eHealth – bessere Versorgung durch Digitalisierung

Gesundheits-Apps – Kommentare und Erfahrungen

…nicht blind in die Fluten stürzen

Momentan werden wir von APP-Angeboten wahrlich „überflutet“. In allen Bereichen drängen Apps zur Anwendung auf Smartphones und Tablets, ebenso wie Telemedizinangebote auf den Markt.

Dabei steht die Vielfalt der App-Angebote in ihrer Unübersichtlichkeit dem Tarifedschungel bei Handys in nichts nach.

Selbst eine Abgrenzung zwischen mobilen „Medical Apps“, die für medizinisches Personal oder Patienten zur Unterstützung bei Diagnose, Therapie oder Überwachung von Krankheiten konzipiert wurden, und reinen Fitness- oder Gesundheits-Apps fällt oft schwer. Die Zweckbestimmung und die Zielsetzung der Hersteller sind keineswegs immer sofort und eindeutig erkennbar.

Dennoch sind Apps sinnvoll. Sie werden uns künftig mehr und mehr begleiten.

Nur, sind momentan wirklich alle Entwicklungen sinnvoll? Vielleicht in Zukunft. Noch befinden wir uns jedenfalls im Aufbau eines riesigen neuen Marktes, indem viele Hersteller versuchen, Ärzte und Patienten an sich zu binden. 

…konkret

Gut vorstellen kann ich mir, dass Apps als Therapiebestandteil Patienten bei der Bewältigung ihrer Krankheit unterstützen und auch die Therapietreue, d.h. die Einhaltung der Therapie, steigern können. Schon jetzt können Patienten sog. Push-Nachrichten erhalten, die z. B. an Medikamenteneinnahmezeiten, Blutdruckmessungen etc. erinnern, was zu einem besseren Behandlungsergebnis und weniger Komplikationen führt.

Eine App, die für Dialysepatienten beispielweise die Nährwerte Kalium und Phosphat einzelner Produkte im Supermarkt oder im Restaurant anzeigen, wäre sehr praxisbezogen und für diese Patientengruppe von eminenter Bedeutung. …wenngleich mir bewusst ist, dass die App sehr aufwändig gestaltet und deren Datenbank riesig sein müsste.

Bei der in Pilotprojekten befindlichen „smartreha*“ geht es darum, Patienten raum- und zeitunabhängig optimal behandeln zu können und gleichzeitig die Kosten einer stationären Rehabilitationsmaßnahme durch eine telemedizinische Rehabilitation zu Hause zu senken. COPD-Patienten können – je nach Krankheitsbild – eine telemedizinische Rehabilitation über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten in Anspruch nehmen.

Ob eine telemedizinische Rehabilitation tatsächlich die gleichen Effekte, den gleichen Nutzen wie eine stationäre Rehabilitation erbringt, müssen wissenschaftliche Untersuchungen erst noch beweisen. Ich bin diesbezüglich eher skeptisch, denn die sozialen Komponenten, der Austausch mit anderen Betroffenen, die Schulungen, die aktive Physiotherapie, die Stärkung der Psyche und die dadurch gewonnene Compliance (Therapietreue) sind eher Argumente pro stationäre Rehabilitation.

…Sicherheit

Des Deutschen höchstes Gut ist eine 100-%ige-Datensicherheit.

Die Frage ist jedoch, wie steht es real mit „garantierter“ Sicherheit? Im digitalen Zeitalter ist diese keineswegs gegeben.

Unzweifelhaft ist, dass Patientendaten, die in falsche Hände geraten, immensen Schaden anrichten können.    

Kann eine Medical-App als Medizinprodukt die Lösung sein? Wer kann, wer darf überhaupt zertifizieren? Tatsache ist, dass derzeit nur sehr wenige Medizin-Apps für mobile Endgeräte, die als Medizinprodukt auf der Grundlage des Medizinproduktegesetzes (MPG) geprüft sind und somit den besonderen Anforderungen bezüglich Risiko, Sicherheit, Qualität, Regulierung und Überwachung Rechnung tragen, zu finden sind.

Ich denke, wir sollten keineswegs jedes Angebot ungeprüft und unüberlegt schnell mal auf unser Smartphone laden. Hinschauen ist gefragt und im ersten Schritt die Beantwortung der Fragen: Wer steht hinter der App? Ist es ein Verband, eine Krankenkasse, ein Wirtschaftsunternehmen, eine Klinik…?

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Ursula Krütt-Bockemühl
Ehrenvorsitzende
Deutsche Sauerstoff- und BeatmungsLiga LOT e.V.

*smartreha – Unter diesem Namen wurde am Institut Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen ein Projekt entwickelt, das mit telemedizinischen Angeboten die Reha in den eigenen vier Wänden ermöglichen soll. Seit Anfang Juli 2019 nehmen die ersten Patienten bei smartreha teil.

Zusammen mit dem telemedizinischen Zentrum der „Deutschen Gesundheitsdienste“ in Bochum werden im Projekt Trainingspläne erstellt und lebenswichtige Körperfunktionen der Patienten während des Trainings überwacht. Die ärztliche Betreuung übernehmen die Spezialisten in Abstimmung mit den behandelnden Haus- und Fachärzten des jeweiligen Patienten.

Quelle: www.informationsdienst.ruhr/nachrichten/detail/archiv/2019/july/artikel/zuhause-mit-digitaler-hilfe-gesund-werden-telemedizin-statt-stationaerer-reha.html – 18. Juli 2019


…eine ganze Menge Luft nach oben!

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Marion Wilkens, 1. Vorsitzende von Alpha1 Deutschland e.V. und selbst von Alpha-1-Antitrypsinmangel betroffen, testet Apps rund um das Thema Lunge. Sie ist Mitglied des Teams von PneumoDigital (siehe Informationen am Ende des Beitrags), das aus Lungenärzten, Patienten und dem Zentrum für Telematik und Telemedizin (ZTG) besteht.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Apps?

In der eigenen Anwendung nutze ich derzeit lediglich Smartwatch, z. B. mit der Funktion des Schrittzählers, was mir in der realen Wahrnehmung meiner täglichen Bewegung auf die Sprünge hilft.

Von den künftigen Möglichkeiten, die wir durch die technischen Entwicklungen werden nutzen können, bin ich begeistert. Professor Dr. Claus Vogelmeier, Präsident des diesjährigen Internistenkongresses, dokumentierte in seiner Kongressansprache einige ganz konkrete Beispiele, wie z. B. die elektronische Nase, die anhand des Musters von Molekülen in der Ausatemluft des Anwenders unterscheiden soll, ob es sich um einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel oder eine COPD handelt. Oder eine Applikation für Mobiltelefone einer australischen Arbeitsgruppe, die Husten- und Atemmuster analysiert und erste Anhaltspunkte für mögliche Diagnosen liefert.

Allerdings sind wir mit diesen Optionen bisher leider noch nicht in der Realität angekommen. Die derzeit zur Verfügung stehenden Apps sind von Innovationen mit echtem Mehrwert noch weit entfernt – und dass trotz einer wahren Flut täglich neuer Applikationen. Mein Eindruck ist, dass die Entwickler viel zu schnell mit ihren Apps auf den Markt drängen, vor allem präsent sein wollen, um im aktuellen Mainstream mitzuschwimmen. Letztendlich wird dabei aber mehr oder weniger das „kopiert“, was z. B. das Internet bereits anbietet – sowohl hinsichtlich der Anwendungen als auch der Informationen. Konkrete Bedürfnisse der Patienten werden (noch) zu wenig berücksichtigt.

Welche Erwartungen haben Sie an die Entwickler von Apps, welche Bedürfnisse bestehen?

Vielleicht können einige Beispiele die Bedürfnisse und Erwartungen von Patienten konkretisieren. Es ist Normalität geworden, bei Beschwerden zunächst das Internet zu befragen, bevor ein Arzt aufgesucht wird. Wenn in ein System nicht nur oberflächliche, sondern deutlich differenziertere Fragen eingegeben werden könnten, deren Antworten erste Hinweise darauf liefern, welche nächsten Schritte, möglicherweise welche Testungen empfehlenswert sind, könnte dies zu einem rascheren Handeln führen.

Bleiben wir beim Beispiel Alpha1, wäre beim Thema COPD die Integration der Fragestellung sinnvoll: „Haben mehrere Personen in ihrer Familie auffällige Leberwerte oder Lungenerkrankungen?“ Und deren anschließender Hinweis: „Dann sollte eine Testung auf Alpha1 erfolgen“, richtungsweisend. Es verfolgt dasselbe Ziel, wie auch von Professor Vogelmeier formuliert: „Selbst bei seltenen Erkrankungen schneller dahin zu gelangen, eine mögliche Diagnose überhaupt in Betracht zu ziehen.“

Bei einer App, die sich mit einem Erkrankungsbild befasst, wäre es sehr hilfreich z. B. auch die klassischen Medikamente aufzeigen, ggf. gleich mit Beipackzetteln und dem Hinweis, was die Substanzen bewirken. Wobei es keineswegs um Werbung, sondern um Information geht. Das Ziel sollte sein, weg von den alleinigen Basisinformationen, hin zu wirklich in die Tiefe gehenden Hintergrundinformationen zu gelangen.

Habe ich dann eine überzeugende, vertrauenswürdige App gefunden, in die ich auch meine persönlichen Daten eintrage, z. B. meine Peak Flow Werte o.ä., wäre eine direkte Mailfunktion zu meinem behandelnden Arzt, bei deutlich abweichenden Werten, wünschenswert.

Wobei wir beim Thema Datenschutz angelangt sind. Welche Erwartungen haben Sie?

Langfristig halte ich die Entwicklung von Apps, die sowohl auf Qualität als auch auf Seriosität, für besser. Beispielsweise sollte ein Server mit gespeicherten Daten in Europa und z. B. nicht in den USA stationiert sein. Patienten möchte ich ermuntern, kritisch zu sein und Einfluss nehmen, was über ein Mitwirken bei AppCheck möglich ist.  


…bitte einmischen!

Patienten für AppCheck gesucht

Hintergrund
Die ZTG GmbH wurde 1999 auf Initiative der NRW-Landesregierung gegründet und ist branchenübergreifend als herstellerunabhängiges Kompetenzzentrum etabliert. Seit 20 Jahren prüft die ZTG das Potenzial von IT-Innovationen für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Gemeinsam mit Kooperationspartnern aus medizinischen Fachgesellschaften, Experten der Medizin und Selbsthilfe möchte die ZTG über die Informationsplattform „AppCheck“ Nutzer von Apps über aktuelle und relevante Entwicklungen und geeignete Anwendungen informieren – www.appcheck.de.

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www.pneumodigital
Gemeinsam mit der Deutschen Atemwegsliga e.V. hat die ZTG in Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen wie Alpha1 Deutschland e.V. einen Kriterien- und Bewertungskatalog entwickelt, um vertrauenswürdige Apps rund das Thema Lunge zu prüfen und mit dem PneumoDigital-App-Siegel zu zertifizieren. Hersteller von Apps können sich bei PneumoDigital um eine Zertifizierung bewerben.   

Beteiligen Sie sich!
Für das Patientengremium sucht PneumoDigital weitere Patienten, die sich am Bewertungsverfahren aktiv beteiligen. Der Umgang mit Smartphone und Internet sollte selbstverständlich sein. Weitere Voraussetzungen sind nicht erforderlich.

So wird das PneumoDigital-Siegel vergeben:

  1. Der App-Hersteller bewirbt sich um das Siegel und füllt eine Selbstauskunft aus.
  2. Das Zentrum für Telematik und Telemedizin in Bochum nimmt eine technische Überprüfung vor und erstellt einen Bericht
  3. Die App-Tester von PneumoDigital führen ihre indviduelle Bewertung mittels Fragebogen durch.
  4. In einer Telefonkonferenz, an der alle Tester teilnehmen können, wird überprüft, ob die App alle wichtigen Kriterien erfüllt. Die Ergebnisse der Teste werden in einem Fazit zusammengefasst.      

Die Mitglieder von PneumoDigital freuen sich auf Ihre Kontaktaufnahme.
Bitte wenden Sie sich an:

Dr. Uta Butt, Deutsche Atemwegsliga e.V.
Raiffeisenstr. 38, 33175 Bad Lippspringe
Telefon 05252 – 933615, kontakt@atemwegsliga.de

Quelle: Deutsche Atemwegsliga e.V.


Informationen zur technischen App-Prüfung  
durch das Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH (ZTG), Bochum innerhalb des AppCheck
www.appcheck.de oder www.pneumodigital.de

Bei der durchgeführten Analyse bzw. beim Monitoring von Apps geht es darum, die Sicherheit der Datenströme und des Datentransports zu testen, d.h. zu testen, ob die Daten über eine gesicherte https-Verbindung übertragen werden. Dies gilt insbesondere für sensible und persönliche Daten, wie etwa Passwörter oder Angaben zum Gesundheitszustand. Zur Analyse der Kommunikation der Apps wird Charles Proxy verwendet. Erfolgt die Kommunikation über ein http-Protokoll, zeigt dies an, dass die Kommunikation unverschlüsselt ist.

Werden viele Datenströme mit Verwendung eines http-Protokolls angezeigt, ist dies ein Anzeichen dafür, dass bei dieser App genauer hingesehen werden sollte. Entscheidend ist dabei konkret die Frage, welche Daten bzw. Kommunikationsvorgänge über eine http-Verbindung transportiert werden. Handelt es sich dabei nur um einfache Bilddateien der Apps etc. und nicht um personenbezogene Daten, ist dies natürlich weniger kritisch.

Des Weiteren wird die Plattform(un)abhängigkeit der Apps analysiert, d.h. es wird einerseits untersucht, ob die Apps grundsätzlich fehlerfrei auf den beiden größten App-Plattformen von Apple/iOS und von Google/Android  auf verschiedenen Endgeräten funktionieren. Die Ergebnisse dieses Tests können mitunter auch von den Angaben der Entwickler und Hersteller abweichen. Die Analyse zur Sicherheit der Datenströme erfolgt entsprechend auf beiden Plattformen. Auch wird erkennbar, inwiefern Analysedienste wie beispielsweise Google Analytics zum Einsatz kommen.

Des Weiteren werden abschließend noch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sowie die Datenschutzangaben des jeweiligen App-Herstellers analysiert mit dem Ziel, die zuvor analysierten Ergebnisse mit den Angaben in den AGBs abgleichen zu können und eventuell vorhandene Widersprüche bzw. noch offene Fragen an den Hersteller herausfiltern zu können. Hinzugefügt werden muss in diesem Zusammenhang, dass über dieses Verfahren und aus rechtlichen Gründen nicht zu erkennen ist, was konkret mit den erhobenen Daten passiert bzw. ob der Hersteller Daten an Dritte weitergibt. Ein Weiterverkauf der Daten etwa kann nicht zweifelsfrei ermittelt werden. Offenkundig wird lediglich, ob die AGBs dies erlauben würden oder ausschließen.


Bildnachweis:
Ursula Krütt-Bockemühl, Susi Donner, Lindau
Marion Wilkens
Deutsche Atemwegsliga e.V.
Denys Prykhodov – AdobeStock

Text/Redaktion:
Kommentare in Anlehnung an Interviews, Sabine Habicht, Redaktionsleitung Patienten-Bibliothek


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Der Gesamtbeitrag wurde in der Herbstausgabe 2019 der Patienten-Bibliothek – Atemwege und Lunge veröffentlicht.

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