Pneumokokken-Impfung

Aktuelle STIKO-Empfehlung

Bisher wurde die Pneumokokken-Impfung bei COPD-Patienten in der Regel alle 5 – 6 Jahre als Wiederholungsimpfung verabreicht. Aktuell empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission des Robert Koch Instituts) lediglich eine einmalige Impfung. Darüber hinaus stehen inzwischen verschiedene Impfstoffe zur Pneumokokken-Impfung zur Verfügung.

S-8 Pneumokokken-Impfung

Die Redaktion im Gespräch mit PD Dr. Martin Kolditz, Oberarzt der Pneumologischen Abteilung der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden.


Können Sie uns die Empfehlung der STIKO näher erläutern und gibt es Ausnahmen, die doch eine Wiederholungsimpfung notwendig werden lassen? Wann ist welcher Impfstoff sinnvoll?

Pneumokokken rufen schwere, häufig tödliche Erkrankungen wie Blutvergiftungen und Lungenentzündungen hervor. Patienten mit einer COPD haben ein deutlich erhöhtes Risiko, eine Pneumokokkeninfektion zu erwerben, daher wird eine Impfung bei Patienten mit COPD generell (also sobald die Diagnose gestellt wurde) empfohlen.

Allerdings gibt es über 90 verschiedene Pneumokokkentypen, welche Infektionen beim Menschen auslösen können. Die Impfungen schützen also nicht gegen alle Pneumokokkentypen. Weiterhin können auch ganz andere Erreger zum Teil schwere Lungenentzündungen auslösen. Daher wird eine Pneumokokken-Impfung niemals vollständig vor einer Lungenentzündung schützen können.

Seit 2011 stehen in Deutschland für Erwachsene zwei verschiedene Pneumokokkenimpfstoffe zur Verfügung.

Der bereits langjährig bei COPD-Patienten eingesetzte Polysaccharidimpfstoff beinhaltet Antigen von 23 verschiedenen Pneumokokkenarten („Serotypen“). Er ruft aber leider nur eine relative schwache Immunantwort hervor und hilft nicht bei der Entwicklung eines immunologischen Gedächtnisses. In Studien konnte gezeigt werden, dass der Polysaccharidimpfstoff gegen schwere Pneumokokkeninfektionen („Sepsis“ = Blutvergiftung) sehr wirksam schützt, nicht aber gegen die zahlenmäßig viel häufigeren und ebenfalls oft schwer verlaufenden Lungenentzündungen.

Außerdem wurde in Untersuchungen festgestellt, dass nach einer Wiederholungsimpfung keine ausreichende Impfantwort mehr ausgelöst wird – der Impfstoff führt zu einer sogenannten „Hyporesponsivness“, was bedeutet, dass er nachfolgende Pneumokokken-Impfungen (mit beiden Impfstoffen) abschwächt.

Diese Hyporesponsivness ist der wichtigste Grund, warum eine Widerholungsimpfung von der STIKO nicht mehr empfohlen wird (mit Ausnahme von Patienten mit schwerer Immunschwäche oder schwerer Nierenerkrankung).

Der neu für Erwachsene verfügbare Konjugatimpfstoff ist ein sogenannter konjugierter Impfstoff, der bereits seit vielen Jahren für die Kinderimmunisierung verwendet wird. Er hat den Vorteil, dass er an ein sehr immunwirksames Protein „konjugiert“ (gekoppelt) ist und daher eine bessere, weil lang andauernde und auch auf den Schleimhäuten lokalisierte (dort wo die Pneumokokken sitzen), Immunantwort produziert.
Auch löst er keine Hyporesponsivness aus. Allerdings hat er den Nachteil, dass er nur 13 Typen der Pneumokokken umfasst.

Aufgrund der nachgewiesenen besseren Antikörperantwort hat die sächsische Impfkommission den Konjugatimpfstoff bereits seit seiner Zulassung zum Einsatz bei Erwachsenen empfohlen.

Die STIKO konnte sich zu dieser Empfehlung aber aufgrund fehlender klinischer Daten in ihrer letzten Veröffentlichung noch nicht entschließen. Nach Erscheinen dieser Empfehlung wurden aber erste Ergebnisse einer großen klinischen Studie an älteren Erwachsenen bekannt, die erstmals nachwies, dass der konjugierte Impfstoff nicht nur gegen Blutvergiftungen (Sepsis) durch Pneumokokken wirkt, sondern auch vor Lungenentzündungen wirksam schützt. Das bedeutet, dass sich die bessere immunologische Wirkung auch in eine gute klinische Schutzwirkung übersetzen lässt.

Aus diesen Gründen (bessere immunologische Wirkung, Nachweis des Schutzes vor Lungenentzündungen, Fehlen einer Abschwächung der Wirkung von nachfolgenden Pneumokokken-Impfungen) sollte meines Erachtens derzeit primär der Einsatz des Konjugatimpfstoffs bei COPD-Patienten erfolgen, wie es die sächsische Impfkommission ja auch bereits empfiehlt.

S-8 Pneumokokken-Impfung

Wichtig ist zu beachten, dass eine Impfung mit dem Konjugatimpfstoff aber erst frühestens 5 Jahre nach Vorimpfung mit dem Polysaccharidimpfstoff erfolgen soll, da ansonsten eine stark verminderte Impfantwort resultiert.

Derzeit wird diskutiert, ob zur Erweiterung des Impfschutzes eine zusätzliche Impfung mit dem Polysaccharidimpfstoff NACH Impfung mit dem Konjugatimpfstoff erfolgen sollte, da ja mehr Pneumokokkentypen enthalten sind und keine Hyporesponsiveness bei dieser Impfreihenfolge resultiert.

Dieses Vorgehen bietet sicher auch Patienten mit einer COPD, unabhängig vom Schweregrad, den potentiell größten Schutz; aber genaue Patientenauswahl und Zeitintervalle für ein solches Vorgehen sind noch nicht definiert.

Nach einer akuten Infektionserkrankung sollte übrigens mit der Impfung für einige Wochen gewartet werden, um einen optimalen Schutz zu erzielen. Die Impfung kann problemlos auch gemeinsam mit der Grippeschutzimpfung erfolgen.


…mehr Wissen

  • www.rki.de
    Robert Koch-Institut mit den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission – STIKO
    Wichtig: Orientieren Sie sich immer an den dort aktuell gegebenen Empfehlungen, die regelmäßig veröffentlicht werden.
  • www.capnetz.de
    2001 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Kompetenznetzwerk Ambulant erworbene Pneumonie (CAPNETZ = engl. Community Acquired Pneumonia = ambulant erworbene Pneumonie) initiiert. Ziel von CAPNETZ ist es, dass weniger Menschen an Lungenentzündung erkranken und seltener dran sterben. Die Internetseite bietet spezielle Informationen für Patienten.


Bildnachweis:
Dan race – Fotolia.com
PD Dr. Martin Kolditz

Interview/Text:
Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek

S-8 Pneumokokken-Impfung

Der Beitrag wurde in der Winterausgabe 2014 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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