Asthma bronchiale im Wandel

Therapeutische Erfolgsgeschichte

Asthma ist eine Erkrankung, die die Menschheit seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden begleitet. Noch zu Beginn des 19.Jahrhunderts wurden „Asthma- Zigaretten“ zur Linderung des Leidens angeboten. Das klinische Bild der Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert und verändern sich weiter in Richtung personalisierter Medizin.

Asthma-Zigaretten Asthma bronchiale im Wandel
…kaum mehr vorstellbar, „Asthma-Zigaretten“ zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Noch in den 1990er Jahren haben niedergelassene Allgemeinmediziner berichtet, dass sie immer wieder oft bis zu zweimal pro Woche lebensbedrohliche Asthmaanfälle zu versorgen hätten. Dies bedeutete für diese Ärzte einen hohen Aufwand, da Patienten mit akuter Atemnot oft mitten in der Nacht oder am frühen Morgen zu versorgen waren. Die therapeutischen Möglichkeiten bestanden damals in der intravenösen Gabe von Theophyllin-Präparaten in Kombination mit Kortison.


Asthma bronchiale, vereinfachend meist als Asthma bezeichnet, ist eine chronische Atemwegserkrankung. Den Begriff Asthma verwendete der griechische Arzt Hippokrates bereits vor zweieinhalbtausend Jahren für Atemnot und vorübergehende Kurzatmigkeit. Übersetzt bedeutet er sinngemäß „Beklemmung“ oder „Keuchen“.

In den Atemwegen von Menschen mit Asthma besteht andauernd (chronisch) eine Entzündung, die mit einer erhöhten Empfindlichkeit des Bronchialsystems gegenüber verschiedenen Reizen einhergeht.

Diese sogenannte bronchiale Hyperreagibilität und die permanente Entzündung führen über mehrere Mechanismen zu einer Verengung der Bronchien (=Atemwegsobstruktion), welche die asthmatypischen Symptome hervorruft. Dazu zählen pfeifende Atmung, Kurzatmigkeit und Luftnot, ein Engegefühl in der Brust oder auch nur Husten. Ein charakteristisches Merkmal dieser Erkrankung ist, dass die Symptome anfallsartig auftreten, sich wieder zurückbilden, um dann beim nächsten Anfall erneut aufzuflammen. Bei Asthma gibt es Zeiträume mit stärkeren und schwächeren Beschwerden, aber auch beschwerdefreie Zeiten.

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Gut zu wissen: Asthma kann sowohl bei Kindern – Asthma ist die häufigste chronische Kinderkrankheit – als auch bei Erwachsenen auftreten, in manchen Fällen tritt Asthma sogar erstmals im betagten Alter auf. Nicht immer einfach ist es, Asthma bronchiale von der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD (Lungenemphysem und chronische Bronchitis) zu unterscheiden. Einige Patienten haben zudem sowohl Asthma als auch COPD oder es entwickelt sich nach einem kindlichen Asthma im betagten Alter zusätzlich eine COPD.

Eine ausführliche Differenzialdiagnostik nimmt also einen besonders wichtigen Stellenwert ein! 


Kortison als Tablette oder zum Inhalieren

Ende der 1970er Jahre wurde Kortison zum Inhalieren entwickelt, womit sich die Behandlung des Asthma bronchiale grundlegend änderte. Mit der Inhalation gelangte nun Kortison direkt in die Atemwege, und es war möglich geworden, die täglich notwendige Kortisondosis um das 10- bis 100-Fache zu reduzieren, um die gleiche Wirkung bei jedoch dramatisch reduzierten Nebenwirkungen zu erreichen.

Dies war möglich, da durch die Inhalation der entzündungshemmenden Kortisonmoleküle, diese direkt auf die chronische Asthmaentzündung in den Atemwegen, sozusagen „vor Ort“, einwirken konnten. Die gefürchteten Langzeitfolgen einer oralen Steroidtherapie, wie Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), Osteoporose und Katarakterkrankungen des Auges sind mit der Verwendung des inhalativen Kortison aus dem klinischen Alltag verschwunden. Dennoch besteht bei vielen Patienten und Angehörigen nach wie vor eine große Angst vor Kortison, die allerdings beim Kortison zum Inhalieren nicht begründet ist.

Auch lange verschwunden sind jene Behandlungsmethoden, die wie eine „Asthma-Zigarette“ funktionieren sollten und bei der Rauch von verbrannten Kräutern in die Atemwege eingebracht wurde. Einer Überprüfung wurde diese Therapie aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts jedenfalls nie unterzogen. Ganz im Gegenteil: wir wissen heute, dass Rauchbelastung die Entzündungsreaktion in den Atemwegen akut verschlechtert und damit Asthmaanfälle bewirken kann.

Aktives Rauchen, das eine intensive Belastung für Lunge und Atemwege bedeutet, führt dazu, dass Kortison deutlich weniger oder gar nicht wirkt. Kortison führt zu einem Rückgang der Entzündung in den Atemwegen, während Rauchen diese Entzündung begünstigt. Neben dem klar nachgewiesenen negativen Effekt des Aktivrauchens ist auch Passivrauchen als Luftschadstoff zu werten, der die chronische Entzündung bei Asthma verschlechtert.

Neben der Inhalation von anderen Luftschadstoffen, wie z. B. Feinstaub oder Ozon, sind es natürlich auch Belastungen durch Allergene, wie Pollen oder Tierhaare, die bei Asthma eine entscheidende Rolle spielen. In den letzten 50 Jahren ist es zu einem dramatischen Anstieg der Häufigkeit allergischer Erkrankungen gekommen, und im gleichen Ausmaß damit auch zu einer deutlichen Zunahme der Asthmaerkrankungen.

Untersuchungen großer Bevölkerungsgruppen in europäischen Ländern zeigen, dass 5 bis 10 % der Bevölkerung jeden Alters von Asthma bronchiale betroffen sind.

Obwohl die Häufigkeit von Asthmaerkrankungen in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen hat, in manchen Ländern um mehr als Fünffache, ist es doch gleichzeitig zu einem Rückgang der schweren Asthmafälle und Asthmatodesfälle gekommen. Diese Abnahme der schweren Asthmaerkrankungen und Asthmatodesfälle, trotz Zunahme der Asthmaerkrankungen insgesamt, wird in erster Linie dem inhalativen Kortison zugeschrieben.

Zielgerichtete Therapie bei Asthma bronchiale

Seit den 2000er Jahren hat die Therapie von Asthma bronchiale nochmals einen grundlegenden Wandel erfahren. Mit neuen Medikamenten wurde begonnen – wie das bereits in der Onkologie seit langem der Fall war – zielgerichtete Therapien durchzuführen. Mit einem besseren Verständnis davon, wie einzelne Moleküle, wie z. B. Immunglobulin-E oder Interleukin-5, die chronische Entzündung bei Asthma bewirken, konnten auch Medikamente entwickelt werden, die diese Moleküle gezielt ausschalten.

Das Immunglobulin-E (IgE) spielt eine zentrale Rolle für alle allergischen Reaktionen, und die Blockade von Ig-E kommt daher in erster Linie beim allergischen Asthma zum Einsatz. Erhöhte Ig-E-Werte im Blut sind eine Voraussetzung, diese Therapie zum Einsatz zu bringen. Mit Omalizumab steht ein Wirkstoff zur Verfügung, der als Injektion unter die Haut verabreicht werden kann. Neben der Blockade des Ig-E kann auch Interleukin-5 (IL-5) blockiert werden, ein Botenstoff, der für die Regulation der Eosinophilen von Bedeutung ist. Diese sogenannten Eosinophilen sind Teil der weißen Blutkörperchen und für die Entzündungsreaktion bei Asthma entscheidend. Für die Blockade des IL-5 können mehrere Medikamente (Mepolizumab, Benralizumab, Trastuzumab) verwendet werden. Diese Anti-IL-5 Medikamente werden entweder subkutan (unter die Haut) oder über eine I.-v.-Therapie (intravenös – in die Vene) verabreicht. Voraussetzung für eine Verschreibung sind erhöhte Blutspiegel der Eosinophilen, die beim sogenannten eosinophilen Asthma vorliegen.

Die Entwicklung der molekularbiologischen Blockade von einzelnen Botenmolekülen bei Asthma bronchiale steht erst am Anfang. Mit fortschreitendem Verständnis der Molekularbiologie der Erkrankung wird es in Zukunft besser möglich sein, verträgliche und nebenwirkungsärmere Therapien zum Einsatz zu bringen. Die neuen Medikamente, die eine Blockade von Molekülen bewirken und damit den Teufelskreis der Entzündung unterbrechen, führen zu einer verbesserten Kontrolle der Asthmabeschwerden und gleichzeitig kann oftmals die Kortisondosis reduziert werden.

Entscheidend für eine wirksame Behandlung der Asthmaerkrankung ist neben der exakten medikamentösen Therapie auch eine genaue Kenntnis der Risikofaktoren, die im persönlichen Umfeld einen Asthmaanfall auslösen können. Der einzige Risikofaktor, der sich übereinstimmend für alle Arten von Asthma nachweisen lässt, ist das Zigarettenrauchen. Sowohl passives als auch aktives Rauchen begünstigen die Entzündung der Atemwege. Dies beginnt oftmals schon bei rauchenden Schwangeren mit der vorgeburtlichen Schädigung des Lungenwachstums des Fetus.

Mit jenen Medikamenten, die uns heute zur Verfügung stehen, sollte es in mehr als 95 % der Erkrankungen möglich sein, mit Asthma ein gutes Leben in guter Lebensqualität zu führen. Daneben besteht das Therapieziel, diese Lebensqualität mit der niedrigst möglichen Kortisondosis zu erreichen.

Der künftige Wandel wird dadurch bestimmt sein, dass vermehrt zielgerichtete Therapien zum Einsatz kommen.


Asthma-Zigaretten Asthma bronchiale im Wandel

Autor: Professor Dr. Michael Studnicka
Universitätsklinikum für Pneumologie
Uniklinikum Salzburg

Bildnachweise:
Professor Dr. Michael Studnicka
Sandra Hallinger/Wildbild
igoraul – Fotolia.com


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Der Beitrag wurde in der Herbstausgabe 2019 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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