Vorbeugen ist besser als heilen
Das Jahr 2018 ist eines der schlimmsten Grippejahre der letzten Jahrzehnte. In den Monaten Februar und März wurden teilweise mehr als 40.000 Neuerkrankungen pro Woche durch das Robert Koch Institut www.rki.de gemeldet. Insgesamt 1.655 mit Influenza direkt zusammenhängende Todesfälle waren zu verzeichnen.
„Influenza kommt nie vor Silvester“, dokumentiert Professor Dr. Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, anlässlich des 19. Patientenforums des Lungeninformationsdienstes www.lungeninformationsdienst.de in Dresden. Klassischerweise beginnt die Influenzasaison Mitte Januar, verläuft in Wellenformen und endet etwa um Ostern herum. Der Impfzeitpunkt sollte daher zwischen Ende September bis Mitte Dezember liegen. Nach der Impfung dauert es ca. 10-14 Tage bis der Körper einen ausreichenden Schutz vor einer Ansteckung aufgebaut hat.
Seit Januar 2018 empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission) einen Vierfach-Impfstoff. Dieser enthält gegenüber der bisherigen Empfehlung, dem Dreifach-Impfstoff, eine zusätzliche Komponente gegen ein weiteres Influenza-B-Virus.
Die „echte“ Grippe
Bei einer Influenza handelt es sich um die sog. „echte“ Grippe. Liegt „lediglich“ eine Erkältung mit beispielsweise Husten und Schnupfen vor, so wird im deutschen Sprachgebrauch dennoch oft formuliert: „Ich habe die Grippe.“ Eindeutigere Bezeichnungen finden sich dagegen im englischen Sprachgebrauch: eine Grippe wird als „flu“ von Influenza, eine Erkältung als „cold“ bezeichnet.
Auch wenn sich die Symptome beider Erkrankungen z. B. Husten, Schnupfen, Heiserkeit durchaus ähneln können, weisen einige Merkmale eindeutig auf das Vorliegen einer Influenza. Eine Influenza beginnt im Gegensatz zur Erkältung meist urplötzlich, geht mit Fieber, Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit einher und zwingt die Betroffenen für eine Woche oder länger ins Bett. „Eine Ansteckung mit einem Influenzavirus macht richtig krank“, so Professor Welte.
Die jährliche Auffrischungsimpfung ist aufgrund einer Besonderheit notwendig: Der Virus verändert kontinuierlich die Strukturen seiner Oberfläche. Da der Impfstoff jedoch genau auf diese Oberflächenstrukturen ausgerichtet ist, muss jedes Jahr eine den Veränderungen angepasste Impfung erfolgen, um für einen möglichst ausreichenden Schutz zu sorgen.
Niedrige Außentemperaturen begünstigen eine Influenzainfektion. Wird es kalt, ist gleichzeitig auch die Luft trockener. Trockene Luft führt wiederum dazu, dass die Atemwegsepithelien, d.h. die Atemwege auskleidenden Zellen, geschädigt werden und Influenzaviren nun besonders gut „andocken“ können.
Hartnäckige Irrtümer
Einige Irrtümer bzw. Vorbehalte zur Influenzaimpfung halten sich hartnäckig, gut zu wissen also, was sich dahinter verbirgt:
Irrtum Nr. 1
Eine Influenzaimpfung schützt vor jeder Virusinfektion im Winter.
Fakt: Eine Influenzaimpfung kann nur gegen Influenzaviren schützen, nicht jedoch gegen die hunderte von weiteren möglichen Viren, wie z. B. die Rhinoviren, die einen Schnupfen verursachen. Eine Influenzainfektion ist allerdings eindeutig die schlimmste der möglichen Virusinfektionen.
Irrtum Nr. 2
Bei einer Influenzaimpfung können schwere Komplikationen auftreten.
Fakt: Im Prinzip können Komplikationen auftreten, aber die wesentlichste mögliche Impfkomplikation ist eine leicht gerötete Einstichstelle für einige Tage, einhergehend mit einem leicht schmerzenden Arm.
Echte, schwere Impfkomplikationen hingegen treten in einem Verhältnis von 1 : 3 000 000 Impfungen auf. Ein zu vernachlässigendes Risiko also, betrachtet man im Vergleich dazu die 1.655 Influenza-Toten alleine in diesem Jahr.
Vorbeugen ist besser als heilen
Chronische Atemwegspatienten, wie z. B. Patienten mit einer COPD oder einem Lungenemphysem, sind aufgrund ihrer Erkrankung grundsätzlich anfälliger für Infektionen der Atmungsorgane als andere. Die Flimmerhärchen der Bronchialschleimhaut, die zum ersten anatomischen Schutzwall des Immunsystems zählen und Krankheitskeime abwehren sollen, sind durch die Erkrankung bereits vorbelastet. Auch chronische Entzündungen der oberen und unteren Atemwege führen zu einem erhöhten Risiko für Infektionen.
Wichtig zu wissen ist auch, dass auf einem durch Influenzaviren geschädigten Atemwegsepithel Pneumokokken ganz besonders gut wachsen! Ein weiterer Grund also, sich regelmäßig gegen Influenza impfen zu lassen.
Risikofaktor Zweitinfektion
„Die Hälfte der Betroffenen, die nach einer Influenzainfektion versterben, sterben nicht an der Infektion mit dem Influenzavirus, sondern an der daraus folgenden bakteriellen Zweitinfektion (Sekundärinfektion) mit Pneumokokken“, verdeutlicht Professor Welte.
Pneumokokken sind besonders krankmachende Keime und die häufigsten Erreger für schwer verlaufende Infektionen. Etwa 40-50 % aller Atemwegsinfektionen sind auf Pneumokokken zurückzuführen. Sie verursachen die Mehrzahl aller bakteriellen Lungenentzündungen
Eine besondere Problematik bei einer auftretenden Pneumokokkeninfektion besteht darin, dass es keine typischen Symptome gibt. Daher werden bestehende Infektionen oftmals erst sehr spät erkannt. Die beiden Symptome, die gleichermaßen bei fast allen Pneumokokkeninfektionen auftreten, sind: hohes Fieber und Schüttelfrost.
Mit Antibiotika können Pneumokokkenerkrankungen zwar behandelt werden, allerdings bekommt man manchmal trotz der richtigen Antibiotikatherapie die Infektion nicht in den Griff, wenn die Therapie zu spät beginnt. Ein Schutz durch Impfung – sowohl gegen Influenza als auch Pneumokokken – wird daher immer wichtiger.
Eine Pneumokokkenimpfung kann ohne eine jahreszeitliche Einschränkung jederzeit erfolgen, zwei verschiedene Impfstoffe stehen zur Verfügung.
Ähnlich wie bei einer Influenzaimpfung können bei einer Pneumokokkenimpfung leichte Schmerzen, Schwellungen und Hautrötungen an der Einstichstelle auftreten. Ebenso kann es zu einem allgemeinen Gefühl der Abgeschlagenheit, Magen-Darm-Beschwerden oder einer leichten Temperaturerhöhung in den ersten drei Tagen nach der Impfung kommen.
Überprüfen Sie Ihren Impfausweis und besprechen Sie diesen bei Ihrem nächsten Termin mit dem Haus- oder Lungenfacharzt!
Quelle: Vortrag „Vorbeugen und Leben mit der Erkrankung“, Professor Dr. Tobias Welte, Hannover, anlässlich des 19. Patientenforums des Lungeninformationsdienstes in Kooperation mit dem DeutschenZentrum für Lungenforschung (DZL) und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), 2018
Auszug des Beitrages „Impfprophylaxe – Vorbeugen ist besser als heilen!“ in der Herbstausgabe 2018 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge.
Text: Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek
Fotos: Medizinische Hochschule Hannover, Thomas Figiel, Fotolia.com Ljupco Smokovsk, Dan Race, Marina Lohrbach