Wissen und Forschung: COPD/Lungenemphysem

Artikel aus der Zeitschrift Patienten-Bibliothek / Atemwege und Lunge – Herbst 2018
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Chronisch progressive
Lungenerkrankung

Prof-Rabe-2-weboptimiert-261x300 Wissen und Forschung: COPD/LungenemphysemVon Diabetes, Krebs, Bluthochdruck oder auch Asthma haben die meisten Menschen eine ziemlich klare Vorstellung. Fast jeder kann zumindeste einige Merkmale mit diesen Erkrankungen verbinden oder näher beschreiben, um welche Erkrankung es sich handelt.

Was sich jedoch hinter dem sperrigen Begriff COPD verbirgt, wissen nach wie vor die Wenigsten. Selbst Betroffenen fällt es oft nicht leicht, die Lungenerkrankung konkret „in Worte zu fassen“.


Der nachfolgende Beitrag resultiert aus einem Gespräch mit Professor Dr. Klaus F. Rabe, Ärztlicher Direktor der Pneumologie an der LungenClinic Grosshansdorf im Vorfeld des 19. Patientenforums 2018 des Lungeninformationsdienstes in Dresden und dem anschließenden Vortrag von Professor Rabe während des Forums.

COPD – mit oder ohne Lungenemphysem COPD ist die Abkürzung für die englische Bezeichnung „chronical obstructive pulmonary disease“ und steht für „dauerhafte, fortschreitende Lungenerkrankung mit Einengung der Bronchien“.

Zwei Krankheitsbilder werden unter einer COPD zusammengefasst:

  •  chronische Bronchitis
    – ist eine dauerhafte Entzündung der unteren Atemwege, d.h. der Bronchien und Bronchiolen
    – geht mit einerVeränderung des Gewebes am Bronchialsystem einher
    – verursacht vor allem Husten, Schleimbildung und Auswurf
  • Lungenemphysem
    - ist eine Überblähung der Lunge, d.h. hier sind die Lungenbläschen betroffen
    – geht mit Veränderungen bzw. Zerstörungen der für den Sauerstoff- und Kohlendioxidaustausch zwischen Lunge und Blutgefäßen zuständigen Lungenbläschen (Alveolen) einher – durch die Zerstörung „fängt sich die Luft“ in der Lunge und „bläht“ sie auf
    – verursacht insgesamt eine starke Symptomatik bzw. ein Krankheitsgefühl, verringert den Sauerstoffgehalt im Blut und trägt dazu bei, dass CO2 (Kohlendioxid) schlechter abgeatmet werden kann, was Atemnot auslöst

„Die beiden häufigsten Gründe, warum ein Lungenfacharzt aufgesucht wird, sind anhaltender Husten und/oder eine deutliche Einschränkung körperlicher Aktivitäten, wie z. B. dem Treppensteigen. Nicht selten wird formuliert: Herr Doktor, ich komme die Treppe nicht mehr hoch.“

Ein Lungenemphysem ist häufig die Folge einer chronischen Bronchitis. Allerdings kann ein Lungenemphysem auch als eigenständige Erkrankung, z. B. infolge eines Gendefektes wie einem Alpha-1-Antitrypsinmangel auftreten.

Die dauerhafte Verengung der Bronchien resultiert aus entzündlichen Prozessen und damit verbundenen Veränderungen am Lungengewebe. Medikamentös ist die Verengung nur teilweise rückführbar.

Frühe Ereignisse
Wissenschaftliche Studien belegen mehr und mehr, dass frühe Ereignisse, d.h. während der Zeit vor oder nach der Geburt sowie im Kindes- und Jugendlichenalter, zu einer „Überempfindlichkeit“ der Lunge führen können. Wahrscheinlich tragen diese Ereignisse begünstigend dazu bei, dass sich im höheren Alter möglicherweise eine COPD entwickelt.

Zu frühen Ereignissen zählen beispielsweise:

• ein niedriges Geburtsgewicht
• häufige Infekte
• schlechte Lebensbedingungen wie z. B. Hunger, Mangelzustände – die wiederum zu Infektionen und ebenso zu einer schlechteren „Reifung“ des Organs Lunge führen können

„Unser Fazit aus bisherigen Studien lautet: Eine frühzeitige Abklärung, ob Ereignisse dieser Art in der Vergangenheit aufgetreten sind, ist empfehlenswert. So können Risiken erkannt und möglicherweise kann präventiv gehandelt werden.


Hätten Sie´s gewusst?Entwicklung der Lunge

Die Entwicklung der Lunge vor der Geburt startet um den 28. Tag der Schwangerschaft mit der Ausbildung der sog. Lungenknospe aus dem Vorderdarm des Embryos. Bis ungefähr zur 16. Woche wird der gesamte „luftleitende“ Teil der Lungen angelegt, also das Bronchialsystem bis hin zu den feinsten Verzweigungen.
Ab der 16. Woche beginnt dann die Bildung des Lungenparenchyms, also des Teils der Lunge, in dem die eigentliche Atmung – der sog. Gasaustausch – stattfindet.
Im letzten Schwangerschaftsdrittel entstehen an den Enden der Bronchioli, den feinsten Verzweigungen der Bronchien, die Lungenbläschen (Alveolen).

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Die Alveolen in der Lunge sorgen für den Gasaustausch von Sauerstoff und Kohlendioxid ins Blut.

Wie wichtig alle Phasen für die Entwicklung einer Lunge sind, zeigt sich bei früh geborenen Kindern. Weil ihre Lunge noch „unreif“ ist, sind Frühchen in den ersten Lebenstagen und –wochen oft auf eine Beatmung angewiesen.

Zum Zeitpunkt der Geburt ist erst ein Teil der beim Erwachsenen vorhandenen 300 Millionen Lungenbläschen funktionsfähig. Die Zahl der Lungenbläschen nimmt vor allem in den ersten sechs Lebensmonaten massiv zu. In dieser Phase der sog. Alveolarisierung, die etwa bis zum Ende des zweiten bzw. dritten Lebensjahres anhält, prägt sich auch die Abwehrfähigkeit der Lunge aus.

Voll entwickelt ist die Lunge erst zwischen etwa dem 21.-23. Lebensjahr. Neuere Daten belegen, dass in den Jahren parallel zum Lungenwachstum auch neue Alveolen gebildet werden.

Quelle: Lungeninformationsdienst, www.lungeninformationsdienst.de


Risikofaktoren
Eine Anzahl von Risikofaktoren begünstigt nachweislich die Entstehung einer COPD und bildet daher einen wichtigen Teil innerhalb der Forschungsaktivitäten. „Es gibt Faktoren, die man in seinem Leben quasi mitbekommt und es gibt Risiken, die zumindest zum Teil jeder selber zu verantworten hat. Liegen beispielsweise bereits frühe Ereignisse vor, so sind die Auswirkungen von täglich 20 Zigaretten nochmals deutlich gravierender, als bei einer voll ausgereiften, gesunden Lunge mit einer guten Ausgangslage.“

Nicht beeinflussbare Faktoren:
• genetisch bedingte Anfälligkeit wie z. B. durch einen Alpha-1-Antitrypsinmangel
• eine nicht voll „ausgereifte“ Lunge im Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenenalter

Beeinflussbare Faktoren:
• Rauchen (insbesondere aktiv, aber auch passiv)
• Luftschadstoffe (Stäube, Dämpfe, Rauch, Gase), sei es durch Luftverschmutzung, Schadstoffe am Arbeitsplatz u.v.m. (Lesen Sie hierzu auch die Beiträge ab Seite 48)
• Häufige Infektionen
• Körperliche Inaktivität


Unterschiedliche COPD-Typen

COPD-Patienten können oftmals in zwei Kategorien, medizinisch als Phänotypen bezeichnet, mit bestimmten Merkmalen unterteilt werden:

• Pink Puffer, die Patienten weisen meist eine rosige Hautfarbe auf, haben Untergewicht, Husten und Schleimbildung.

„Hier liegt eine deutlichere Komponente der Bronchitis, also der Entzündung der Bronchien, vor, mit häufigen Infekten und nicht selten der Notwendigkeit einer Cortison- und Antibiotikatherapie.“

• Blue Bloater, Patienten mit blauen Lippen und/oder Händen, deutlichem Übergewicht und verstärkter Atemnot.

„Hier liegt eine deutlichere Komponente der Emphysembildung vor, Lungenbläschen werden zerstört und die Lunge erhält eine feinblasige Struktur. Dadurch ist
eine unzureichende Dynamik innerhalb des Lungengewebes vorhanden – ähnlich wie bei einem ausgeleierten Luftballon.“


Behandlungsmöglichkeiten
Mit den derzeit zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen können nachfolgende Effekte erzielt werden:

• Symptomlinderung, d.h. die Reduzierung bestehender Beschwerden
• Verhinderung von akuten Verschlechterungsepisoden (Exazerbationen)
• Verlangsamung der Krankheitsentwicklung
• Steigerung der Lebensqualität

Zu diesen Behandlungsoptionen zählen:

• Rauchstopp
• Impfungen (Lesen Sie hierzu auch den Beitrag auf Seite 14)
• Inhalationstherapie Bronchodilatatoren (Bronchien erweiternde Substanzen)
• Pneumologische Rehabilitation (Lesen Sie hierzu auch den Beitrag auf Seite 37)
• Erkennen und Behandeln von möglichen Begleiterkrankungen
• Bewegung


„Eine Heilung der COPD ist derzeit nicht möglich. Noch sind die Ursachen der Lungenerkrankungen nicht bekannt, weder eine Bronchitis noch ein Lungenemphysem können ursächlich behandelt werden. Der weitaus größte Forschungsbedarf besteht also darin, endlich die notwendigen Ansätze für eine ursächliche Therapie zu finden.

Bei den derzeitigen Behandlungsoptionen nimmt die Bewegung bzw. die körperliche Aktivität einen besonderen Stellenwert ein. Bereits eine große Vielzahl von Studien konnte nachhaltig positive Effekte des körperlichen Trainings auf die Situation von COPD-Patienten belegen.

So kann durch körperliche Aktivität sehr viel an dem „Kasten“ um die Lunge herum – sprich dem Brustkorb mit der dazugehörenden Atemmuskulatur und Atemhilfsmuskulatur – verbessert werden.

Luftnot hat mit fehlender Dynamik des Lungengewebes zu tun. Um die fehlende Dynamik am Gewebe in gewisser Weise auszugleichen, die Atemnot etwas zu reduzieren, wird Muskulatur benötigt.

Weiterhin kann körperliche Aktivität dazu beitragen, dass sich das Untergewicht des Blue Bloaters, mit einhergehender Muskelschwäche, verbessert oder das Übergewicht des Pink Puffers, das zusätzlich auf Brustkorb und Atmung lastet, reduziert – um nur einige weitere Effekte zu benennen.

Nutzen Sie die Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaft zur körperlichen Aktivität und ebenso zu den Risikofaktoren, werden Sie selbst aktiv.“


Interview/Text:
Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliotek nach einem Gespräch und Vortrag von und mit
Professor Dr. Klaus F. Rabe

Bildnachweis:
adiruch na chiangmai, Normaals, More Pixels – Fotolia.com


 

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Der Beitrag wurde in der Herbstausgabe 2018 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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