Gesundheits-Apps

Gesundheits-Apps auf Rezept – Kommentare und Erfahrungen

Verschreibungsmöglichkeit von Apps
Ärzte sollen ihren Patienten ab dem kommenden Jahr nicht nur Medikamente und Heilmittel, sondern auch Gesundheits-Apps verschreiben dürfen.

Ärzte können künftig digitale Anwendungen, wie Tagebücher für Diabetiker oder Apps für Menschen mit Bluthochdruck, verschreiben. Damit Patienten Apps schnell nutzen können, wird für die Hersteller ein zügiger Zulassungsweg geschaffen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft in einer ersten Stufe Sicherheit, Funktion, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit der Produkte. Sie werden dann ein Jahr lang von der Krankenkasse erstattet. In dieser Zeit muss der Hersteller nachweisen, dass die App die Versorgung verbessert.

Digitale-Versorgung-Gesetz
Am 10. Juli 2019 hat das Bundeskabinett dem Entwurf des „Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) des Bundesgesundheitsministeriums zugestimmt. Der Bundesrat muss dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Am 01.01.2020 soll das Gesetz in Kraft treten.

Insgesamt umfasst der Gesetzentwurf allerdings weit mehr als nur die Verordnungsmöglichkeit von Apps. Das gesamte Gesundheitssystem soll in den kommenden Jahren auf eine verpflichtende, per Gesetz definierte Weise, an die Dynamik der digitalen Transformation angepasst werden. Weitere Inhalte des Entwurfs sind u.a.

  • Die Verpflichtung für Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser, sich bis Ende 2020 der Telematikinfrastruktur (TI) – einem sektoren- und systemübergreifenden Austausch von Informationen über die gematik mbh, www.gematik.de – anzuschließen.
  • Förderung von ärztlichen Online-Sprechstunden per Video.

Den kompletten 90-seitigen Entwurf finden Sie auf

www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/D/Digitale-Versorgung-Gesetz_DVG_Kabinett.pdf

Vorgesehene Regelungen zur Einführung der elektronischen Patientenakte innerhalb des Entwurfs wurden nach einem Veto des Justizministeriums wieder entfernt. Die elektronische Patientenakte wird nun in einem späteren separaten Gesetzentwurf angegangen und spätestens im Jahr 2021 Realität werden. 

Quelle: Bundesgesundheitsministerium, 10. Juli 2019 – www.bundesgesundheitsministerium.de


„Mach mich gesund, Siri*!“

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Kommentar von Dr. Justus de Zeeuw
Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Schlafmedizin MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum), Köln

Auf eHealth bin ich wirklich neugierig! Doch ist wirklich alles Gold, was glänzt? Technikgläubigkeit kann dazu verleiten, komplexe digitale Infrastrukturen zu etablieren – und einfache Lösungen aus den Augen zu verlieren.

*Siri ist eine Software von Apple, die der Erkennung und Verarbeitung von natürlich gesprochener Sprache dient und so Funktionen eines persönlichen Assistenten erfüllen soll.

…besser mit unseren Patienten kommunizieren?

Neulich wurde mir ein kleines Kästchen vorgestellt, das uns helfen soll, besser mit unseren Patienten zu kommunizieren. Es handelte sich um einen sogenannten Hub, der sich mit dem Smartphone verbindet und so den Austausch von Dateien zwischen Patientenhandy und Praxiscomputer ermöglicht. Damit könne man ganz einfach medizinische Unterlagen zwischen Patient und Arzt austauschen. „Das machen wir doch schon lange, was ist denn daran neu“? fragte ich die Vertreterin, die mir dieses Kästchen vermieten wollte. „Oh, sie haben schon so ein System“? – „Nein. Wir nehmen Befunde in Papierform, legen sie auf den Scanner sie landen direkt in der Patientenakte“. Mir wurde schnell erläutert, dass Papier nicht mehr zeitgemäß sei, man innovativ sein müsse und die digitale Revolution nicht aufzuhalten sei. Ich war tatsächlich anderer Meinung.

Aktuell verfahren wir folgendermaßen, wenn jemand Befunde und Berichte mitbringt: Mir wird eine Mappe mit medizinischen Unterlagen übergeben. Ich blättere diese durch, entnehme, was ich brauche und wir besprechen die Befunde. Anschließend werden die Dokumente gescannt und wieder in die Mappe gelegt. Wie würde das digital ablaufen? Ich bekäme ein Smartphone in die Hand gedrückt – oh, es muss nochmal entsperrt werden – danke. Dann kann ich durch briefmarkengroße Bilder der Befunde und Briefe blättern. Da hat sich einiges angesammelt in den letzten Jahren, denn die Möglichkeit der digitalen Speicherung bedeutet auch, dass man unendlich Platz hat und es keine Notwendigkeit gibt, unnütze Informationen zu verwerfen. Ich klicke auf die Icons, die mir interessant erscheinen. Dann kann ich die entsprechende Seite auf dem Bildschirm des Smartphones anschauen und entscheiden, ob ich die diese benötige. Habe ich alles durchgesehen, gebe ich das Smartphone zurück: „Die Daten kann ich leider nicht in unser System übertragen. Wir haben eine andere Software, die sind nicht kompatibel“. Natürlich könnten wir auch 7 Hubs in der Praxis installieren, um alle Softwareanbieter zu berücksichtigen – oder wir lassen es ganz bleiben und verwenden stattdessen weiterhin die bewährte Papierform.

Nun, die Vertreterin der Firma gab sich redlich Mühe, mich von den Vorteilen der digitalen Patientenakte zu überzeugen. Und ich gab zu, dass meine Ausführungen dazu bewusst spitzfindig gewesen sein mögen. Doch als wir dann übereinkamen, dass ich das Kästchen ja mal ausprobieren könne, traute ich meinen Augen nicht: Sie zog eine Mappe aus ihrer Aktentasche, in der die für die Vermietung notwendigen Unterlagen fein säuberlich abgelegt waren – sortiert nach Produktinformationen, Verträgen und Anleitungen. Kein pdf-Dokument auf dem Tablet-PC, keine digitale Unterschrift, keine Übertragung via e-mail. Da staunte ich nicht schlecht: Obwohl sie doch so überzeugt war von der digitalen Infrastruktur nutzte sie nun genau jene Methode des Austausches von Unterlagen, die sie mir zuvor als antiquiert, fehleranfällig und zeitraubend hatte ausreden wollen. Darauf angesprochen ergriff sie ihre Mappe, stand auf und verkündete, sie ließe sich hier nicht verarschen. Ehrlich gesagt hatte ich das Gefühl, dass es umgekehrt war.

In der Vielfalt gilt es, die Spreu vom Weizen zu trennen

Grundsätzlich sehe ich viele positive Entwicklungen auf dem Gebiet der IT-gestützten Gesundheitsapplikationen. Es begann mit digitalen Patiententagebüchern – zugegebenermaßen eine ähnliche Konstellation wie zuvor beschrieben: Digital anstatt auf Papier, ansonsten Geschmackssache. Die Kommunikation mit der Krankenkasse wird erleichtert: Dokumente mit dem Smartphone fotografieren und online übermitteln – das klappt gut und spart Porto und Zeit. Online Wissensdatenbanken und Schulungsprogramme – immer aktuell und überall abrufbar. Telemedizinisch schon lange etabliert: Die Kontrolle der Wundheilung mittels Videoübertragung von zu Hause zum Arzt.

Richtig interessant wird es allerdings dann, wenn die App interaktiv ist: Erinnerung an die Medikamenteneinnahme, Ermunterung zur körperlichen Aktivität, Motivation zur Rauchfreiheit – allesamt Funktionen, die das Leben wirklich erleichtern und die Gesundheit positiv beeinflussen können.

Beeindruck bin ich vor allem von den Möglichkeiten, die sich zukünftig auftun und die bereits heute schon Wirklichkeit sind: Die Armbanduhr erkennt Stürze und veranlasst selbstständig einen Notruf, wenn der Träger nicht reagiert. Das EKG am Handgelenk hilft, Herzrhythmusstörungen zu erkennen.

In der Vielfalt der eHealth Angebote gilt es, die Spreu vom Weizen zu trennen. Ärztlich begleitete Online-Portale wie TheraKey oder PneumoDigital, der App-Check der Atemwegsliga sind dabei eine große Hilfe.


Hinweis: Weitere Kommentare von Patientenseite und die Vorstellung einer Möglichkeit, wie Sie sich persönlich in das Bewertungsverfahren bei PneumoDigital einmischen können, erfahren Sie in der morgigen Veröffentlichung (24. Juli 2020)


Text:
Kommentar Dr. Justus de Zeeuw, Köln
Redaktion Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek

Bildnachweis:
Dr. Justus de Zeeuw, Köln
elenabsl – Fotolia.com


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Der Beitrag wurde in der Herbstausgabe 2019 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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