COPD und Begleiterkrankungen

eine häufig anzutreffende Konstellation

S-2 COPD und Begleiterkrankungen

Report vom gleichnamigen Vortrag von Professor Dr. Kurt Rasche, Wuppertal anlässlich des 7. Symposium Lunge in Hattingen und in Anlehnung an den gleichnamigen Ratgeber


Begleiterkrankungen werden auch als Komorbidität – aus dem Englischen comorbidity – bezeichnet. Liegt neben einer Grunderkrankung – in diesem Fall also der COPD (chronisch obstruktive Bronchitis) – eine oder mehrere zusätzliche Erkrankungen vor, die diagnostisch als eigenständige Krankheit abgrenzbar sind, so werden sie als Begleiterkrankung bezeichnet.

Begleiterkrankungen können eine Folgeerkrankung der Grunderkrankung sein, müssen aber nicht. Zum Beispiel kann die Augenerkrankung Grauer Star genauso eine Begleiterkrankung einer COPD sein, wie eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, die möglicherweise auch eine Folgeerkrankung der COPD ist.

Diese Definition macht klar, dass es ein breites Spektrum an Begleiterkrankungen geben kann, zumal von einer COPD häufig ältere Menschen betroffen sind. Ab einem gewissen Alter sind verschiedene chronische Erkrankungen wie z. B. Bluthochdruck oder Diabetes auch bei nicht von COPD betroffenen Patienten häufiger zu beobachten. Schätzungen zufolge leidet jeder zweite Mensch, der älter als 65 Jahre ist, an mindestens drei Erkrankungen.

Nicht immer einfach ist die Einordnung zusätzlicher Symptome und Befunde hinsichtlich der jeweiligen Erkrankung bzw. Erkrankungen. So kann z.B. Atemnot unter Belastung sowohl auf eine Koronare Herzerkrankung als auch auf eine COPD hinweisen.

Im Nachfolgenden werden die möglichen Zusammenhänge von COPD und Begleiterkrankungen aufgezeigt und die Erkrankungen erläutert, die häufiger als bei anderen älteren Menschen diagnostiziert werden.

COPD – eine Systemerkrankung
COPD ist in erster Linie eine Erkrankung der Lunge. COPD ist jedoch auch eine Systemerkrankung, d.h. die Erkrankung hat Auswirkungen auf das ganze System der Atmung und somit auf den gesamten Körper.

Verständlich wird dies anhand der Funktion des Stoffwechsels und des Kreislaufs des Sauerstoffs im Körper. Die Aufnahme von Sauerstoff, wie auch die Aufnahme von Nahrung, sind Grundvoraussetzung dafür, dass unser Körper, unsere Organe und somit jede einzelne Zelle des Körpers ausreichend mit Energie versorgt ist, um funktionieren zu können. Sowohl Sauerstoff wie auch Nahrung kurbeln Stoffwechselvorgänge an und stellen quasi die Energie dar, die wir zur „Befeuerung“ unserer Zellen und somit unseres Stoffwechsels benötigen.

Wird Atemluft eingeatmet, gelangt dabei der darin enthaltene Sauerstoff durch die Lungenbläschen ins Blut. Das Herz sorgt dafür, dass der Sauerstoff an seinen Bestimmungsort transportiert wird. Es schlägt und hält so das Blut in Bewegung.
Sauerstoff wird bei jeder Oxidation bzw. „Verbrennung“ von Nahrungsbestandteilen wie Zucker, Fett und Proteinen in unseren Körperzellen benötigt.

Voraussetzung für das Funktionieren des Stoffwechsels und damit jeder unserer Körperzellen, sei es den Zellen in Organen, Geweben oder Muskeln, sind also eine kontinuierliche und ausreichende Versorgung mit Sauerstoff und ebenso die Entsorgung des bei der „Verbrennung“ entstehenden Abfallproduktes Kohlendioxid.

S-2 COPD und Begleiterkrankungen
COPD ist eine Erkrankung, die nicht nur die Lunge betrifft


Mögliche Ursachen – gegenseitige Beeinflussung
Die Erläuterungen, warum COPD eine Systemerkrankung ist, zeigen grundsätzlich auf, welche Bedeutung die Sauerstoffaufnahme und die Kohlendioxidabgabe für die Funktion unseres gesamten Körpers haben und dass bei einer Störung des „Atmungssystems“ eine Auslösung anderer Erkrankungen möglich sein kann.

Welche Verbindungen oder Verknüpfungen zwischen der COPD und den verschiedenen Begleiterkrankungen bestehen, ist bisher nicht geklärt. Studien befassen sich seit einigen Jahren mit der Thematik und suchen nach Antworten.

Eine Reihe von Faktoren kann die Entstehung von Begleiterkrankungen fördern:

  • COPD-Entzündung als „Systemerkrankung“
    Die bei einer COPD vorliegende chronische Entzündung bleibt vermutlich nicht auf das Organ Lunge beschränkt, sondern „läuft über“ und begünstigt auch die Entstehung anderer Erkrankungen.
  • Inhalatives Zigarettenrauchen: gemeinsamer Risikofaktor!
    Das jahrzehntelange Rauchen ist nicht nur der Hauptauslöser für COPD sondern fördert ebenso die Entstehung weiterer Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, häufigere Infekte, bösartige Lungentumore.
  • Folgeerkrankungen der Krankheitserscheinungen der COPD:
Luftnot► Bewegungsmangel► Herz-Kreislauf-Erkrankungen
► Muskel- und Knochenabbau
► Zunahme des Körpergewichts
► Nahrungsaufnahme► Abnahme des Körpergewichts
► psychische Belastung► soziale Isolation
► Angst / Depression
Husten► Weckreaktionen im Schlaf► Schlafstörungen
► Druckerhöhungen im Bauchraum► Harninkontinenz
  • Mögliche Nebenwirkungen der COPD-Medikamente:
Anticholinergika► Herzrhythmusstörungen
► Mundtrockenheit
► Verstopfung
β2-Symptomimetika► Herzrhytmusstörungen
► Unruhe, Zittern
Theophillin► Herzrhythmusstörungen
► Unruhe
► Magen-Darm-Beschwerden
Cortison► inhalativ► Heiserkeit
► Atemwegsinfekte
► systemisch (Tablette)► Osteoporose
► Hauterscheinungen
► Magen-Darm-Beschwerden


Die gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Erkrankungen ähnelt einer „Henne-Ei-Situation“, was die ungeklärte Frage: „Beeinflusst insbesondere die COPD die Begleiterkrankungen oder beeinflussen die Begleiterkrankungen die COPD?“ dokumentiert.

Vom Schweregrad der COPD scheint das Auftreten von Begleiterkrankungen nicht zwangsläufig in Abhängigkeit zu stehen. Begleiterkrankungen können in jedem Stadium der COPD auftreten.

Häufigkeiten
Fragen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, an einer Begleiterkrankung zu erkranken bzw. wie häufig die einzelnen Begleiterkrankungen auftreten, können nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht eindeutig beantwortet werden und sind zudem sehr individuell mit der Situation des Patienten verbunden.

Da Lunge und Herz unmittelbar über den kleinen Blutkreislauf, auch Lungekreislauf genannt, miteinander verbunden sind, werden Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang mit COPD oft diagnostiziert. Bluthochdruck (Hypertonie) gilt als häufigste Begleiterkrankung bei COPD, als zweithäufigste der Diabetes mellitus.

Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, Lungenkrebs, Osteoporose, Muskelschwäche und Kachexie (körperliche Auszehrung) zählen zu den gravierendsten Begleiterkrankungen der COPD.

Die nachfolgende Auflistung dokumentiert häufig vorkommende Begleiterkrankungen der COPD:

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

o Pulmonale Hypertonie
o Herzinsuffizienz
o Koronare Herzkrankheit

Metabolisches Syndrom

o Übergewicht
o Diabetes
o Hypertonie

Obstruktives Schlafapnoesyndrom

Infekte der Atmungsorgane

Störungen des Bewegungsapparates

o Verlust von Sklettmuskelmasse
o Kachexie (Verlust fettfreier Masse)
o Osteoporose

Normozytäre Anämie

Lungenkrebs

Harninkontinenz

Depression

S-2 COPD und Begleiterkrankungen
Alles hängt mit Allem zusammen…

S-2 COPD und Begleiterkrankungen

Hinweis: Nähere Erläuterungen und Basisinformationen zu den hier aufgeführten möglichen Begleiterkrankungen können Sie im Ratgeber „COPD und mögliche Begleiterkrankungen“ nachlesen, den Sie über den Herausgeber COPD – Deutschland e.V. erhalten können.
www.copd-deutschland.de

Mögliche Auswirkungen
Grundsätzlich belasten Begleiterkrankungen den Patienten zusätzlich und können zudem den Verlauf der COPD erheblich beeinflussen. Sie tragen zu einem schlechteren Gesundheitszustand, möglicherweise Krankenhauseinweisungen und zu einer Sterblichkeit von COPD-Patienten bei.

COPD-Patienten sterben meist nicht unmittelbar durch die Folgen der COPD sondern durch deren Auswirkungen wie beispielsweise einer Überlastung des Herz-Kreislauf-Systems, eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls.

Die Erkenntnis darüber, dass oftmals eine Vielzahl von Begleiterkrankungen mit einer COPD einher geht und einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf der COPD hat, hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass der Thematik mehr Beachtung geschenkt wird. Wissenschaftliche Leitlinien empfehlen daher eine gezielte Suche von möglichen Begleiterkrankungen, deren entsprechende Behandlung sowie den Einsatz präventiver Maßnahmen.

Therapeutische Möglichkeiten
Bei Patienten mit COPD werden die Begleiterkrankungen so behandelt, wie sie auch ohne chronisch obstruktive Lungenkrankheit therapiert werden – d.h. jede diagnostisch identifizierte Erkrankung wird individuell behandelt.

Quelle: Prof. Dr. H. Worth, Fürth, Leitliniengerechte Diagnostik und Therapie der COPD, der niedergelassene arzt, 5/2013

Durch Studien wie COSYCONET können möglicherweise in der Zukunft noch passgenauere Behandlungsmaßnahmen entwickelt werden, die die Zusammenhänge und Wechselwirkungen mehr berücksichtigen.
http://www.asconet.net/html/cosyconet



Herausgeber:
Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge
Offene Akademie und PatientenBibliothek gemeinnützige GmbH
Unterer Schrannenplatz 5
88131 Lindau
www.patienten-bibliothek.de
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Text/Zusammenfassung:
Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek

S-2 COPD und Begleiterkrankungen

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