Diabetes mellitus – Typ 1

Häufigste Stoffwechselkrankheit bei Kindern und Jugendlichen

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Diabetes mellitus ist ein Überbegriff für verschiedene Stoffwechselerkrankungen. Allen gemeinsam ist, dass sie zu erhöhten Blutzuckerwerten führen. Am bekanntesten sind die Diabetes mellitus Typen 1 und 2. In diesem Beitrag möchten wir näher auf den Diabetes Typ 1 eingehen.

In Deutschland leben ca. 300.000 Typ 1 Diabetiker (Quelle: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2013 https://www.diabetesde.org/pressemitteilung/deutscher-gesundheitsbericht-diabetes-2013-diabetesde-deutsche-diabetes-hilfe). Jährlich kommen etwa weitere 15.000 – 20.000 Betroffene hinzu. Auch wenn Diabetes prinzipiell in jedem Alter auftreten kann, so findet man den Diabetes Typ 1 meistens vor dem 40. Lebensjahr. (Quelle: Schulungsbuch für Diabetiker, Dr. Gerhard-W. Schmeisl, 2011 https://shop.elsevier.de/schulungsbuch-diabetes-9783437472756.html )

Im Gegensatz zum Diabetes Typ 2, bei dem sich derzeit ca. 6 Millionen Betroffene alleine in Deutschland in Behandlung befinden, sind die Erkrankungszahlen beim Diabetes Typ 1 somit eher gering. Diabetes Typ 1 ist jedoch die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen.
Beide Diabetesformen können familiär gehäuft vorkommen. Die Erkrankung ist derzeit nicht heilbar, sie lässt sich aber gut behandeln.

Für jeden Diabetiker ist es wichtig, den Blutzucker optimal einzustellen. Nicht nur, um akute Entgleisungen des Stoffwechsels wie eine Unterzuckerung zu verhindern, sondern auch um diabetische Folgeerkrankungen zu vermeiden oder hinauszuzögern. Mit einer guten Blutzuckereinstellung kann jedoch – abgesehen von der Therapie – ein vollkommen beschwerdefreies und normales Leben geführt werden.

Mit diesem Beitrag möchten wir Ihnen eine kleine Orientierungshilfe geben, um Verständnis für das Krankheitsbild Diabetes Typ 1 zu entwickeln. Wir möchten Hinweise geben, welche Symptome auftreten können, wie Diabetes Typ 1 diagnostiziert wird und was Sie selber tun können. Ebenso finden Sie weiterführendes Adressmaterial. Informationen über Diabetes mellitus Typ 2 sowie Typ 3 und Gestadionsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes) finden Sie in den gleichnamigen Broschüren der www.Patienten-Bibliothek.de und den Folgebeiträgen.

Ihre Dr. Nicola Haller
Stellv. Vorsitzende Deutsche-Diabetes-Hilfe

Basisinformationen

Was ist Diabetes mellitus?
Diabetes mellitus ist eine chronische Erkrankung des Zuckerstoffwechsels, bei der der Blutzucker im Körper unbehandelt immer weiter ansteigen würde. Dieses Übermaß an Zucker im Blut wird zum Teil, in Abhängigkeit von der Blutzuckerhöhe, mit dem Harn ausgeschieden und würde süß schmecken. Zur ärztlichen Untersuchung gehörte früher neben dem Beschau des Harns ebenso eine Geschmacksprobe des Urins, um eine Diagnose stellen zu können. Dabei konnte eine Zuckerkrankheit an dem süßen Geschmack erkannt werden, woher auch seine Bezeichnung „Diabetes mellitus“ seinen Ursprung hat. Diese medizinische Krankheitsbezeichnung kommt aus dem Lateinisch-Griechischen und bedeutet übersetzt „honigsüßer Durchfluss“.

Zuckerstoffwechsel
Für den menschlichen Organismus ist Zucker lebensnotwendig. Wir benötigen Zucker (Glukose) als Energielieferant für unsere Zellen. Ohne Glukose als Nährstoff könnten wichtige Körperzellen z.B. im Gehirn oder in den Muskeln ihre Arbeit nicht leisten – Denkprozesse und Bewegung wären nicht möglich.
Für ein Gleichgewicht des Blutzuckerspiegels ist der sogenannte Zuckerstoffwechsel zuständig. Dieser beginnt über den Weg der Nahrung, die wir täglich zu uns nehmen. Die aufgenommenen Nährstoffe werden im Darm gespalten – so dass z.B. aus Stärke in Kartoffeln oder Nudeln Glukose entstehen kann. Über den Darm und auch über die Leber gelangt dann der Zucker in den Blutkreislauf, über welchen die Glukose an alle Körperzellen gelangen kann.
Hier beginnt die eigentliche Arbeit des Zuckerstoffwechsels, der über mehrere Hormone gesteuert wird. Insulin und Glukagon spielen dabei die entscheidenden Rollen.

Insulin – eine Schlüsselsubstanz
Das Hormon Insulin hat zwei Aufgaben. Damit Glukose aus der Blutbahn in die Körperzellen überhaupt aufgenommen und dort „verbrannt“ oder verstoffwechselt werden kann, ist Insulin notwendig. Es dient quasi als Schlüsselsubstanz an den Rezeptoren, um die Zellen zu öffnen und den Zucker in die Zellen aufzunehmen. Als Folge dieser Schlüssel-Schlossfunktion sorgt Insulin als einziges Hormon in unserem Körper dafür, den Blutzuckerspiegel nach den Mahlzeiten langsam wieder abzusenken. Das Hormon Glukagon ist eine Art „Gegenspieler“ des Insulins, es mobilisiert Zuckerreserven aus der Leber und kann dadurch den Blutzucker im Körper erhöhen.

Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gebildet. Die etwa zwölf Zentimeter lange Drüse unterhalb des Magens erfüllt zwei Funktionen: Zum einen bildet das Pankreas täglich etwa 0,5 – 1,5 Liter Verdauungssekrete und gibt diese in den Dünndarm ab. Zum anderen ist das Pankreas die Produktionsstätte des Insulins – wie auch des Glukagons und weiterer Hormone.

Die Zellen, in denen das Insulin hergestellt wird, sind die nach ihrem Entdecker Paul Langerhans benannten Langerhans`schen Inseln (auch Inselzellen oder β-Zellen – gesprochen Beta-Zellen – genannt). Sie liegen „insel“-artig gruppiert über die gesamte Bauchspeicheldrüse verteilt. Von diesen Inseln abgeleitet wurde die Bezeichnung Insulin. Ein gesunder Erwachsener hat ca. eine Million solcher Inselzellen.

Besteht ein Mangel an Insulin, können die Zellen keinen Zucker aufnehmen, der Zucker verbleibt im Blut. Die Zuckerkonzentration im Blut steigt somit an, was zu einer dauerhaften Erhöhung (Hyperglykämie) führen kann. Gleichzeitig bewirkt der Insulinmangel einen Zucker – und damit Energiemangel in den Zellen.

Formen des Diabetes
Diabetes mellitus wird in Abhängigkeit von Entstehung / Ursachen in verschiedene Diabetes-Typen unterteilt

  • Typ-1-Diabetes
  • Typ-2-Diabetes
  • Typ-3-Diabetes – Andere spezifische Diabetes-Typen (z.B. durch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, medikamentös induziert, genetische Defekte etc.)
  • Typ-4-Diabetes – Gestationsdiabetes (erstmals während der Schwangerschaft aufgetretene oder diagnostizierte Glukosetoleranzstörung)

Quelle: Klassifikation gemäß Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Aktualisierte Version 2011 https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/home.html

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Ursachen Diabetes mellitus Typ 1

Ca. 5 % aller Diabetiker sind Typ-1-Diabetiker. Da der Typ-1-Diabetes in der Regel im Kindes- und Jugendalter beginnt, wurde er früher auch als juveniler (jugendlicher) Diabetes bezeichnet.

Mögliche Ursachen des Typ-1-Diabetes

  • β-Zellzerstörung (Beta-Zellzerstörung), die zu einem absoluten Insulinmangel führt
  • meist immunologisch vermittelt, was bedeutet, dass die insulinproduzierenden Zellen durch einen Autoimmunprozess angegriffen und zerstört werden
  • der LADA (Latent Autoimmune Diabetes bei Erwachsenen (in Adult)) entspricht vergleichbar einem Diabetes mellitus Typ 1 im Erwachsenenalter

Quelle: Klassifikation gemäß Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft 2011 https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/leitlinien/evidenzbasierte-leitlinien.html

Die o. g. Auflistung möglicher Ursachen besagt, dass Wissenschaftler heute von einem Zusammenwirken von Erbfaktoren, Virusinfektion und einer Autoimmunerkrankung (Erkrankung, bei der sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen richtet) als Ursache für Diabetes mellitus Typ 1 ausgehen.
Dies gilt sowohl für Diabetes mellitus Typ 1, der in der Jugend auftritt, als auch für die Form, die erst im Erwachsenenalter in Erscheinung tritt. Darüber hinaus sind zudem Formen des Diabetes mellitus Typ 1 unbekannter Herkunft zu finden.

Bis auf wenige Ausnahmen tragen alle Typ-1-Diabetes-Patienten spezielle Merkmale auf ihren weißen Blutkörperchen (HLA-Merkmale DR3 und DR4). Deshalb wird eine genetische Veranlagung (Prädisposition) für die Erkrankung angenommen. Allerdings gibt es viele Menschen, die diese Erbinformation tragen und dennoch nicht an Diabetes erkranken. Daher geht man davon aus, dass zusätzlich zu den Erbanlagen auch bestimmte Virusinfektionen zum Ausbruch der Krankheit beitragen.
Als auslösende Viren kommen vor allem Masern-, Mumps- und Grippeviren in Betracht. Ein solcher Virusinfekt kann bei bestimmten Personen eine Autoimmunreaktion auslösen, bei der Antikörper gegen körpereigenes Gewebe – in diesem Fall gegen die Inselzellen (Beta-Zellen) des Pankreas gebildet werden. Diese Inselzellantikörper (ICA) führen schließlich zu einer vollständigen Zerstörung der insulinbildenden Zellen und sind im Blut, zur Sicherung der Diagnose, nachweisbar.

Erst nachdem etwa 80 % der Inselzellen (Beta-Zellen) zerstört sind, tritt der Diabetes mit seinen typischen Beschwerden in Erscheinung.
Zwischen dem Beginn der Erkrankung und dem Auftreten der ersten Symptome können Wochen, Monate oder auch Jahre vergehen.

Häufig kommt es Wochen oder Monate nach der Erstdiagnose zu einer vermeintlichen Verbesserung der Symptome und der Körper braucht unter Umständen nur minimale Mengen an Insulin. Der Betroffene befindet sich dann in der sogenannten Remissionsphase oder scheinbaren Erholungsphase („Honeymoon Phase“), die allerdings nur einen kurzen Stillstand der Krankheit bedeutet. Tatsächlich schreitet der Krankheitsprozess fort, bis schließlich alle Inselzellen (Beta-Zellen) zerstört sind und kein eigenes Insulin mehr gebildet wird. Beim Typ-1-Diabetes liegt also von Anfang an ein echter (absoluter) Insulinmangel vor.

Aufgrund des absoluten Insulinmangels muss der Typ-1-Diabetes lebenslang mit Insulin behandelt werden, um das fehlende Insulin zu ersetzen.

Merke: Diabetes mellitus Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, die einen absoluten Insulinmangel auslöst. Dieser Mangel muss durch eine ständige Insulingabe behandelt werden.

Vererbung
Der Typ-1-Diabetes wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 3 bis 6 % von der Mutter oder dem Vater auf die nachfolgende Generation vererbt. Sind beide Eltern Typ-1-Diabetiker, steigt das Risiko auf etwa 20 %. Geschwister von diabetischen Kindern haben ein eigenes Erkrankungsrisiko von mindestens 10 %.
Nur bei eineiigen Zwillingen liegt das Risiko für das Geschwister eines Betroffenen bei 35 %.

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Symptome

Die Beschwerden bei Diabetes sind abhängig vom Grad des Insulinmangels und dem Ausmaß der daraus resultierenden Stoffwechselveränderungen.
Typ-1-Diabetes lässt sich anhand der nachfolgend beschriebenen Beschwerden erkennen, jedoch mit einer viel stärkeren Symptomatik als beim Typ-2-Diabetes.

Dennoch vergehen oft Monate vom Beginn bis zum Auftreten der ersten Symptome, da etwa 80 % der Inselzellen (Beta-Zellen) zerstört sein müssen, bevor der Insulinmangel vom Körper nicht mehr ausgeglichen werden kann.

Die typischen Symptome, die mehr oder weniger stark in Erscheinung treten und sowohl einzeln als auch kombiniert vorkommen können, sind:

  • häufiges Wasserlassen, starker Durst, Gewichtsverlust
    Bei einer erhöhten Zuckerkonzentration im Blut gelangt Zucker in den Harn und nicht an die Zielzellen. Um die Konzentrationsunterschiede auszugleichen (osmotischer Druck), gelangt mehr Wasser in den Urin, was einen häufigeren Gang zur Toilette notwendig macht (Polyurie). Damit verliert der Körper größere Wassermengen, was folgerichtig ein starkes Durstgefühl verursacht. Unwissend werden meistens die falschen Getränke, wie Säfte oder Cola, zum Durstlöschen getrunken, was die Blutzuckerlage weiter verschlechtert. Gleichzeitig baut der Körper seine Fettreserven zur notwendigen Energiegewinnung für die Körperzellen ab, was einen rapiden Gewichtsverlust von mehreren Kilos zur Folge hat.
  • Müdigkeit, Schwächegefühl und Leistungsminderung
    Die Störungen des Zuckerstoffwechsels und somit die Reduzierung an Energie in den Zellen, führt zur Müdigkeit und Schwäche.
  • Aceton in der Ausatemluft und im Urin (Ketonazidose)
    Mit der Ausatemluft und dem Urin scheidet der Körper verstärkt giftige Fettabbauprodukte wie Aceton aus.
    Die Fettabbauprodukte entstehen während der notwendigen Energiegewinnung beim Abbau der Fettreserven, was einem sogenannten Hungerstoffwechsel entspricht. Dieser Hilfsmechanismus des Körpers kann bei einer Anhäufung der Ketone zu einer lebensbedrohlichen Übersäuerung des Körpers führen. Daraus resultierende Symptome können trockene, juckende Haut, Übelkeit und Bauchschmerzen sein, die unbehandelt im diabetischen Koma enden.

Diagnostik

Ein Diabetes mellitus kann mittels mehrerer Verfahren diagnostiziert werden. Ausschlaggebend ist bei Diabetes mellitus Typ 1 im Wesentlichen der Blutzuckerwert. Für eine Erstdiagnose sind die Testgeräte zur Selbstkontrolle nicht geeignet, sondern ausschließlich labordiagnostische Messverfahren sowie auch ein Glukoseanalyser für den Praxisbedarf.

Bei der Diagnose des Typ 1 liegt vor der Diagnosestellung eine ausgeprägte Symptomatik mit eindeutigen Krankheitszeichen vor. Mittels differentialdiagnostischer Kriterien (z.B. Antikörpernachweis) kann festgestellt werden, ob es sich um einen Typ 1 oder Typ 2 Diabetes handelt bzw. einen Diabetes anderer Ursache.

Blutzuckermessung
Die Blutzuckermessung kann sowohl in venösem Blutplasma oder im Vollblut erfolgen. Zu diagnostischen Zwecken wird eine Blutzuckermessung über einen Blutstropfen aus der Fingerbeere von der Deutschen Diabetes Gesellschaft nicht empfohlen. Innerhalb des Tagesverlaufs schwankt der Blutzuckerwert in Abhängigkeit von der Nährstoffversorgung sowie Stress und körperlicher Belastung. Es gelten unterschiedliche Grenzwerte für den Blutzucker. Der Gelegenheits-Plasmaglukosewert, also unabhängig von Zeit und Nahrungsaufnahme, sollte im Referenzbereich zwischen 80 und 120 mg/dl (4,4 – 6,6 mmol/l) sein. Der Nüchtern-Plasmaglukosewert wird in der Regel morgens, acht Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme, gemessen und ist bis 126 mg/dl (>7 mmol/l) im Normbereich.

Urin-Untersuchung
Ab einem Blutzucker von 160 – 180 mg/dl wird die sogenannte „Nierenschwelle“ für Glukose überschritten. Der Körper beginnt, überschüssige Glukose über den Urin auszuscheiden (Glukosurie). Dieser ausgeschiedene Zucker kann mit Hilfe von Harnzucker-Teststreifen im Harn nachgewiesen werden. In der Praxis wird diese Methode zur Selbstkontrolle in der Diabetes Typ 1 Therapieunterstützung nicht mehr angewandt.

Wenn die Zellen aufgrund eines Insulinmangels keinen Zucker verwerten können, wird Fett abgebaut. Dabei entstehen sogenannten Ketonkörper, ein Produkt des Kohlehydratstoffwechsels in der Leber. Bei schlechter diabetischer Stoffwechsellage tauchen die Ketonkörper auch im Urin auf (Ketonurie) und können ebenfalls mit einem Keton-Teststreifen gemessen werden.

Die alleinige Urin-Untersuchung ist zur Diagnose eines Diabetes mellitus allerdings nicht geeignet.

Glukosetoleranztest
Werden bei der ersten Kontrolle Blutzuckerwerte im Grenzbereich festgestellt, kann ein Glukosetoleranztest (OGTT) zur Klärung durchgeführt werden. Bei diesem Test wird die Blutglukose-Regelungsfähigkeit mit Hilfe einer starken Stimulation durch Traubenzucker bestimmt.
Beim OGTT erhält der Patient morgens nüchtern (10 Stunden ohne Nahrung und Rauchen sowie normaler Nahrungszufuhr in den Tagen vorher) nach der ersten Blutentnahme 75 g Glukose (Traubenzucker) in Wasser gelöst. Diese Lösung muss innerhalb von fünf Minuten schluckweise getrunken werden. Die Blutentnahmen sollten im Abstand von jeweils einer und zwei Stunden folgen und sollten den Wert von 200 mg/dl (>11 mmol/l) nach 2 Stunden nicht überschreiten.

HbA1c-Wert
Für die Einschätzung der Qualität des Zuckerstoffwechsels über einen längeren Zeitraum eignet sich der HbA1c-Wert, der auch „Blutzuckergedächtnis“ oder „Langzeitzucker“ genannt wird. Dieser gibt rückwirkend, prozentual den mit Glukose gebundenen roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) an, der normalerweise bei 4,2 bis 6,1 % liegt und durch die Blutzuckerhöhe entsteht. Mit dem HbA1c-Wert kann man die Blutzuckergüte der letzten 2 – 3 Monate beurteilen.
In der Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft von 2011 wird erstmals der HbA1c-Wert auch zur Diagnostik sowie zur Identifizierung von Personen mit erhöhtem Diabetesrisiko empfohlen.

Bestimmung von Antikörpern
Hierbei werden die Abwehrzellen (Antikörper) gegen die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse bestimmt. Es kann somit ein erhöhtes Risiko für einen Diabetes-Typ-1 festgestellt werden.
Eine sichere Diagnose beziehungsweise Vorhersage ist jedoch nicht möglich.

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Bei diesen Grenzwerten liegt ein Diabetes vor:

  • HbA1c ≥ 6,5 % (≥ 48 mmol/mol)
  • Gelegenheits-Plasmaglukosewert von ≥ 200 mg/dl (≥ 11,1 mmol/l)
  • Nüchtern-Plasmaglukose von ≥ 126 mg/dl (≥ 7,0 mmol/l)
  • OGTT-2-h-Wert im venösen Plasma ≥ 200 mg/dl (≥ 11,1 mmol/l)

Quelle:
Leitlinie Diagnostik Deutsche Diabetes Gesellschaft, 2011 https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/Praxisempfehlungen/2019/02_Diagnostik-Diabetes-mellitus_Mueller-Wieland_DDG.pdf

Therapie

Insulintherapie
Diabetes mellitus vom Typ 1 ist eine aktuell nicht heilbare Erkrankung, die sich jedoch durch die lebenslange Zufuhr von Insulin gut behandeln lässt.

Durch die Verfügbarkeit von Insulinpens, extrem feinen Nadeln und Insulinpumpen empfinden die Betroffenen die Insulingabe nicht mehr als wesentliches Problem. Bei der Insulintherapie führt der Patient im Wesentlichen seine Therapiemaßnahmen im persönlichen Alltag selbständig und eigenverantwortlich durch.

Eine lebenslange, gute Blutzuckereinstellung ist daher entscheidend,
um akute Komplikationen wie Unterzuckerungen (z.B. durch das Vergessen einer Mahlzeit oder verursacht durch eine zu hohe Dosierung von Insulin, Alkohol, extreme Aktivität etc.) oder eine Stoffwechselentgleisung bei sehr hohen Zuckerwerten (Ketoazidose) sowie diabetische Folgeerkrankungen zu vermeiden. Folgeerkrankungen werden im Wesentlichen durch Veränderungen der Blutgefäße hervorgerufen.

Insulin-Injektionen
Prinzipiell gibt es zwei verschiedene Arten der Insulinbehandlung durch Injektionsverfahren:

  • Intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT)
  • Insulinpumpentherapie (CSII)

Die früher häufig praktizierte Therapie mit zweimaligem Spritzen (konventionelle Therapie – CT genannt) von Mischinsulin (eine Mischung aus kurz- und langwirksamen Insulin) ist dagegen nicht mehr zeitgemäß, um gute Blutzuckerwerte zu erreichen. Eine flexible Lebensführung ist mit dieser Therapie kaum möglich, da feste Mahlzeiten eingehalten werden müssen, um die Blutzuckerwerte stabil zu halten.

Welche Art der Insulin-Behandlung in Frage kommt, hängt unter anderem von der Bereitschaft ab, sich mit der Therapiedurchführung und Dosisanpassung auseinander zu setzen. Jeder Patient hat das Recht, an Diabetiker-Schulungen teilzunehmen, um das Therapieregime zu verstehen und eigenverantwortlich durchzuführen. Das diabetologische Behandlungsteam begleitet hierbei den Patienten stetig.

Die subkutanen Insulininjektionen (ICT) können mit Hilfe von „Pens“ erfolgen. Dabei handelt es sich um füllhalterähnliche Injektionsgeräte, die das Insulin in vorgefertigten Patronen enthalten und aus denen die gewünschte Insulindosis per Knopfdruck gespritzt werden kann.

Eine kontinuierliche Insulinzufuhr ist dagegen durch die Benutzung sogenannter Insulinpumpen möglich (CSII – continuous subcutaneous insulin infusion). Diese mit Insulin gefüllten Dosiergeräte von der Größe eines Handys werden ständig getragen und geben über eine unter der Haut liegende Kanüle regelmäßig eine programmierte Insulinmenge (Basalrate) ab. Darüber hinaus erlauben sie es, vor den Mahlzeiten eine Extradosis Insulin (Bolus) abzurufen. Dabei kann die Insulingabe auf unterschiedliche Mahlzeiten angepasst werden, was starke Blutzuckerschwankungen nach dem Essen vermeiden hilft. Auch eine verlängerte Abgabezeit kann mit einer Pumpe eingegeben werden.

Leider gibt es noch keine Insulinpumpe mit sensorgesteuerter Insulinabgabe, um so dem Diabetes-Patienten nahezu völlige Unabhängigkeit von seiner Erkrankung zu verschaffen. Die abzugebende Insulinmenge wird nach der Menge der gegessenen Kohlenhydrate errechnet, wobei Messgeräte mit Rechenprogrammen diese Aufgabe erleichtern.

Auch bei der CSII kommen Diabetiker nicht um eine intensive Schulung herum. Allerdings gibt es bereits Insulinpumpen, die mit einem Glukosesensor verbunden sind. Dieser übermittelt die Zuckerwerte und kann damit zum Beispiel vor Unterzuckerungen warnen; dies wird aber vom Sensor nicht gesteuert.

Intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT)
Die Weiterentwicklung von Insulinpräparaten und Insulinapplikationsformen in den letzten Jahrzehnten ermöglichte die Einführung der sogenannten intensivierten Insulintherapie, bei welcher der Patient die Insulindosis ständig dem aktuellen Blutzuckerwert eigenständig anpasst.

Die intensivierte konventionelle Therapie (ICT) erfolgt nach dem sogenannten Basis-Bolus-Prinzip und ahmt die natürliche Insulinsekretion des Organismus nach, in welchem eine kontinuierliche Insulingabe (basale Sekretion) stattfindet, die zu Mahlzeiten gesteigert und bei körperlicher Betätigung vermindert wird.

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Bei der ICT bildet das ein– bis zweimal täglich gespritzte Verzögerungsinsulin die „Basis“. Der erhöhte Insulinbedarf zu den Mahlzeiten wird mit der zusätzlichen Injektion von schnell wirksamen Normalinsulin oder kurzwirksamen Insulinanaloga als „Bolus“ bestückt. Die erforderliche Dosis wird nach der Blutzuckerbestimmung berechnet. Erhöhte Blutzuckerwerte vor dem Essen können durch die additive Gabe von kurzwirksamen Insulin nach einem Korrekturplan gesenkt werden.

Diese Basis-Bolus-Therapie bietet dem Patienten mit Diabetes die Möglichkeit, seine Mahlzeiten flexibel zu gestalten, da die Menge der Kohlenhydrate portioniert wird und nicht umgekehrt. Voraussetzung für diese Therapie ist die regelmäßige Bestimmung des Blutzuckerspiegels vor jeder Mahlzeit und zur Nachtruhe, um die Dosierung gezielt vorzunehmen. Eine gute Schulung des Patienten ist hierfür erforderlich.

Diabetikerschulung
Eine umfangreiche Diabetes-Schulung ist für Diabetiker sehr wichtig und befähigt den Betroffenen autonom zu handeln und sich gezielt zu schützen.

In der Schulung werden wichtige Informationen vermittelt, über:
die Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten
die Bestimmung des Blutzuckerspiegels und Dokumentationen
den Umgang mit dem Insulin (Dosierung, Lagerung)
die Ernährung bzw. Essen und Trinken
der Gesundheitspass Diabetes und das Thema Folgeschäden
Einfluss von körperlicher Aktivität/Sport
Leben mit Diabetes im Alltag

Solche Schulungen werden von zahlreichen spezialisierten Einrichtungen angeboten, die von der Krankenkasse bezahlt werden. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Diabetesambulanzen von Kliniken, Selbsthilfegruppen und Diabetes-Schwerpunktpraxen informieren über die verschiedenen Kursangebote in regionaler Nähe.

Transplantation von Insulin produzierenden Zellen
Die Insulin produzierenden Zellen der Bauschspeicheldrüse lassen sich heute isolieren und transplantieren. Nach der Operation müssen die Patienten kein oder nur sehr wenig Insulin spritzen. Wie nach jeder Transplantation sind aber bestimmte Medikamente notwendig, da die Immunabwehr geschwächt ist und die transplantierten Zellen sonst zerstören würden. So ein Eingriff wird nur bei wenigen Patienten durchgeführt; z.B. bei gleichzeitiger schwerer Nierenschädigung mit einer notwendigen Nierentransplantation, da die Immunsystem schwächende Therapie sowieso durchgeführt werden muss.
In der Zukunft könnten mit Hilfe der Gentherapie körpereigene Zellen zu insulinproduzierenden Zellen umgewandelt werden. Dann würde eine solche Immunschwächungstherapie entfallen. Diese Möglichkeiten liegen jedoch noch im Bereich der Forschung.

Ernährung
Eine gesunde Ernährung ist für alle Patienten mit Diabetes mellitus von großer Bedeutung und gilt als ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. Mit einer kohlenhydratdefinierten Ernährung lassen sich die Blutzuckerwerte gut führen und stabil halten.

Anders als bei Typ 2 Diabetes wird bei Patienten mit Typ 1 Diabetes die Stoffwechselerkrankung nicht durch Überernährung begünstigt. Folglich geht es bei der Ernährungsweise nicht um eine Gewichtsabnahme.
Der Patient sollte jedoch die in der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate mit dem zu spritzenden Insulin möglichst gut in Übereinstimmung bringen. Eine ballaststoffreiche Kost mit „langsam“ aufgenommenen Kohlenhydraten kann beispielsweise langsame Blutzuckeranstiege bewirken und ist zu bevorzugen.

Eine ausgewogene Ernährung, wie sie für Stoffwechselgesunde empfohlen wird, ist auch für Diabetiker angemessen. Um in Beruf und Freizeit leistungsfähig zu sein, benötigt ein Diabetiker genauso wie ein Gesunder eine Kalorienzufuhr, die der körperlichen Tätigkeit angemessen ist. Es muss auf nichts verzichtet werden, auch nicht auf kleine Mengen Alkohol und Süßigkeiten.

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Empfehlenswert:

  • drei bis vier Mahlzeiten am Tag, abgestimmt mit den Kohlenhydratmengen zur Insulinportion
  • fettarme Kost in Verbindung mit Obst und Gemüse, um das Gewicht stabil zu halten
  • Vollkornprodukte, um die günstigen Ballaststoffe aufzunehmen
  • ausreichende Trinkmenge (1,5 – 2 l täglich) z.B. Wasser, stark verdünnte Saftschorlen, Früchtetee, Kaffee

Mögliche Folgeerkrankungen

Nicht alle Diabetiker entwickeln mögliche Folgeerkrankungen. Dies hängt stark davon ab, wie gut der Diabetes eingestellt ist und welche individuelle Veranlagung der Patient hat. Ist der Blutzucker optimal eingestellt, lässt sich das Risiko von Folgeschäden erheblich senken.

Zu möglichen Folgeerkrankungen gehören

Durchblutungsstörungen der Beine und Füße
Veränderungen der Netzhaut, die zum Erblinden führen können
Störungen der Nierenfunktion bis hin zum Nierenversagen
Erektionsstörungen
Taubheitsgefühl
Gefühlsstörungen

aber auch
Herzinfarkt
Schlaganfall

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Was Sie selbst tun können

Lernen Sie den richtigen Umgang mit dem Insulin und der Erkrankung. Eine optimale Einstellung des Blutzuckers wird erreicht, wenn die richtige Insulindosis zur Mahlzeit und Tageszeit gewählt wird. Beim Typ 1 Diabetes ist die Prognose besonders von der erreichten Blutzuckereinstellung abhängig. Moderne Hilfsmittel zur Messung und Therapie erleichtern die Stoffwechselführung und ermöglichen ein nahezu normales Leben.

Regelmäßige Arztbesuche bei Ihrem Diabetesteam sind besonders wichtig. Mit dem Arzt können Sie alle Fragen bezüglich der Therapie und der Erkrankung besprechen und Unklarheiten aus dem Weg geräumt werden. Um keinen der wichtigen Termine zu verpassen, können sämtliche Arztbesuche in den „Gesundheitspass Diabetes“ eingetragen werden. Der Pass ist bei Ihrem Behandlungsteam oder direkt bei diabetesDE erhältlich (vgl. Adressverzeichnis). Die Befunde und Laborwerte werden für eine Verlaufsdarstellung dort eingetragen und sind stets verfügbar. Dieses Dokument sollte auch bei einer Klinikeinweisung mitgenommen werden.

Für den Alltag mit Diabetes gibt es einige Tipps:

  • Akzeptieren und verstehen Sie Ihre Erkrankung oder die Ihres Kindes.
  • Lernen Sie, die Symptome für zu hohen oder niedrigen Blutzucker richtig zu deuten und zu behandeln.
  • Nutzen Sie die Diabetikerberatung bei Ihrem Arzt oder einer Diabetes-Ambulanz. Sie werden dort intensiv auf eine selbständige Blutzuckermessung und den Umgang mit Insulin vorbereitet.
  • Lernen Sie, sich das Insulin selbst unter die Haut zu injizieren. Für die Zukunft ist das lebensnotwendig.
  • Stecken Sie sich immer Zucker in die Tasche. Damit lässt sich eine Unterzuckerung durch eine zu hohe Insulindosis verhindern.
  • Messen Sie sich regelmäßig den Blutzucker, um die Insulinmenge auf das Essen abzustimmen und zu wissen, wie hoch Ihr Blutzuckerspiegel ist.
  • Vereinbaren Sie mit Ihrem Arzt regelmäßige Kontrolltermine. Hier werden Blutzuckerspiegel, Nieren- und Blutfettwerte, Blutdruck, Urin und Ihre Füße kontrolliert. Falls Komplikationen oder Folgeerkrankungen auftreten, werden zusätzliche Untersuchungen veranlasst oder Sie werden zu einem entsprechenden Spezialisten überwiesen.
  • Gehen Sie regelmäßig mindestens einmal im Jahr zum Augenarzt, um Schädigungen an den Augen rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Bildnachweis Deckblatt © lily – Fotolia.com, v. li. nach re. S. 4 Schlierner, Dmitry Lobanov, Alexander Raths, S. 7 Yuri Arcurs, adimas, Jezper, S. 10 Jürgen Fälchle, S. 12 Dmitry Lovanov, Sophia Winters, S. 14 boscorelli, Meddy Popcorn, Dmitry Lobanov, S. 15 Glamy, HLPhoto, Volker Wierzba, S. 16 Picture-Factory, Rückseite fovito-alles Fotolia.com

Autoren: Erstautor Bernd Weschenfelder, komplete Überarbeitung Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek, www.Patienten-Bibliothek.de

Wissenschaftliche Beratung: Dr. rer. medic. Nicola Haller, Diplom. Medizinpädagogin, Diabetes-Beraterin, Augsburg und Dr. rer. nat habil. Andreas Thomas, Physiker im Bereich der Diabetestechnologie, Pirma


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Weiterführende Informationen zum Thema Diabetes finden Sie z. B. bei der Deutschen Diabetes Hilfe www.diabetesDE.org.

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