sein. Eine bedeutende Eskalation war die Spanische Grippe, die am Ende des Ersten Weltkriegs weltweit Millionen Opfer forderte. Es ist daher wichtig, dass man den Impfschutz nutzt, der Jahr für Jahr im Herbst angeboten wird und bei dem versucht wird, mögliche Grippeerreger der kommenden Monate vorwegzunehmen und den Körper dagegen zu wappnen.

Dabei machen sich die Impfspezialisten zu Nutze, dass Grippewellen meistens im asiatischen Raum ihren Ursprung haben und sich dann allmählich ausweiten, sodass die Analyse dabei zu beobachtender Grippestämme Rückschlüsse darauf zulässt, was Monate später in anderen Teilen der Welt an Grippeerregern zum Problem werden könnte. Allerdings gibt es dabei immer wieder Überraschungen, insbesondere kann es passieren, dass Grippeviren sich weiterentwickeln und so verändern, dass sie in der Impfung nicht mehr vollständig erfasst werden können.

Immer wieder kommt daher der Einwand, die Grippeimpfung verfehle häufig das Ziel und überhaupt sei man just nach der Impfung erst richtig krank geworden. Das ist insofern nicht ganz von der Hand zu weisen, als das Immunsystem durch die Impfung natürlich erst einmal aktiviert wird. Es kann zu grippeähnlichen Beschwerden kommen, die manchmal lästig sein können. Das spricht aber nicht wirklich dagegen, sich im Folgejahr wieder impfen zu lassen, im Gegenteil: Ein aktives Immunsystem ist schließlich das, was wir in der Auseinandersetzung mit der Umwelt benötigt.

Die Grippeimpfung hat den wichtigen Nebeneffekt, dass sie gewissermaßen das Immunsystem auf Trab bringt, die körpereigene Immunmaschinerie ölt und dafür sorgt, dass auch gegenüber anderen Erregern als nur dem Grippevirus eine schnellere und aktivere Abwehr möglich ist. Für Atemwegspatienten empfiehlt sich obendrein eine Impfung gegen Pneumokokken, eine der gefährlichsten Bakterienarten, die eine Lungenentzündung auslösen können.

Identifizierung in der „Verbrecherdatei“
Wie funktioniert nun eine Impfung eigentlich genau? Bei einer Impfung werden dem Immunsystem abgetötete oder stark abgeschwächte Krankheitserreger vor die Nase gehalten. In der Regel erfolgt dies in Form einer subkutanen (unter die Haut) oder intramuskulären (in den Muskel) Injektion. Das Abwehrsystem stürzt sich auf die Eindringlinge, versucht sie schnell zu identifizieren und abzutöten und aktualisiert bei dieser Gelegenheit die „Verbrecherdatei“, in der alle gefährlichen Bakterien und Viren aufgelistet sind, damit sie jederzeit schnell identifiziert und bekämpft werden können.

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Und genau darum geht es. Bakterien oder Viren, die in den Körper eindringen, versuchen so schnell wie möglich einen Brückenkopf zu bilden, sich festzusetzen und zu vermehren. Auf der anderen Seite beginnt der Körper, nachdem er die Feinde lokalisiert und identifiziert hat, Abwehrstoffe zu produzieren und die Eindringlinge so effektiv wie möglich an ihrer Vermehrung zu hindern. Es kommt also zu einem erbitterten Kampf zwischen Krankheitserregern und Abwehr, den die Seite gewinnt, die schneller und effektiver agieren kann.

Und da liegt das Problem. Ein geschwächter Organismus, geschädigte Organe mit schlechter Sauerstoffversorgung und zu wenig Nährstoffen kommen nicht schnell genug in Fahrt, brauchen länger, bis ausreichend Truppen bereitgestellt werden können und laufen damit Gefahr, den Wettlauf mit den Eindringlingen zu verlieren.

Sofortreaktion des Abwehrsystems
Die Impfung vergrößert die Chancen der Abwehr geradezu dramatisch. Bei der Impfung werden zwar auch Erreger präsentiert, das Abwehrsystem hat jetzt aber Zeit, sich in aller Ruhe mit dem Eindringling zu beschäftigen – der ja entweder schon tot oder zumindest massiv geschwächt ist. Der Körper bildet in großer Menge Abwehrstoffe, die er aber zu diesem Zeitpunkt gar nicht wirklich braucht, da keine gefährliche Infektion erfolgt ist.

Diese Abwehrstoffe werden daher beispielsweise in der Schleimhaut eingelagert. Es werden sozusagen Depots angelegt, in denen Abwehrwaffen in großer Zahl und hervorragender Qualität bereitliegen und sofort zur Verfügung stehen, wenn es doch zu einer echten Infektion kommt. Der Körper ist nun in einer ganz anderen Position. Er steht zu diesem Zeitpunkt noch relativ wenigen Eindringlingen gegenüber und kann aus dem Stand heraus sofort den Angriff erwidern und die Erreger nieder kämpfen. Im besten Fall kommt es dann gar nicht erst zu einer voll ausgebildeten Infektion, sondern der Angriff wird abgewehrt, weil ein entschlossener Widerstand sofort möglich war.

Darin besteht das Wesen der Impfung und deswegen sind Impfungen überall dort extrem sinnvoll und segensreich, wo es auf diese Sofortreaktion des Abwehrsystems ankommt.

Leider stehen Impfungen fast ausschließlich nur für Infektionen durch Viren zur Verfügung, es gibt nur wenige Ausnahmen, was Bakterien anbetrifft. Eine sehr wichtige ist die bereits erwähnte Pneumokokkenimpfung, die sehr zuverlässig und effektiv gegen den wichtigsten Erreger eine Lungenentzündung gerade bei älteren Menschen und vorgeschädigten Lungen wirksam ist. Sie wird daher generell auch für Atemwegspatienten empfohlen, ganz besonders aber für ältere Patienten ab dem 50. Lebensjahr, da hier die Gefahr einer Infektion deutlich zunimmt. Beide Impfungen – Influenza und Pneumokokken – werden sowohl für Patienten mit COPD als auch für Asthmatiker empfohlen.

Sich selbst, aber auch andere schützen!
Ganz unabhängig davon, dass jeder Einzelne durch eine Impfung zunächst sich selbst individuell schützen kann, leistet er damit weiterhin auch einen Beitrag zum Schutz seiner Mitmenschen. Je mehr Menschen geimpft sind, desto geringer ist die Gefahr einer flächenhaften Ausbreitung von Krankheitserregern und damit die Gefährdung Dritter, die beispielsweise aus übergeordneten Gründen nicht geimpft werden konnten. Gerade in Altenheimen, Krankenhäusern oder anderen sozialen Einrichtungen ist daher ein möglichst umfassender Impfschutz aller Beteiligten von hoher Bedeutung.

Wenn wir schon beim Thema Impfen sind, dann sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass es auch eine ganze Reihe weiterer Impfungen gibt, die sinnvoll und wichtig sind, wie beispielsweise die Impfung gegen Tetanus (Wundstarrkrampf) oder auch Herpes Zoster (Gürtelrose).

Herpes Zoster wird ebenfalls durch Viren übertragen und kann sehr gut und zuverlässig durch eine Impfung verhindert werden. Wenn man bedenkt, dass in Deutschland mehr als 300.000 Personen jährlich an Herpes erkranken und auch hier besonders Menschen jenseits des 50. Lebensjahres betroffen sind, ist gut nachvollziehbar, dass die Ständige Impfkommission (STIKO, www.impfen-info.de) auch diese Impfung flächendeckend empfiehlt. Patienten mit rheumatoider Arthritis, chronischer Nierenerkrankung, chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung oder Diabetes mellitus stehen hier besonders im Fokus.

Gürtelrose-Impfung nun Kassenleistung
Zum 01. Mai 2019 ist die Herpes-Zoster Schutzimpfung in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) aufgenommen worden.

Für alle Personen ab 60 Jahren sowie Personen ab 50 Jahren mit einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung, wie z. B. bei COPD, wird der Totenimpfstoff Shingrix von den Kassen erstattet. Der zweite in Deutschland zur Verfügung stehende Impfstoff, der Lebensimpfstoff Zostavax, wird hingegen nicht erstattet.  

Weitere Informationen siehe www.rki.de – Robert Koch Institut.

…um den kalten, nebeligen Tagen entspannt entgegenzusehen
Nutzen Sie die verbleibenden Wochen, um Ihr Abwehrsystem auf Vordermann zu bringen, sei es durch körperliches Training, durch gesunde und vitaminreiche Ernährung, Verzicht auf Umweltgifte oder eben eine rechtzeitige Impfung, um ihre Abwehrmaschinerie richtig „durchzuölen“, Abwehrdepots anzulegen und dann entspannt auch kalten und nebeligen Tagen entgegenzusehen.


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Autor: Dr. Michael Barczok
Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Sozial-, Schlaf- und Umweltmedizin
www.lungenexperte.info
Lungenzentrum Ulm

Bildnachweis:
ulrich, Dr. N. Lang – Fotolia.com
Dr. Michael Barczok


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Der Beitrag wurde in der Herbstausgabe 2019 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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