Thorakale Transplantationen

Herz- und Lungentransplantation

S8 Thorakale Transplantationen

Das vergangene Jahr war ein bewegtes für die Organtransplantation in Deutschland, leider nicht immer in positiver Weise. Der Skandal um Manipulation bei Organtransplantationen in Göttingen, Regensburg, München und Leipzig hat viel Aufmerksamkeit erregt und verursachte katastrophale Konsequenzen für die Spendenbereitschaft in Deutschland. Seit der intensiven Berichterstattung über die Skandale ist ein dramatischer Rückgang der Spenderzahlen zu beobachten. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) meldet, dass die Zahl der Organspender bundesweit von 1.046 im Jahr 2012 auf 876 im Jahr 2013 zurückgegangen ist – und das vor dem Hintergrund eines ohnehin chronischen Organmangels.

Diese negative Entwicklung trifft in erster Linie jene Patienten, die aktuell auf ein Spendeorgan warten.

Nach der Transplantation
Was es für einen Patienten bedeutet, wenn die Wartezeit vorüber ist und ein Organ zur Verfügung steht, zeigt eine Umfrage, die wir an der HTTG-Chirurgie der MHH anlässlich des 20. Jubiläums unseren Thorakalen (den Brustkorb betreffenden) Transplantationprogramms durchgeführt haben. Von den insgesamt 31 ehemaligen Patienten, die an der Umfrage teilnahmen, leben viele bereits seit 20 Jahren oder länger mit dem gespendeten Organ. Wir haben die Patienten nach den kurz- und langfristigen Zielen gefragt, die sie sich in ihrer Wartezeit vor der Transplantation gesetzt haben. Genannt wurden die Ziele Überleben, Familie, Reisen und Arbeiten – und zum größten Teil konnten diese Ziele auch umgesetzt werden: Mehr als die Hälfte der befragten Patienten hatte darüber hinaus keine wesentlichen Probleme nach der Transplantation.

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Neue innovative Ansätze
Der angesprochene Organmangel führt dazu, dass Patienten mit immer längeren Wartezeiten konfrontiert werden. Die rigorosen Auswahlkriterien, die angesetzt werden um geeignete Organe zu identifizieren, führen darüber hinaus zu der Situation, dass viele Spenderorgane gar nicht erst angeboten werden, weil kein entsprechend geeigneter Empfänger gefunden werden kann. Das führt zu einer zusätzlichen Reduzierung der verfügbaren Organe.

Innovative Ansätze, die die Probleme des Organmangels und des effizienten Ressourceneinsatzes angehen, sind dringend nötig – so wie z. B. unkonventionelle Strategien, um dem richtigen Patienten die richtige Lunge zu vermitteln. In Deutschland und anderen Eurotransplant-Ländern werden Spenderlungen nach Dringlichkeitskriterien an Patienten vermittelt. Priorität haben High Urgency Patients – d.h. Patienten von der Hochdringlichkeitsliste, die in Deutschland im Durchschnitt mit zwischen 30 – 40 Tage Wartezeit zu rechnen haben. In Fällen in denen ein Organ aus funktionalen oder logistischen Gründen von drei unterschiedlichen Transplantationszentren abgelehnt wird, kann im Rahmen einer sogennaten rescue allocation (Notfallallokation) vom entsprechenden Transplantationszentrum selber vermittelt werden.
In der Medizinischen Hochschule Hannover – dem Zentrum mit dem größten Lungentransplantations-Programm in Europa – wurde in einem Pilotprogramm die Allokation (Zuteilung) von Spenderlungen aus dieser Notfallallokation an die stabilsten Patienten erprobt, um so negative Transplantationsergebnisse zu reduzieren. Trotz der Tatsache, dass diese Lungen nicht den Kriterien für optimale Transplantate entsprachen (oft waren sie von älteren Spendern und wiesen eine signifikant (deutlich) niedrigere Sauerstoffanreicherung auf), waren die Studienergebnisse überwältigend positiv. Empfänger dieser Lungen (72 insgesamt) benötigten kürzere postoperative Beatmung (Beatmung nach der Operation), waren kürzer in stationärer Behandlung und hatten 27 Monate nach der Operation mit normal transplantierten Patienten vergleichbare Überlebensraten (81,6% verglichen mit 80,76%).

Dieser Ansatz zeigt, dass insbesondere auch diese aus einer Notfallallokation stammenden Organe – die in der Regel verloren gehen – für eine Transplantation verwendet werden können und damit die verfügbaren, knappen Ressourcen effizienter genutzt werden können.

Neue Verfahren zur Konservierung
Nicht nur wird durch Innovationen in diesem Bereich die Allokationseffizienz erhöht: Neue Verfahren zur Konservierung von Organen eröffnen gleichzeitig völlig neue Möglichkeiten. Die derzeitige Standardmethode für die Konservierung von Organen ist die kalte ischaemische Lagerung. Dieses Verfahren wird seit Erfindung der Organtransplantation angewendet, wobei durch die Kühlung im Prinzip das Ausmaß der Organschäden während des Transports reduziert werden soll. Doch es kommt noch immer zu nicht unwesentlichen Schäden des gespendeten Organs. Je länger das Organ auf Eis bleibt, desto stärker die Schäden. Zudem ermöglicht die Kaltlagerungstechnik keine wiederbelebende Beurteilung, während das Organ vom Spender zum Empfänger transportiert wird.

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Dies bringt eine Reihe von Einschränkungen mit sich: Der Zeitraum für die Gewinnung, den Transport und die Implantation des Organs ist sehr kurz. Darüber hinaus ist die Gefahr einer Beschädigung des Organs im Rahmen der kalten Lagerung recht hoch. Außerdem kann das Organ vor der Implantation nur eingeschränkt auf seine Funktion überprüft werden. Um diesen Problemen zu begegnen hat die Firma Transmedics ein leicht transportables Gerät zur warmen Blutperfusion entwickelt, das zur Unterstützung einer Transplantation herangezogen werden kann.
Das Organ Care SystemTM (OCS) stellt sicher, dass die Organe in einer warmen, durchbluteten und stabilen Umgebung außerhalb eines Körpers gelagert und transportiert werden können. Zusätzlich ergibt sich daraus die Möglichkeit einer Verbesserung des Zustandes des Organs sowie einer kontinuierlichen klinischen Überprüfung des Transplantats. Die OCS-Technologie ermöglicht es somit, zusätzliche Organe zu erhalten und bis zur Implantation laufend zu kontrollieren. In einer Pilotstudie von zwei europäischen Zentren der Lungentransplantation in Hannover und Madrid haben wir das OCS System in einer Serie von 12 Hochrisiko-Patienten getestet. Die Ergebnisse waren außerordentlich vielversprechend – alle Patienten haben die Transplantation erfolgreich überstanden und das Organ funktioniert jeweils einwandfrei.

Alternativen zur Transplantation
Hinzu tritt die voranschreitende Entwicklung von Alternativen zu einer Transplantation. Kunstherzen können inzwischen mit minimalinvasiven Methoden (schonendere Methoden mit nur kleinen Hautschnitten) implantiert werden und kommen sowohl als Überbrückung bis zu einer Transplantation (bridge to transplantation) als auch als Endpunkt einer Therapie (bridge to destination) in Frage.

Die Forschung beschäftigt sich weiter mit Xenotransplantaten sowohl für Gewebe als auch für solide Organe. Xenogene Herzklappen befinden sich bereits im klinischen Einsatz. Bei einer Xenotransplantation handelt es sich um die Übertragung von lebens- und funktionstüchtigen Zellen, Geweben oder Organen zwischen Individuen verschiedener Spezies. Ein Beispiel für eine Xenotransplantation ist die Übertragung einer Herzklappe von einem Schwein auf einen Menschen.

Weiterhin sind bioartifizielle Organe (also Hybride sowohl aus künstlichem als auch aus biologischem Material) als Maßnahme zur Abwehr der Probleme in der Standardtherapie (wie z. B. Infektionsrisiko und Thrombose) in den Fokus gerückt.

So entstehen in diesem Bereich zahlreiche innovative Therapiemöglichkeiten, die als Alternative zur Organtransplantation mit Organen dienen sollen. Gleichzeitig ist klar, dass diese Entwicklungen noch einige Zeit beanspruchen werden, ehe sie zu einer klinischen Reife gebracht sind. Bis dahin sind wir weiter angewiesen auf die Spendenbereitschaft um die Patienten auf den Wartelisten zügig behandeln zu können. Es gilt das Vertrauen in die Organtransplantation und in die Forschung in diesem Bereich zurückzugewinnen und aufzubauen.

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Autor: Professor Dr. med. Axel Haverich
Klinik für Herz-, Thorax-,
Transplantations- und Gefäßchirurgie
Medizinische Hochschule Hannover



… mehr Wissen

  • www.dso.de
    Die Deutsche Stiftung Organtransplantation, kurz DSO, ist
    Koordinationsstelle nach § 11 des Transplantationsgesetzes
    und damit für die Organisation der Organspende in
    Deutschland verantwortlich.
  • www.eurotransplant.org
    Die Stiftung Eurotransplant ist als Service-Organisation
    verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganen in
    sieben europäischen Ländern und arbeitet hierzu eng mit
    den Organspende-Organisationen, Transplantationszentren,
    Laboratorien und Krankenhäusern zusammen.


Herausgeber Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge:
Offene Akademie und PatientenBibliothek gemeinnützige GmbH
Unterer Schrannenplatz 5
88131 Lindau
www.patienten-bibliothek.de
info@patienten-bibliothek.de

Bildnachweis aus Ratgeber:
Alexander Raths, Birgit Reitz-Hofmann – Fotolia.com
JamieHooper – Fotolia.com
Grafiken Professor Dr. Axel Haverich, Hannover

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