Asthma und COPD

...eine Mischform beider Erkrankungen

Eine Vielzahl von unterschiedlichen Merkmalen kennzeichnen eine COPD bzw. ein Asthma und unterstützen die Diagnostik.

 COPDAsthma
1. Alter bei Diagnosemeist ab dem 60. Lebensjahr, oftmals bereits ab dem 40. Lebensjahr, nie bei Kindern und Jugendlichenmeist bereits im Kindes- und Jugendalter, kann jedoch erstmals auch im Erwachsenenalter auftreten
2. Tabakrauchüberwiegend Raucherkein ursächlicher Zusammenhang
3. Atemnotbei Belastunganfallsartig auftretend
4. Allergieseltenhäufig
5. Normalisierung der verengten Atemwegenie voll umkehrbar (reversibel)gut umkehrbar (reversibel)
6. Verengung der Atemwegelang anhaltend – sich verschlechterndvariabel, kann nur zweitweise (Episoden) auftreten
7. Übermäßige Empfindlichkeit der Bronchienmöglichein typisches Symptom (regelhaft vorhanden)
8. Ansprechen auf Cortisongelegentlichimmer vorhanden (regelhaft vorhanden)

Doch nicht immer ist eine eindeutige Differenzierung möglich. Liegt eine Mischform beider Erkrankungen vor, so spricht man von einem Asthma – COPD Overlap Syndrom oder abgekürzt ACOS.

S Asthma und COPD

Die Redaktion sprach mit Professor Dr. Claus Vogelmeier, Marburg, über den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Asthma – COPD Overlap Syndrom.


Woran kann man das Vorliegen eines Overlap Syndroms erkennen? Gibt es eine bestimmte Symptomatik oder diagnostische Parameter, die auf ein Overlap hindeuten?

Immer wenn sich neue Begrifflichkeiten bilden, ist in der Regel noch vieles unklar. Diese Tatsache trifft auch auf das Asthma – COPD Overlap Syndrom zu. Derzeit kann daher noch keine einheitlich geltende Definition benannt werden. Das Wissen um dieses Krankheitsbild beginnt sich derzeit erst zu entwickeln und zu formieren.

Ein erstes Positionspapier zu ACOS haben die beiden großen internationalen Organisationen GINA und GOLD zusammen erstellt, das den GINA-Leitlinien (GINA-Guidelines), die gerade aktuell veröffentlicht wurden, bereits beigefügt wurde. Der nächsten Aktualisierung der GOLD-Leitlinie wird dieses Positionspapier – entsprechend deckungsgleich – ebenfalls beigefügt.

per definitionem …
GINA = Global Initative for Asthma – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat zusammen mit dem National Heart, Lung and Blood Institute in den USA die weltweite Initiative 1993 ins Leben gerufen, um der stetigen Zunahme der Asthma-Erkrankungen entgegenzuwirken und optimale Strategien für Prävention und Therapie zu definieren. GINA veröffentlicht Leitlinien und Übersichten, die jährlich durch das wissenschaftliche Komitee überarbeitet werden und über die Internetseite www.ginasthma.org abgerufen werden können.

GOLD = Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease – Auch diese Initiative wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem National Institute of Health ins Leben gerufen, allerdings im Jahr 1997. Das Ziel der Initiative ist eine größere Aufmerksamkeit für die Erkrankung COPD, die – obwohl sie zu den häufig vorkommenden Volkskrankheiten zählt – in der Bevölkerung immer noch weitgehend unbekannt ist. Weiterhin werden auch durch GOLD Empfehlungen entwickelt und publiziert. Die offizielle Internetseite lautet www.goldcopd.com.

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Die Autoren des Positionspapiers haben als unbedingte Voraussetzung für das Vorliegen eines Asthma – COPD Overlap Syndroms (ACOS) eine dauerhafte – also nicht reversible – Atemwegsobstruktion beschrieben.

Das Vorliegen einer dauerhaften Atemwegsobstruktion kann als „Eingangsvoraussetzung“ bezeichnet werden für ein möglicherweise vorliegendes ACOS. Sind die Atemwege durch den Einsatz von Bronchodilatatoren (Bronchien erweiternde Arzneimittel) komplett reversibel (umkehrbar), kommt das Vorliegen eines ACOS nicht in Betracht.

Darüber hinaus werden verschiedene Eigenschaften innerhalb des Positionspapiers formuliert, die einerseits mehr dem Krankheitsbild eines Asthmas und anderseits mehr einer COPD entsprechen. Bereits durch die dort nur punktuell aufgeführten Informationen zeigt sich, dass sich das Wissen um das Krankheitsbild ACOS noch in der Entwicklung befindet.

Typischerweise sind ACOS-Patienten älter als 40 Jahre, da bei jüngeren Patienten eine COPD klassischerweise nicht vorkommt. Zudem kann ein sehr breites Spektrum an Symptomen vorliegen.

Viele Patienten weisen bereits in ihrer persönlichen Vorgeschichte oder in ihrer Familienanamnese die Diagnose eines Asthmas oder einer Allergie auf.

Die bisher vorliegenden Daten zeigen auf, dass ACOS-Patienten relativ viele Medikamente benötigen, da eine vermehrte Symptomatik vorhanden ist. Erste Publikationen geben zudem Hinweise, dass bei diesen Patienten nicht nur mehr Symptome auftreten, sondern auch eine erhöhte Neigung zu Exazerbationen (akuten Verschlechterungen) besteht.

Um diese Patienten werden wir uns als Ärzte vermutlich intensiver kümmern müssen, sie benötigen mehr Aufmerksamkeit.

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Welche Erscheinungsformen bzw. Konstellationen des Asthma – COPD Overlap Syndroms sind bisher bekannt?

Als ein Klassiker kann die Form des ACOS bezeichnet werden, bei der Patienten bereits als Jugendlichem die Diagnose Asthma gestellt wurde und die leider anfangen haben zu Rauchen. Durch diese beiden Komponenten: vorliegendes Asthma und Rauchen, kann sich im Laufe der Zeit ein Mischbild eines Asthmas und einer COPD entwickeln.

Ein weiteres Erscheinungsbild ist z. B. bei Patienten zu finden, die keinerlei Vorgeschichte in Bezug auf ein Asthma aufweisen, sich im Kindesalter jedoch eine Atemwegsallergie in Form einer Rhinitis und Konjunktivitis (allergischer Schnupfen und allergische Bindehautentzündung des Auges) gezeigt hat. Kommt auch hier der Faktor Rauchen hinzu oder ist der Patient einer anderen Noxe (schädigenden Substanz), z. B. im späteren Berufsleben, ausgesetzt, kann eine fixierte Atemwegsobstruktion (nicht mehr reversible Atemwegsverengung) entstehen.

Grundsätzlich kann man sagen, dass es sich bei einem möglicherweise vorliegenden ACOS immer um Patienten handelt, bei denen sich kein klar abzugrenzendes Krankheitsbild einer COPD oder eines Asthmas diagnostizieren lässt. Überschneidungen beider Erkrankungen sind erkennbar, wie z. B. bei Vorliegen insbesondere einer COPD Symptomatik und dem Einhergehen einer deutlichen Überempfindlichkeit (Hyperreagibilität) der Bronchien – einem Merkmal das eher für ein Asthma spricht.

Was weiß man heute über die Anzahl der Betroffenen? Wie viele Patienten haben vermutlich ein Overlap Syndrom?

Derzeit weist die Literatur eine große Bandbreite an Häufigkeiten auf. Je nach Definition und herangezogenen Patienten-Kollektiven reichen die Quoten von 15 –55 Prozent. Meine Sorge ist daher, dass beim Umgang mit diesen Zahlen – insbesondere denen im oberen Bereich – jeder Patient vermutet, bei ihm liege ein Overlap Syndrom vor.

Hier sollte mit strengeren Kriterien gearbeitet werden, die die Zahlen auf tatsächliche Werte regulieren. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei der Anzahl der Betroffenen um etwa 15 – 20 Prozent aller COPD- und Asthma-Patienten und somit einer Minorität handelt. Doch diese kleinere Gruppe von Patienten gilt es, aufgrund des schwereren Verlaufs, besonders ernst zu nehmen.

Eine wichtige Botschaft muss daher sein, die Patienten, die kein klares Bild einer COPD oder eines Asthmas zeigen, bei einem Lungenspezialisten vorstellig werden zu lassen, um eine ausführliche Diagnostik vorzunehmen.

Wie wird ein ACOS diagnostiziert?

Wichtig ist vor allem eine eingehende, weit über das übliche Maß hinausgehende, Lungenfunktionsdiagnostik. Empfohlen wird darüber hinaus die Erstellung eines CTs (Computertomographie). Hierbei kann festgestellt werden, ob Anzeichen einer Emphysembildung erkennbar sind. Liegt ein ausgeprägtes Emphysem vor, spricht dies deutlich gegen ein Overlap Syndrom.

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Eine Computertomographie kann bei der Diagnostik helfen


Im Weiteren kann man darüber nachdenken, ggfs. Biomarker zu analysieren. Hierbei können Hauttests und Allergietestungen zur Anwendung kommen, wie auch die Testung von Eosionphilen im Blut.

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…auch die Analyse sog. Biomarker


Welche Konsequenzen hat das Vorliegen eines Overlap Syndroms für den Patienten? Bedeutet eine Mischform auch gleichzeitig das Vorliegen beider Krankheitsbilder bzw. einen grundsätzlich schweren Verlauf der Erkrankung?

Wie schon kurz angesprochen, zeigen erste Studien, dass Patienten mit einem Overlap Syndrom häufiger exazerbieren, sich insgesamt schlechter fühlen und häufigere Krankenhausaufenthalte aufweisen. Auch gibt es Anhaltspunkte, dass die Patienten mehr Lungenfunktion verlieren. Eine weitere Studie dokumentiert eine höhere Sterblichkeit (Mortalität).
Eine Reihe von Faktoren deutet also auf einen insgesamt schwereren Verlauf eines Overlap Syndroms.

Wie wird ein Overlap Syndrom therapiert?

Das Positionspapier von GINA und GOLD empfiehlt, dass die Patienten mit einem Overlap Syndrom adäquat zu dem Vorliegen eines Asthmas therapiert werden sollten. Primär wird daher ein inhalierbares Steroid (Cortison – entzündungshemmendes Arzneimittel) verordnet. Darüber hinaus ist ein langwirkender Betaagonist (auch Beta-2-Symptomimetika, Betamimetika genannt – Basissubstanzklasse der Bronchien erweiternden Arzneimittel insbesondere bei Asthma) zur Verbesserung der Symptomatik notwendig. Auf Englisch würde man sagen: „When in doubt, treat as an asthma. – Im Zweifelsfall wie ein Asthma behandeln.“

Warum sagt man das? In den USA wurde vor etwa 10 Jahren eine Untersuchung durchgeführt, bei der man den Versuch gemacht hat, Asthmatiker nur mit einem Langzeit-Betamimentikum ohne inhalierbares Steroid zu behandeln. Dies hat zu vermehrten Todesfällen geführt. Seit dieser Zeit besteht die Regelung und hat in den USA sogar zu einem sogenannten „Black Label Warning“ geführt – einer Art Warnbalken bei Betamimetika – was bedeutet, dass man diese auf keinen Fall ohne inhalierbare Steroide verordnen darf, wenn Anhaltspunkte für eine Asthmaerkrankung bestehen.

Neben dem inhalierbaren Steroid und Betamimetikum wird bei einer deutlicheren Symptomatik im Laufe der Zeit vermutlich auch ein langwirksames Anticholinergikum (Basissubstanzklasse der Bronchien erweiternden Arzneimittel insbesondere bei COPD) verordnet werden. Das sind dann die Patienten, für die eine sogenannte Triple-Therapie mit praktisch beiden Klassen von Bronchodilatatoren (Bronchien erweiterenden Arzneimitteln) und inhalierbaren Steroiden in Betracht kommt.

Worauf konzentrieren sich die zukünftigen Forschungsaktivitäten?

Das GINA Positionspapier bildet derzeit einen ersten Einstieg in die Materie. In der Zukunft müssen wir uns darum bemühen, mehr und speziellere Daten von Patienten zu sammeln und zu analysieren, um letztendlich klarere Empfehlungen und auch eindeutigere differentialdiagnostische Merkmale formulieren zu können.

In einigen Jahren werden wir sicherlich im Hinblick auf das Krankheitsbild des Asthma – COPD Overlap Syndroms deutlich mehr wissen.

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siehe auch
https://goldcopd.org/asthma-copd-asthma-copd-overlap-syndrome/

Mögliche Merkmale eines ACOS:

  • Alter bei Erstdiagnose meist über 40 Jahre, aber Symptome seit der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter
  • Symptome mit wechselnder Ausprägung, darunter auch belastungsabhängige Atemnot
  • die Einschränkung des Atemflusses (Einengung der Atemwege) ist nicht voll reversibel (umkehrbar), aber variabel
  • in der Vorgeschichte (Anamnese) kommen oft eine Asthmadiagnose, Allergien oder eine familiäre Belastung vor, aber auch das Ausgesetztsein (Exposition) von Schadstoffen (Noxen), insbesondere dem Rauchen
  • Symptombesserung unter Therapie, jedoch ein Fortschreiten (Progression) der Atemwegsverengung (Atemwegsobstruktion) und ein hoher Medikamentenbedarf
  • gehäuft vorkommende Exazerbationen (akute Verschlechterungen)
  • Eosinophile und/oder Neutrophile (spezielle Unterarten von weißen Blutkörperchen, die eine wichtige Rolle bei Entzündungen spielen) im Auswurf (Sputum)


Herausgeber:
Offene Akademie und PatientenBibliothek gemeinnützige GmbH
www.patienten-bibliothek.de
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Interview/Text: Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek


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